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Krise der Brandenburger SPD: Oranienburgs Ex-Bürgermeister Laesicke tritt aus SPD aus

24 Jahre lenkte Hans-Joachim Laesicke die Geschicke der Stadt Oranienburg. Nun ist der frühere Kommunalpolitiker aus der SPD ausgetreten - und rechnet in einem Brief mit seiner Partei ab, die sich vor allem in der Maaßen-Debatte falsch verhalten habe.

Potsdam/Oranienburg -Bei seiner Verabschiedung vergangenen Oktober waren sie alle da: Woidke, Platzeck, Stolpe, die drei SPD-Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg seit der Wiedervereinigung. Gleich nach der Wende, 1990, war auch Hans-Joachim Laesicke in die SPD eingetreten. Ein Sozialdemokrat der ersten Stunde im neu gegründeten Bundesland und, bei seiner Verabschiedung vergangenen Herbst, dienstältester Bürgermeister Brandenburgs mit 24 Amtsjahren. Nun ist der 64 Jahre alte Laesicke aus der SPD ausgetreten – und begründet seinen Schritt vom 22. September in einem am Donnerstagabend verschickten Brief an die Mitgliedern des SPD-Ortsvereins Oranienburg mit drastischen Worten. Die Debatte um Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen habe für ihn das Fass zum Überlaufen gebracht.

Laesicke: Ich will aufrecht bleiben 

„Als ich im Januar 1990 in die SPD eingetreten bin, habe ich mir geschworen, dass ich mir einen inneren Seismographen bewahren wollte, der mir anzeigt, wenn der Fall eintreten sollte, dass die Kluft zwischen der Politik der SPD und meinen Überzeugungen so groß geworden ist, dass eine Mitgliedschaft nur noch aus Vasallentreue oder der Befürchtung persönlicher Nachteile begründet sei“, heißt es in dem Brief, der den PNN vorliegt. Dann würde er die Partei wieder verlassen. Dieser Zeitpunkt sei nun gekommen.  Denn „solche Typen“, die aus den genannten Gründen „in der SED geblieben waren und dafür in der Wendezeit noch nach Verständnis winselten, habe ich damals schon zum Kotzen gefunden“, schreibt Laesicke. Er wolle die SPD nicht mit der SED gleichsetzen – es gehe ihm nur darum, aufrecht zu bleiben. 

Der Neuanfang der Partei sei ausgeblieben

„Meine gemeinsame Schnittmenge mit der SPD ist immer kleiner geworden“, erklärt der langjährige Bürgermeister, der in seinem Schreiben mit der Politik der Bundes-SPD abrechnet. Schon als seine Partei vor einem Jahr bei der Bundestagswahl eine historische Niederlage kassierte, sei er kurz davor gestanden, die SPD zu verlassen. Er habe aber darauf vertraut, dass es kein „Weiter so“ geben werde, doch der versprochene Neuanfang sei ausgeblieben.  Der Fall Maaßen sei für ihn nun ein weiterer, klarer Beweis, „für die Ignoranz und Selbstgefälligkeit der Parteibonzen“. Laesicke wird noch deutlicher: „Ich fühle mich deutlich verarscht und bin nicht gewillt, in diesem miesen Trauerspiel weiter dabei zu sein. Mir reicht es!“ 

Billigung der Maaßen-Beförderung "skandalös"

Die beabsichtige Beförderung von Maaßen, der sich nicht nur bei der Beurteilung von Chemnitz, sondern auch bei der Aufarbeitung der NSU-Verbrechen disqualifiziert habe, und deren Billigung durch die SPD sei „skandalös“. Auch eine Korrektur würde die Ursprungsentscheidung nicht ungeschehen machen, meint Laesicke, der auch Landesvorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) war. Wenn Koalitionsfrieden wichtiger sei als eine sozialdemokratische Überzeugung, „dann habe ich in dieser Partei nichts mehr verloren“, erklärt das frühe Mitglied des Neuen Forums. 

Brandenburger SPD gleichauf mit AfD

Die Brandenburger SPD wird nicht explizit erwähnt, doch diese dürften gerade die letzten Sätze in Laesickes Brief ins Mark treffen. „Dass damit die Menschen in unserer Gesellschaft üblen Rattenfängern in die Arme getrieben werden, ist eine traurige Folge, die ich nicht mehr bereit bin, als Mitglied der SPD zu tragen.“ Wie berichtet war die SPD, seit der Wende führende Partei in Brandenburg, bei der jüngsten Umfrage des rbb abgeschmiert. Die SPD lag bei nur noch 23 Prozent – gleichauf mit der AfD. Gefolgt von der CDU mit 21 und der Linken mit 17 Prozent. 

Am Samstag Start der Regionalkonferenzen 

Der Parteiaustritt des brandenburgweit bekannten Kommunalpolitikers Laesicke dürfte vor diesem Hintergrund auch am Samstag – zumindest hinter vorgehaltener Hand – Gesprächsthema bei der ersten von vier Regionalkonferenzen sein, bei der die SPD über ihr Programm für die Landtagswahl in knapp einem Jahr diskutieren will. Die Auftaktveranstaltung findet in der Gemeinde Bersteland im Spreewald statt. Danach sind Veranstaltungen in Potsdam, Laesickes Wohnort Oranienburg und Fürstenwalde (Oder-Spree) geplant.  Eröffnet werden die Diskussionsveranstaltungen jeweils von Partei- und Regierungschef Dietmar Woidke. Er hatte bereits im April in einem Arbeitspapier erste Eckpunkte des Wahlprogramms vorgestellt und seine Spitzenkandidatur angekündigt. Danach hatte die Wahlkommission weitere Ideen gesammelt. „Was braucht Brandenburg? Was soll die SPD voranbringen?“, lauten nun die Fragen für die Konferenzen. Laut Einladung soll dabei an „Kreativ- und Arbeitstischen“ miteinander gesprochen werden. Neben Mitgliedern sind auch sonst Interessierte geladen. Zur Wahlprogrammkommission der SPD gehören unter anderem SPD-Fraktionschef Mike Bischoff und der Generalsekretär der Partei, Erik Stohn.

Lobeshymnen von Woidke und Platzeck 

Bei seiner Verabschiedung im Herbst hatten Ministerpräsident Dietmar Woidke und sein Amtsvorgänger Matthias Platzeck noch Lobeshymnen auf ihren Parteigenossen Laesicke gesungen. Dieser habe sich „nicht nur um Oranienburg verdient gemacht, sondern auch um Brandenburg“, sagte Landesparteichef Woidke. Laesicke sei ein streitbarer und sozialer Mensch, hatte Platzeck in seiner Rede erklärt: „Hansi, du hast dich um deine Stadt, um dein Land und um die Demokratie verdient gemacht. Genau so muss ein Bürgermeister sein.“ 

Der Nachfolger ist parteilos 

Laesicke Senior wurde nach 24 Jahren im Rathaus von seinem Sohn Alexander beerbt. Der 39-Jährige hat den Sozialdemokraten schon lange den Rücken gekehrt. Er war früher auch in der SPD aktiv – bis er die Partei, wie er erklärte, nach dem Wechsel von Ex-Kanzler Schröder zu Gazprom enttäuscht verließ. Kurzzeitig war er Mitglied der Grünen. Inzwischen ist er parteilos.   

Marion Kaufmann

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