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Umstritten. Gegen die geplante Kreisreform hatte eine Volksinitiative bereits mobil gemacht, die vom Landtag abgelehnt wurde. Am 29. August beginnt nun ein Volksbegehren.

© Ralf Hirschberger/dpa

Kreisgebietsreform: Protest und Verzögerung bei der Kreisgebietsreform

Bei der Kreisreform reißt Rot-Rot den nächsten Termin – diesmal betrifft es Städte und Gemeinden.

Potsdam - Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) muss bei der Kreisgebietsreform erneut zurückrudern, weil das Innenministerium – nicht zum ersten Mal – nötige Vorbereitungen für das wichtigste rot-rote Regierungsprojekt nicht im vorgesehenen Zeitplan schafft. In einem am Mittwoch von den Freien Wählern publik gemachten Schreiben von Woidkes Staatskanzleichef Thomas Kralinski an Landtagspräsidentin Britta Stark (beide SPD) vom 14. August wird mitgeteilt, dass die sogenannte Funktionalreform II – die Übertragung von Aufgaben der Landkreise auf die Städte und Gemeinden – verschoben wird.

„Nicht zuletzt aufgrund der zum Teil sehr gegensätzlichen Interessenlagen und der Vielzahl offener Fach- und Rechtsfragen geht das Ministerium des Innern und für Kommunales davon aus, dass sich die Arbeiten wohl weit in das Jahr 2018 erstrecken werden“, so Kralinski. „Ich bitte um Verständnis für diese Verzögerung.“ Der Städte- und Gemeindebund reagierte fassungslos. „Damit kann man die Verwaltungsstrukturreform gleich abblasen“, sagte Hauptgeschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher am Mittwoch den PNN. „Dazu fällt einem nichts mehr ein.“ Dabei habe man erst am 9. August mit Innenstaatssekretärin Katrin Lange (SPD) zusammengesessen. „Davon wurde kein Wort gesagt.“

Ist Potsdam bald Brandenburgs einzige kreisfreie Stadt?

Die Landesregierung hinkt bei der Verwaltungsstrukturreform schon jetzt hinter den ursprünglichen Zeitplänen hinterher. Bis Ende 2017 sollen vom Landtag zwei Gesetze beschlossen werden. Das eine regelt die Kreisneugliederungen, um aus 14 Kreisen und vier kreisfreien Städten künftig zehn zu machen. Wenn es dabei bleibt, wäre die Landeshauptstadt Potsdam künftig einzige kreisfreie Stadt im Land. Das andere regelt die Funktionalreform I, also die Übertragung von Landesaufgaben auf die Kreise, bei der unter anderem die Zuständigkeit für die Forst und für EU-Programme zur ländlichen Entwicklungen auf die Kreise übergehen sollen. Bislang fehlte noch der dritte Teil der Reform – der Entwurf des Innenministeriums für die Übertragung von Kreisaufgaben auf die Gemeindeebene.

Nach einem Beschluss des Landtages sollte die Regierung bis zum ersten Halbjahr 2017 entsprechende Vorschläge vorlegen. Dass stattdessen jetzt eine Verschiebung bis weit ins nächste Jahr mitgeteilt wird, sei ein Unding, sagte Böttcher. Die Liste mit 35 Aufgaben, um die es gehe, sei seit der Enquete-Kommission der letzten Legislaturperiode bekannt. „Von einer Verwaltungsstrukturreform bleibt nichts mehr – bis auf die Hauptschlacht um die Einkreisung der ungeliebten kreisfreien Städte“, so Böttcher. Schon die Funktionalreform 1 sei „mickrig“. Ohne Übertragung von Kreisaufgaben auf die Kommunalebene mache es aber keinen Sinn.

Woidke-Regierung „vor dem Scherbenhaufen ihres Prestigeprojekts“

Im Schreiben verweist Kralinski zur Begründung auch auf Differenzen zwischen Landkreistag und Städtebund, die allerdings zwangsläufig sind. Indirekt gesteht der Staatskanzleichef ein, dass das Innenministerium mit der Klärung derzeit überlastet wäre. „Angesichts der Komplexität beider Reformprojekte wären bei einer andauernden parallelen Abarbeitung erhebliche fachliche Defizite und zeitliche Überforderungen bei beiden Projekten nicht auszuschießen gewesen“, heißt es. „Insoweit musste die Bearbeitung der Funktionalreform II im ersten Halbjahr 2017 vorübergehend zurückgestellt werden.“ Für die Opposition ist das Wasser auf die Mühlen. Der Abgeordnete und Freie-Wähler-Landeschef Péter Vida sieht durch diese Entwicklung „Zweifel an sachgemäßer Regierungsarbeit“ bestätigt. Die Woidke-Regierung stehe „vor dem Scherbenhaufen ihres Prestigeprojekts“, sagte Vida. „Denn ohne die Funktionalreform kann schlechterdings auch keine Gebietsreform beschlossen werden.“

Er verwies darauf, dass in Kürze das Volksbegehren startet, um die Kreisreform zu stoppen. Und CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben erklärte: „Ich fordere Ministerpräsident Woidke auf, die Kreisreform auf null zurückzufahren und sich mit der Volksinitiative und der Opposition an einen Tisch zu setzen.“ Die Funktionalreform sei für Rot-Rot immer Begründung für ihre Kreisreform gewesen. „Diese Landesregierung bekommt es aber einfach nicht hin, selbstgesteckte Ziele zu erreichen“, sagte Senftleben. „Deshalb muss die Kreisreform jetzt endlich abgeblasen werden, bevor SPD und Linke dem Land weiter Schaden zufügen.“ Innenstaatssekretärin Lange verteidigte das Vorgehen, wies die Kritik zurück. Für ein Inkrafttreten der Funktionalrefom II gebe „bislang gar keinen beschlossenen Zeitpunkt“. Alles müsse sauber genau geprüft werden. „Dies dauert nun eben etwas länger, wofür es gute Gründe gibt“, erklärte Lange. „Wir werden hier nichts übers Knie brechen und es gibt auch kein Machtwort vom grünen Tisch.“

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