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Welcher Baum gehört wohin? Brandenburgs rot-rote Regierungskoalition hat die Kreisgebietsreform zu ihrem wichtigsten Projekt bis zur nächsten Landtagswahl 2019 ausgerufen.

© Patrick Pleul/dpa

Kreisgebietsreform in Brandenburg: 615 Millionen Euro Fusionshilfe

Brandenburgs Landesregierung stellt ein Paket vor, mit dem Kreise und Gemeinden bei künftigen Zusammenlegungen finanziell entlastet werden sollen. Die Opposition spricht von einem vergifteten Geschenk.

Potsdam - Brandenburgs rot-rote Landesregierung will den Widerstand gegen die umstrittene Kreisgebietsreform mit massiven Entlastungen und Finanzgeschenken an Landkreise und Kommunen brechen. Insgesamt 615 Millionen Euro sollen fließen, damit Landkreise und Gemeinden fusionieren. Allein die finanziell angeschlagenen Städte Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel, die ihre Kreisfreiheit verlieren und in umliegende Landkreise eingegliedert werden sollen, wo sich seit Monaten aber der Widerstand am stärksten formiert, sollen von der Hälfte ihrer Kassenkredite entlastet werden. Dafür sind 264 Millionen Euro vorgesehen, sagte Finanzminister Christian Görke (Linke) am Donnerstag in Potsdam.

Cottbus werde mit der Einkreisung durch entfallende Aufgaben, die ein neuer Landkreis übernimmt, etwa Spree-Neiße, um knapp acht Millionen Euro entlastet. Brandenburg/Havel um 14,5 und Frankfurt (Oder) um 19 Millionen Euro. Die drei kreisfreien Städte sollen zudem 56 Millionen Euro zusätzlich für ihre Kultureinrichtungen bekommen.

Kernidee der Kreisreform: Verwaltung soll zukunftsfest gemacht werden

Die rot-rote Regierungskoalition hat die Reform zu ihrem wichtigsten Projekt bis zur nächsten Landtagswahl 2019 ausgerufen. Wegen der insgesamt schrumpfenden Bevölkerung sollen die Verwaltungen gestrafft werden. Von den aktuell 14 Landkreisen und vier kreisfreien Städten sollen ab 2019 nur noch zehn Verwaltungseinheiten übrig bleiben. Sie sollen künftig zentrale Landesaufgaben etwa beim Umwelt- oder beim Denkmalschutz übernehmen. Lediglich die Landeshauptstadt Potsdam bleibt kreisfrei. Kernidee der Reform: Die Verwaltung zukunftsfest machen und bezahlbar halten für die nächsten Jahrzehnte. Görke erinnerte daran, wie vor mehr als 20 Jahren letztmals die Kreisstrukturen angepasst worden waren – das war 1993. „Ich könnte mir gar nicht vorstellen, wie wir heute eine Verwaltung mit bis dato 44 Landkreisen bezahlen sollten“, sagte er. Kein Landkreis werde schlechter dastehen nach der Reform.

Görke will den Beteiligten das Vorhaben damit schmackhaft machen: Die neuen Landkreise, aber auch Städte und Gemeinden, die freiwillig fusionieren, sollen 56 Millionen Euro für den Schuldenabbau bekommen. Bei insgesamt 41 Kommunen sollen die Kassenkredite – bei denen es sich de facto um Dispo-Kredite handelt – halbiert werden. Die Kosten übernimmt das Land. Wichtigstes Kriterium soll dabei die Bedürftigkeit sein: Mindestens zwei Mal in drei Jahren (2012–2014) muss den Kommunen ein Haushaltssicherungskonzept vorgeschrieben worden sein. Zum Stichtag Ende 2014 muss der Kassenkredit überdurchschnittlich hoch gewesen sein. Nach bisherigen Planungen soll die Teilentschuldung über zehn Jahre laufen. Wobei Görke es nicht ausschließt, dass Rot-Rot der Forderung der Grünen nachkommt, den Zeitraum zu straffen. Allein die bedürftigen Kreise, die fusionieren, sollen mit 36 Millionen Euro ihre Kassenkredite mindern können. Davon profitieren könnten etwa die Uckermark oder die Prignitz mit jeweils sechs Millionen und Oberspreewald-Lausitz mit zehn Millionen Euro.

