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Zur Kriminalität von rechts gehört laut Ministerium auch der gewaltsame Tod einer fünfköpfigen Familie aus Königs Wusterhausen.

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Update

Kriminalität in Brandenburg: So viele politisch motivierte Straftaten wie nie

Brandenburgs Polizei zählt für 2021 so viele politische Straftaten wie nie seit Beginn der Erfassung vor 20 Jahren. Innenminister Stübgen macht dafür vor allem zwei Haupttreiber aus. 

Potsdam - Zerstörte Plakate, Attacken auf Amtsträger, Angriffe auf Polizisten bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen: Die Zahl politisch motivierter Straftaten in Brandenburg hat einen Negativrekord erreicht. Insgesamt 3661 solcher Straftaten registrierte die Polizei im Vorjahr – so viele wie noch nie seit Einführung der Statistik 2001. Allein im Vergleich zum Vorjahr stieg die Fallzahl um 63 Prozent. Gleichzeitig sank die Aufklärungsquote binnen eines Jahres von 56,7 auf 52,5 Prozent. 

Aus Sicht des Innenministeriums sind zwei Faktoren für den massiven Anstieg der Fälle verantwortlich. Die Bundestagswahl und das zweite Pandemiejahr seien „Haupttreiber einer Entwicklung, die uns als Gesellschaft zutiefst beunruhigen muss“, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) zu der am Montag veröffentlichten Statistik. 

Polizeipräsident Stepien in Sorge

Besonders den erheblichen Anstieg bei politisch motivierten Gewaltdelikten um mehr als 75 Prozent sehe er mit Sorge, erklärte Polizeipräsident Oliver Stepien. Von den 179 Gewaltdelikten seien 108 im rechten und 18 im linken Spektrum zu verorten. Vier Gewalttaten wurden aus religiöser Ideologie heraus begangen, 49 konnten keinem der Bereiche zugeordnet werden. Die Zahl der fremdenfeindlichen Gewaltdelikte ist um elf auf 74 Fälle gestiegen. Auch Gewalt bei Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner hat zugenommen, und zwar um sieben auf 102 Straftaten.

„Wer seinen Hass gegenüber politisch Andersdenkenden durch Sachbeschädigung, Beleidigung oder gar Gewalt ausdrückt, tritt die Demokratie mit Fußen“, so Minister Stübgen. Auch Amts- und Mandatsträger oder Parteirepräsentanten geraten zunehmend in das Visier von Angreifern. 303 Straftaten gegen Politiker wurden im Vorjahr registriert. Am häufigsten waren – teils im Internet begangene – Beleidigungen, Nötigungen und Bedrohungen. Aber auch Sachbeschädigungen wurden registriert. Zehn Gewalttaten gegen Amtsträger ging die Polizei nach.

"Risse in der Gesellschaft werden tiefer"

„Es zeigt, dass die Risse in der Gesellschaft tiefer werden“, so die innenpolitische Sprecherin der oppositionellen Linkspartei, Marlen Block. „Das sieht man bei den Corona-Protesten, besonders aber an den zunehmenden Angriffen auf kommunale Amtsträger. Dabei werden Grenzen gezielt überschritten, um den Staat zu delegitimieren.“ Opferberatungs- und Demokratievermittlungsstellen müssten gestärkt werden. 

Innenminister Michael Stübgen (CDU), (Archivbild).
Innenminister Michael Stübgen (CDU), (Archivbild).

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Allein im Zusammenhang mit der Pandemie wurden 818 Straftaten festgestellt, darunter 36 Gewaltdelikte. Der Großteil der Straftaten, 738, konnte keiner politischen Tätergruppe zugeordnet werden. Doch deutlich mehr Täter hatten auch bei den Corona-Delikten einen rechten als linken Hintergrund. 70 Straftaten, darunter sechs Gewaltdelikte, waren laut Statistik rechts motiviert. Neun Delikte im Zusammenhang mit der Pandemie werden linken Tätern zugeordnet, eine Gewalttat war nicht dabei.

361 Fälle gefälschter Test- und Impfnachweise

Einige Brandenburger versuchten offenbar, Impf- und Testnachweise zu fälschen: 361 solcher Fälle wurden aufgedeckt. Hinzu kommen 242 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Allein 50 Straftaten bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen richteten sich gegen Polizeibeamte, in der Hälfte der Fälle wurde Gewalt angewendet. 33-mal wurden Amtsträger bei solchen Versammlungen Opfer einer Straftat. Die meisten Delikte in Zusammenhang mit Corona (114) wurden im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Brandenburg/Havel begangen, gefolgt von Potsdam mit 92.

40-Jähriger töte erst seine Familie, dann sich selbst

Zur Kriminalität von rechts gehört auch der gewaltsame Tod einer fünfköpfigen Familie aus Senzig (Dahme-Spreewald). Der 40-jährige Vater soll erst die Kinder im Alter von vier, acht und zehn Jahren sowie seine 40-jährige Frau und dann sich selbst mit einer Schusswaffe getötet haben. In einem Abschiedsbrief soll er seine Sorge vor einer Verhaftung mitgeteilt haben, weil er das Impfzertifikat seiner Frau habe fälschen lassen. Antisemitismus war laut Polizei einer der Gründe für die Tat. Der Mann soll davon überzeugt gewesen sein, dass es im Zusammenhang mit der staatlichen Impfkampagne eine jüdische Weltverschwörung gebe.

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Insgesamt betrachtet bleibt der Rechtsextremismus in Brandenburg das vorherrschende Problem. Die mit Abstand größte Zahl an politisch motivierten Straftaten, nämlich 1813, wurden von rechts begangen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das keine allzu große Veränderung, sondern entspricht einem Anstieg von vier Prozent. Massiv hingegen die Zunahme bei Straftaten im linken Spektrum: Ein Anstieg um 218 auf 386 wurde verzeichnet – das entspricht einem Plus von 130 Prozent. Das hängt vor allem mit der Bundestagswahl zusammen. Von 619 Straftaten während des Wahlkampfes gehen 190 auf das Konto Linker. Meist handelte es sich um Sachbeschädigungen. Eine linke „Hochburg“ bleibt Potsdam. Die meisten politisch links motivierten Delikte, 65, wurden im Zuständigkeitsbereich der Landeshauptstadt-Direktion erfasst, gefolgt von Cottbus/Spree-Neiße mit 45.

Der Süden Brandenburgs bleibt die „Problemzone“ rechter Delikte. In Cottbus/Spree-Neiße wurden 212 Straftaten von rechts registriert, im Direktionsbereich Frankfurt (Oder)/ Oder-Spree 167. Danach folgt Oberhavel mit 161. Aber auch im Bereich Potsdam ist die Zahl rechter Delikte mit 151 dreistellig. 
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Fast genauso hoch ist die Zahl antisemitischer Straftaten, die 2021 landesweit registriert wurden. 150 judenfeindliche Delikte wurden begangen, nach 147 ein Jahr zuvor. Dabei ist das Internet ein wichtiges Tatwerkzeug: 50 dieser Straftaten wurden online begangen, darunter waren 28 Hasspostings. 

Marion Kaufmann

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