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Landtagswahl in Brandenburg: Mit letzter Kraft

Die SPD, wie das Land sie kannte, ist am Ende. Die AfD ist die neue Volkspartei in der Mark. Was das für Brandenburg heißt? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sabine Schicketanz

Potsdam - Die AfD triumphiert. In Sachsen, aber mehr noch in Brandenburg. Nur wenige Prozentpunkte trennen die Rechtspopulisten hier von der SPD. Mit einem anderen Ergebnis hatte in der Mark allerdings auch kaum jemand gerechnet. Ein Gefühl der Beklommenheit umfing in den zurückliegenden Wochen des Wahlkampfs die einen, die gegen die AfD zu Felde zogen. Eine hämische Siegesgewissheit, getränkt mit Wut und Hass, die anderen. 

So standen die Verlierer dieser Wahl schon fest, bevor die Wahllokale überhaupt öffneten. CDU und Bündnisgrüne verloren viele potenzielle Stimmen, weil sie ihren Wählerinnen und Wählern nicht in Aussicht stellen konnten, die AfD als stärkste Kraft in Brandenburg zu verhindern. Das konnte nur die SPD, die ohne dieses Duell dramatisch mehr Zuspruch eingebüßt hätte. So haben die brandenburgischen Sozialdemokraten immerhin das Schlimmste verhindert, mit letzter Kraft.

Die SPD, wie Brandenburg sie kannte, ist am Ende

Die Erleichterung darüber mag groß sein, die ernüchternde Wahrheit ist größer: Die SPD so wie Brandenburg sie kannte, ist am Ende. Das Land hat eine neue Volkspartei. Eine, deren Wählerinnen und Wähler für die bisherigen Volksparteien unerreichbar scheinen. Eine, die die Leerstelle, die Brandenburgs rot-rotes Bündnis im Land, ja besonders im Ländlichen, hinterlassen hat, mit Genugtuung ausfüllt. Die AfD ist aus Sicht jedes fünften Brandenburger Wählers all das, was die anderen Parteien nicht sind: bürgernah, vor Ort, bereit, sich für die Anliegen derjenigen einzusetzen, die keinerlei Notwendigkeit sehen, sich mit der Welt zu verändern. 

Die Brandenburger seien „strukturkonservativ“, heißt es oft. Was meint, dass Umwälzungen eher nicht erwünscht sind. Besonders solche, die sich gegen die eigenen Überzeugungen und Lebenswelten richten. Das fängt bei der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, bei neuen Rollenbildern und der Verwerflichkeit der alten an, und lässt sich weiterführen über Klimaschutz, Mobilität bis zur Ernährung.

Bevölkerungen im emotionalen Ausnahmezustand

Die Polarisierung der Welt, die neuen Kräfteverhältnisse, sie lassen sich buchstäblich hinunterdeklinieren bis ins kleinste brandenburgische Dorf. Parallelen lassen sich ziehen zwischen der Wut, die Trump einst die Stimmen der US-amerikanischen Landbevölkerung brachte, zum hiesigen märkischen Widerstand gegen das vermeintliche Establishment. Dass die Gewählten es nicht so genau nehmen mit den bisher als Konsens geltenden Werten der Demokratie, sich in Teilen gegen sie wenden, spielt für die Bevölkerungen im emotionalen Ausnahmezustand eine nur untergeordnete Rolle. Oder sie goutieren radikale Haltungen sogar – weil sie sich gegen die als Bedrohung empfundene Erneuerung wenden. 

Dass jene, die Trump gewählt haben, von ihrer Wahlentscheidung persönlich nur wenig profitieren, ist eine Binse. Dass ihnen gleiches widerfahren wird, schreckt AfD-Wähler wenig; billigend nehmen sie in Kauf, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass die Partei über ausreichend Mittel und Qualifikationen verfügt, tatsächlich etwas für ihre Wählerinnen und Wähler zu tun – außer sie mit Symbolpolitik zu befriedigen. 

An der Lage in Brandenburg wird die AfD nichts ändern. Das obliegt jenen, die nun die politische Verantwortung übernehmen. Es wird eine bunte Truppe sein müssen. Sie muss Lösungen finden nicht gegen die AfD, sondern für Brandenburg.

Die Ostdeutschen sichtbar machen

Zwei Drittel der Märker meinen, Ostdeutsche seien Deutsche zweiter Klasse. Viele von ihnen haben sich nun Gehör verschafft. Ihnen zuzuhören, nicht nur auf sie zu schauen, sondern sie sichtbar zu machen, darauf wird es ankommen. Mit möglichst vielen von ihnen zurückzufinden zu einer gemeinsamen märkischen Identität. Was nötig ist, hatte die SPD sehr wohl begriffen, im Wahlkampf geradezu verzweifelt beschworen: „Ein Brandenburg“. Nur gibt es das nicht mehr. Es muss neu geschaffen werden. 

Dieses Wahlergebnis in Brandenburg stellt vieles, fast alles infrage. Es ist Zeit für neue Antworten. 

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