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Lehrermangel. In Brandenburg gehen, wie in allen anderen Bundesländern, viele Lehrer in den Ruhestand. An der Universität Potsdam wurden über Jahre nicht genug neue Lehrer ausgebildet, um den künftigen Bedarf decken zu können. Die einzige Lösung: Bewerber aus anderen Berufen, die zum Pädagogen umsatteln möchten.

© J. Stratenschulte/dpa

Lehrermangel in Brandenburg: Schulung vor dem Schuleinsatz

Das Land Brandenburg will Seiteneinsteiger besser aufs Unterrichten vorbereiten. Über das Gehalt gibt es weiter Streit.

Potsdam - Um den massiven Lehrermangel im Land auszugleichen, wirbt Brandenburg verstärkt um Seiteneinsteiger und will die Berufswechsler besser als bisher für den Schuldienst qualifizieren. „Der Lehrkräftebedarf in den nächsten zwölf Jahren wird nur mit Hilfe von Seiteneinsteigern zu decken sein“, machte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) am Freitag deutlich. In den kommenden Jahren werden von den derzeit 19 500 Lehrern jährlich 600 bis 800 in den Ruhestand gehen, ab 2021 sogar 900. Insgesamt müssen nach Berechnung des Ministeriums bis 2024/25 jährlich rund 1000 Stellen besetzt werden, erst ab 2026 wird sich der Bedarf auf einem dann immer noch hohen Niveau von rund 700 bis 570 freien Stellen einpendeln.

Der Landtag hatte bereits vor einem Jahr von der Landesregierung ein Konzept zur Qualifizierung der dringend benötigten Quereinsteiger gefordert, die derzeit 9,6 Prozent der gesamten Lehrerschaft im Land ausmachen. Im aktuellen Schuljahr hatten bereits 21 Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte nicht auf Lehramt studiert. Sie gehe davon aus, dass in absehbarer Zeit jeder zweite Neuzugang ein Seiteneinsteiger sein werde, so Ernst. „Wir begreifen die Seiteneinsteiger nicht als Notlösung“, betonte sie. Durch ihre Lebenserfahrung seien sie eine Bereicherung für die Schulen. Vor allem für Naturwissenschaften werden aktuell Lehrer benötigt. In berlinfernen Regionen sind Stellen jedweder Fächerkombination oft kaum zu besetzen.

Qualifizierung in 500 Stunden-Kurs

Das in dieser Woche vom Kabinett beschlossene Konzept sieht nun vor, dass die Pädagogen ohne Lehramtsabschluss zunächst befristete Arbeitsverträge von 15 Monaten bekommen. In den ersten drei Monaten vor Schulbeginn werden sie qualifiziert, und zwar in einem inklusive Selbststudium 500 Stunden umfassenden Kurs. Danach dürfen sie unterrichten und werden parallel weiter fortgebildet. Grüne und CDU kritisierten am Freitag, dass das Konzept erst ab dem zweiten Schulhalbjahr 2018/19 greift. „Seiteneinsteiger, die für das nächste Schuljahr eingestellt werden, werden ohne diesen Kurs ins kalte Wasser geworfen“, so der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Gordon Hoffmann. Um der großen Unterschiedlichkeit der Seiteneinsteiger gerecht zu werden, müsse diese Qualifizierung inhaltlich besser ausgestaltet werden, forderte die Bildungspolitikerin der Linken, Kathrin Dannenberg. Bislang wurden die Seiteneinsteiger – zum Beispiel Erzieher, Ingenieure, Geisteswissenschaftler – berufsbegleitend qualifiziert, was von Gewerkschaften und Opposition moniert wurde. Die Hochschulabsolventen wurden so praktisch ohne Vorkenntnisse an die Tafel gestellt und hatten parallel zum Berufseinstieg ein straffes Lernprogramm zu absolvieren.

Nach 15 Monaten werde künftig laut Ministerin Ernst beurteilt, wer für das Unterrichten geeignet ist und einen unbefristeten Vertrag bekommen kann. Ziel des Landes sei es, Seiteneinsteiger möglichst dauerhaft im Schuldienst zu halten. Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann nach einer fünfjährigen Qualifizierung einen Lehramtsabschluss nachholen. Weil die Seiteneinsteiger mit unterschiedlichsten Voraussetzungen und Abschlüssen hohen Beratungsbedarf haben, sollen bei den staatlichen Schulämtern insgesamt zehn neue Stellen für Mitarbeiter geschaffen werden, die sich um die Beratung und Ausbildung der Quereinsteiger kümmern. Lehrer, die an den Schulen die noch unerfahrenen neuen Kollegen betreuen, sollen eine monatliche Zulage von 75 bis 100 Euro bekommen.

Zunächst weniger Gehalt für Seiteneinsteiger

Nach wie vor strittig ist die Bezahlung der Seiteneinsteiger selbst. Wie berichtet wurden mehrere der Akademiker von den staatlichen Schulämtern zum Schuljahresbeginn in zu hohe Gehaltsklassen eingruppiert. Eine spätere Überprüfung durch das Ministerium ergab, dass die Qualifizierung das höhere Gehalt nicht rechtfertige. Die Betroffenen wurden zurückgestuft und müssen dem Land Geld zurückzahlen – im Schnitt 1800 Euro. Das Ministerium sprach von einem gängigen Verfahren, die Schnellanalyse der Bewerberzeugnisse mit notfalls späterer Korrektur werde gemacht, um die Lehrer schnell ins System zu bekommen und keinen Unterrichtsausfall zu riskieren.

Nach massiven Beschwerden von Betroffenen soll das System nun geändert werden, wie Ernst am Freitag auf Nachfrage bekannt gab. Die Neuerung dürfte die Betroffenen aber auch nicht zufriedenstellen: Künftig werden Seiteneinsteiger, bei denen die Qualifizierung nicht eindeutig ist, grundsätzlich zunächst in die niedrigere Gehaltsstufe eingruppiert. – und gegebenenfalls nachträglich höher eingruppiert. Seiteneinsteiger verdienen zwischen 2500 und 3800 Euro brutto, je nach vorheriger Qualifizierung – und damit ohnehin weniger als „klassische Lehrer“, die ein Lehramtsstudium abgeschlossen haben.

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