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Landtag Brandenburg: Auf alle Kanäle!

Das Parlament tagt oft nur für sich allein. Das soll sich ändern. Auf einer Anhörung machten Experten dafür Vorschläge

Potsdam - Selbst in Brandenburg nutzen 1,2 Millionen Menschen soziale Netzwerke wie Facebook. Und eine Million Menschen greifen schon mal auf das Videoportal Youtube, „mehr als der RBB“. Diese Zahlen präsentierte zumindest Martin Fuchs, Experte für neue Medien, Hochschullehrer und Gründer der Plattform „Hamburger Wahlbeobachter“, am Mittwoch auf einer Anhörung im Hauptausschuss des Brandenburger Landtags.

Seine Botschaft war klar: Wenn das Parlament auf die Höhe der Zeit kommen will, wenn es Wähler besser erreichen will, dann müsse es auch Kanäle wie Facebook, Twitter oder Youtube offensiv nutzen. Es sei längst nicht mehr nur etwas für junge Leute. „Das ist Bullshit“, sagte Fuchs. Bislang ist Brandenburgs Parlament weder auf Facebook, noch Youtube aktiv vertreten. Nach einer von Fuchs präsentierte Benchmarkseite, die die Social-Media-Aktivitäten von Institutionen vergleicht, gehört Brandenburgs Landtag zu den Schlusslichtern. Für eine Auswertung seien „nicht genug Daten vorhanden“, heißt es dort. Und vom Landesjugendring kam der Hinweis, dass die Homepage des Landtags auf modernen Smartphones – von jungen Leuten am meisten genutzt – kaum zu entziffern sei.

Anlass der Anhörung war eine geplante Parlamentsreform in eigener Sache. Die Initiative kommt von den Grünen. Auch aufgeschreckt durch die dramatisch niedrige Wahlbeteiligung bei der letzten Landtagswahl, bei der sie auf knapp 48 Prozent abrutschte, die zweitniedrigste in der Geschichte der Bundesrepublik, sind auch die anderen Fraktionen inzwischen offen. Gesucht wird nach Möglichkeiten, Debatten im Landtag durch anderen parlamentarische Verfahren lebendiger zu machen. Denn mittlerweile ist es Alltag, dass weite Teile der Sitzungen – drei Tage hintereinander, oft bis in den späten Abend – vor fast leeren Medien- und Zuschauerrängen über die Bühne gehen.

Ein Blick nach Berlin kann da helfen. Im Abgeordnetenhaus hat man eine solche Parlamentsreform 2014 hinter sich und damit gute Erfahrungen gemacht, wie Christian Christen, der Direktor des Berliners Abgeordnetenhauses berichtete. So seien die Großen Anfragen abgeschafft, die spontane Befragung der Regierung in Parlamentssitzungen eingeführt worden – statt der schriftlich eingereichten Fragen und der vorbereiteten Ministerantworten, wie sie auch in Brandenburg noch praktiziert werden. Und, so sagte Christen, man habe die Sitzungen „kompakter gemacht“, die politisch drängenden Punkte nach einem Prioritätensystem nach vorn gelegt.

Es reichen schon einfache Mittel. So mahnte der Journalist Benjamin Lassiwe, Vertreter der Landespressekonferenz Brandenburg, „mehr freie Rede“ im Landtag an, statt der abgelesenen Manuskripte. Auch er sprach sich dafür aus, die spontane Befragung der Regierung in Parlamentssitzungen einzuführen. Und, so sein Plädoyer, drei Parlamentstage hintereinander, seien Lesern, Zuschauern und Zuhörern nicht zu vermitteln.

Professor Stefan Marschall von der Universität Düsseldorf warnte allerdings vor zu großen Hoffnungen. Auch bei anderen verfahren lebendigeren Debatten sei nicht garantiert, dass sie Medien und in der weiteren Folge die Bevölkerung erreichen. „Einen Stein des Weisen gibt es nicht“, sagte Marshall. Auch er sieht allerdings Reserven für Brandenburgs Parlament in Online-Angeboten, in sozialen Netzwerken, allerdings in Dialogformen. Er verwies auf Thüringen, wo man auf der Seite des Landtages – anders als in Brandenburg – Online-Petitionen starten könne und es auch ein Diskussionsforum gäbe.

Allerdings sind die Erfahrungen mit dem, was der Landtag bereits anbietet, eher ernüchternd. So kann man Parlamentssitzungen mittlerweile via Live-Stream verfolgen. Der SPD-Abgeordnete Mike Bischoff wies darauf hin, dass es im Durchschnitt weniger als einhundert Nutzer gebe, „davon die Hälfte im Landtag selbst“.

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