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Gibt er noch den Takt an? Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident Brandenburg.

© Ralf Hirschberger/dpa

Update

Brandenburg: Krise trotz Machtwort Woidkes

Auch nach Gespräch zwischen SPD-Ministerpräsident und Linke-Regierungsvize kein Ende im Streit um Verfassungsschutz. Und der Linke-Landesvorstand? 

Trotz eines Machtwortes von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist in Brandenburg die aktuelle rot-rote Koalitionskrise um den Verfassungsschutz nicht beigelegt. Woidke stellte am Dienstag klar, dass die Aufstockung des chronisch unterbesetzten Verfassungsschutzes von 93 um 27 Stellen nicht zurückgenommen wird, die Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) letzte Woche entschieden hatte. Und zwar völlig unabgestimmt mit den Linken, die seit Jahren mehr Stellen für den Inlandgeheimdienst blockieren. „Diese Entscheidung ist gefallen, Punkt“, sagte Woidke den PNN. Intern hatte Woidke in den letzten Tagen klargestellt, dass es kein Alleingang von Schröter, er vorab informiert gewesen sei.

Es konnte keine Einigung erzielt werden

„Die Sicherheit der Brandenburger ist nicht verhandelbar“, sagte auch SPD-Fraktionschef Mike Bischoff. Am Morgen hatten sich Woidke und Vize-Ministerpräsident Christian Görke (Linke) zu einem Krisentreffen getroffen, bei dem keine Einigung erzielt werden konnte. „Es gibt weiterhin unterschiedliche Auffassungen. Das ist der Sachstand“, sagte Görke. Die von der Aktion überrumpelten Linken wollen die eigenmächtige Aufstockung nicht akzeptieren.

Der Landesvorstand der Linken wies in der Nacht zum Mittwoch in einem Beschluss die "Provokation" des Innenministers zurück: "Durch seine einseitigen, unabgestimmten Personalmaßnahmen missachtet er das Parlament. Diese Provokation weisen wir zurück. Derartige Entscheidungen führen zu einem Vertrauensverlust innerhalb der Koalition und erschweren die Arbeit – sie können diese sogar unmöglich machen", heißt es in der Erklärung.

Der rot-rote Konflikt acht Monate vor der Brandenburg-Wahl wird die erste Sitzung des Landtags im neuen Jahr am heutigen Mittwoch überschatten. Es liegen dazu drei dringende Anfragen vor, unter anderem von der CDU, deren Antrag um Aufstockung des Verfassungsschutzes um 30 Stellen mit rot-roter Mehrheit erst im Dezember vom Landtag abgelehnt worden war. Jetzt bringt die CDU wieder einen solchen Antrag ein. Die Anfragen wird nicht Schröter, sondern Staatskanzleichef Martin Gorholt beantworten.

Am Mittwoch soll die Kuh vom Eis

Die Lage in der Koalition beschrieb Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers so: „Es gibt einen Vertrauensverlust.“ Er betonte zugleich, dass für die Linken „ein Ausstieg aus der Koalition wegen des Verfassungsschutzes kein Thema ist“. Man suche eine Einigung. Er hoffe, dass die Kuh am Mittwoch vom Eis sei. Man dürfe auch der AfD keine Vorlage liefern. „Ich bin dafür, dass man nicht jede Provokation mit einer Provokation beantwortet“, sagte Christoffers. In der Landesregierung pocht Finanzminister Görke darauf, dass eine derart umfangreiche Personalentscheidung Schröters – eine Umschichtung von 27 Stellen – gar nicht ohne Einbeziehung des Finanzministeriums zulässig sei. Es sei Aufgabe der Regierung, das zu klären.

Hinter den Kulissen herrschte bereits Einvernehmen

Die Linken sind durch das Vorgehen Schröters – und Woidkes – erst recht brüskiert, weil es hinter den Kulissen in der Koalition bereits Einvernehmen gab, das Verfassungsschutzgesetz um Konsequenzen aus dem NSU-Ausschuss zu erweitern – und dann 20 zusätzliche Stellen zu schaffen. Christoffers wiederholte dieses Junktim. „Für uns ist es zentrale Frage, dass erstmals in Deutschland in einem Verfassungsschutzgesetz Konsequenzen aus einem NSU-Ausschuss gezogen werden.“ Es gehe um eine Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle, die Einführung einer Innenrevision und eine Begrenzung des V-Mann-Wesens. „Grundlage ist, dass das Verfassungsschutzgesetz so bleibt, wie es ist – und Konsequenzen aus dem NSU-Ausschuss eingepflegt werden“, sagte Christoffers. Dieser Linie entspricht der Beschluss des Linke-Vorstandes. Neben den von Christoffers formulierten Punkten enthält der Forderungskatalog für die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes auch folgenden Passus: "Konzentration des Verfassungsschutzes auf sein Kerngebiet zur Gefahrenabwehr und keine Maßnahmen der politischen Bildung." Das würde das Ende der präventiven Arbeit der Behörde: "Verfassungsschutz durch Aufklärung" in Schulen, bei Vereinen und Freiwilligen Feuerwehren bedeuten.  Mehr Kompetenzen für den Verfassungsschutz, die Schröter ebenfalls will, die die CDU in ihrem Antrag im Landtag fordert, lehnen die Linken ab. Außerdem wollen diese aus dem ebenfalls noch strittigen Entwurf des Polizeigesetzes den „Staatstrojaner“ streichen lassen, was kürzlich Experten bei einer Anhörung im Landtag empfohlen hatten. Es ist unwahrscheinlich, dass es in der Linke-Fraktion ohne diese Streichung eine Mehrheit für das Polizeigesetz gibt. Die SPD zeigte sich am Dienstag gesprächsbereit, das Verfassungsschutzgesetz zu novellieren. Noch ehe der aktuelle Konflikt beigelegt ist, sind schon die nächsten Auseinandersetzungen programmiert.

CDU: "Ein erbärmliches Schauspiel"

Die Opposition schüttelt nur noch die Köpfe. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte: „Rot-Rot ist inzwischen im Jeder-kämpft-für-sich-allein-Modus“. Der Umgang der SPD mit dem Koalitionspartner lasse für eine mögliche SPD-geführte Koalition nach der Landtagswahl „das Schlimmste befürchten“. Alles sei ein „erbärmliches Schauspiel“, sagte der CDU-Finanzexperte Steeven Bretz. Er stützte die Position der Linken, dass ohne Okay des Finanzministers eine solche Aufstockung nicht möglich ist. Dass das alles nicht geklärt wurde, so Bretz, zeuge „von eklatantem Führungsversagen des Ministerpräsidenten und seiner Staatskanzlei“.

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