Gesamtaufwand für Fusionen: 20 Millionen Euro

Neu gebildete Landkreise sollen nach Görkes Plänen zudem eine sogenannte Einmalkostenpauschale erhalten – für jeden Altkreis 1,5 Millionen Euro. Bei einer Fusion der Prignitz mit Ostprignitz-Ruppin bekäme der neue Kreis drei Millionen Euro. Der Gesamtaufwand für alle Fusionen beträgt knapp 20 Millionen Euro.

Rot-Rot treibt im Zuge der Kreisreform aber auch Gemeindefusionen voran und lockt hoch verschuldete Kommunen. Bis 2019 sollen für freiwillige Fusionen 20 Millionen Euro für Teilentschuldungen fließen. „Ich glaube, mit diesem Anreiz-System werden sich einige Gemeinden auf diesen Weg machen“, sagte Görke. Zudem gibt es eine neue Anpassungsprämie für Gemeinden, die bisherige Fusionsprämie wird dem Begriff nach abgeschafft. Das Ziel der Landesregierung bleibt dasselbe, konkret ist es nun eine Mindesteinwohnerzahl in der Peripherie von 8000, im Speckgürtel von 12 000 Einwohnern. Für diese Prämie sollen acht Millionen Euro für die Jahre 2017 bis 2020 vom Land kommen.

Die CDU-Opposition im Landtag, die eine Volksinitiative gegen die Reform startet, sprach von einem vergifteten Geschenk. Denn ein Drittel des Gesamtpaketes zur Finanzierung der Reform – immerhin 615 Millionen Euro – stammt aus Kommunalgeldern. Die CDU sieht Görkes Finanzierungsmodell als Reaktion auf die Beschwerden aus den Kommunen, die der Landesregierung vorgeworfen hatten, keine seriöse Berechnungsgrundlage für ihre Reformpläne zu haben. CDU-Finanzexperte Steeven Bretz sieht diesen Vorwurf auch mit dem heutigen Tage nicht aus der Welt geräumt. „Der Finanzminister jongliert gönnerhaft mit Geld, das den Kommunen sowieso zusteht.“ Görke könne nicht belegen, wie mit der Reform Geld gespart werden solle.

Petke (CDU): Es drohen Zwangsfusionen bei Gemeinden

Zudem warnte der CDU-Kommunalexperte Sven Petke, dass nun ab 2019 Zwangsfusionen bei Gemeinden drohen. Görkes Konzept sei eine entlarvende Forcierung der Gemeindefusionen. „Städte und Gemeinden werden mit Einmalzahlungen gelockt, die Botschaft lautet aber eigentlich, dass ab 2019 auch auf Gemeindeebene Zwangsfusionen drohen. SPD und Linke beschreiten den Weg zum Zentralismus also konsequent weiter“, sagte Petke. Die Kommunen seien über Jahre nicht angemessen finanziert worden und ohne eigene Verantwortung verschuldet. „Anstatt die Angel in den Reformteich zu hängen und abzuwarten, ob jemand den Entschuldungsköder schluckt, sollte die Landesregierung daran arbeiten, alle Brandenburger Kommunen auskömmlich zu finanzieren. Dafür braucht es keine Kreisreform“, sagte Petke.

Die Stadt Cottbus warf der Landesregierung „grobe handwerkliche Fehler“ bei den Berechnungen vor. Die Kommune geht sogar davon aus, dass es durch die Reform zu „einem deutlichen jährlichen Minus im Millionenbereich“ kommen werde. Die Stadt bemängelt zudem, dass das Land seine Berechnungsgrundlagen nicht detailliert genug offenlege. Dadurch sei es nicht nachvollziehbar, wie die Zahlen zustande kämen, sagte ein Stadtsprecher.

Wie ernst die Lage offenbar ist, zeigt noch ein weiterer Schritt Görkes: Selbst Städte und Gemeinden, die sich bereits „leitbildgerecht“ – also dem Leitbild der Landesregierung für die künftige Verwaltungsstruktur, etwa durch Eingemeindungen, entsprechend aufgestellt haben – sollen Geld bekommen. 52 Millionen Euro sind eingeplant, darunter für Eisenhüttenstadt 31 Millionen Euro, aber auch Forst und Rathenow.

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