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Korruptionsvorwürfe am BER: "Mehdorn ist als Geschäftsführer nicht mehr tragbar"

Nach den Korruptionsvorwürfen gegen BER-Technikchef Großmann verspricht Hartmut Mehdorn "null Toleranz" gegen Bestechlichkeit - und versichert, der Bau gehe ungehindert weiter. Tatsächlich dürfte der Vorfall vieles ins Wanken bringen - nun wird auch Mehdorn angegriffen.

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Nach den Korruptionsvorwürfen gegen leitende Mitarbeiter des BER steht nun auch die Fertigstellung des Flughafens erneut infrage. Nach Tagesspiegel-Informationen gibt es aus Brandenburg einen Vorstoß an Aufsichtsratschef Klaus Wowereit, für kommende Woche kurzfristig eine Sondersitzung des Aufsichtsrates einzuberufen. Geklärt werden soll, welche Auswirkungen der Korruptionsfall auf die Planungssicherheit beim Flughafen, die weiteren Bauvorhaben - und vor allem den anvisierten Zeitplan hat.

"Wir brauchen schnellstens Klarheit über den Vorfall selbst, mögliche Weiterungen und insbesondere über die möglichen Auswirkungen auf den weiteren Planungs- und Bauablauf“, erklärte der Brandenburger Flughafenkoordinator, Staatssekretär Rainer Bretschneider am Mittwoch. Der Betroffene habe eine Schlüsselstellung für die Fertigstellung des Projektes innegehabt. Umso wichtiger sei es, dass sich auch der Aufsichtsrat ein Bild mache. Der Aufsichtsrat müsse durch die Geschäftsführung umfassend über den Sachverhalt informiert werden und die Konsequenzen beraten können.

Längst werden auch kritische Stimmen gegen Flughafenchef Hartmut Mehdorn laut. "Mehdorn als Geschäftsführer ist nicht mehr tragbar", kritisiert Sven-Christian Kindler, Mitglied der Grünen im Haushaltsausschuss des Bundestags. "Er ist Teil der riesigen Probleme beim BER und für das gewaltige Chaos verantwortlich.

" So haben Mehdorn und der BER-Aufsichtsrat in ihrer Personalpolitik versagt.

Konkret ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin gegen zwei Personen wegen Korruptionsverdacht: einen leitenden Mitarbeiter der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg und einen Mitarbeiter eines externen Planungsbüros. Bei einem der Verdächtigten der Flughafengesellschaft soll es sich um den Technikchef Jochen Großmann handeln - nach Tagesspiegel-Informationen soll er empfänglich für eine Bestechung des externen Mitarbeiters gewesen sein. Großmann ist unter anderem mit der Rettung der chaotischen Entrauchungsanlage betraut - Mehdorn hatte ihn als seinen "Feuerwehrmann" vorgestellt. "Jetzt stellt sich heraus, dass er den Brand weiter entfacht hat", sagt der Grüne Sven-Christian Kindler.

Der Bund denkt über eine externe Kontrolle des Aufsichtsrates nach

Großmann war erst auf der Aufsichtsratssitzung im April 2014 zum festangestellten Chef des Sprint-Programms berufen worden, um die Entrauchungsanlage in Gang zu bringen. Er galt bislang als Schlüsselfigur. Mehdorn hatte ihm vertraut, ihn mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Hintergründe des Bestechungsfalls sind unklar. Zum Zeitpunkt der Tat war Großmann mit seiner Firma GICON noch Berater des Flughafens. Bei einer Bestechungssumme von allein einer halben Million Euro hätte der Auftrag europaweit ausgeschrieben werden müssen, für die Vergabe war die Geschäftsführung und damit Hartmut Mehdorn verantwortlich. 

Erst vor zwei Wochen hatte Flughafenchef Hartmut Mehdorn vom Haushaltsausschuss des Bundestages neues Geld für den BER bewilligt bekommen - und damit einen baldigen Liquiditätsengpass der Flughafengesellschaft abgewendet. Nach einer gut zweistündigen Sitzung gab der Ausschuss 26,5 Millionen Euro mit Stimmen der Koalition und der Linken frei. "Klar ist, dass beim BER nach wie vor ein Kosten- und Zeitplan geliefert werden muss. Wir erwarten eine detaillierte, aufgearbeitete Aufschlüsselung der Kosten", sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Der CSU-Politiker forderte auch einen "endgültigen Inbetriebnahmezeitpunkt" für den BER.

Nun, nur zwei Wochen nach der Finanzspritze, wird im Bund neuer Unmut deutlich. Die Grüne und die Linken fordern ein externes Controlling für den Aufsichtsrat. Ausschussmitglied Kindler hält die Personalpolitik von Hartmut Mehdorn für "katastrophal" und ein Controlling müsse daher "sofort etabliert werden". Die Forderung wurde bisher von der großen Koalition im Bundestag nicht aufgenommen.

Mehdorn verspricht harte Linie gegen "kriminelle Energie Einzelner"

Mehdorn selbst versprach eine "Null-Toleranz-Linie" bei Korruptionsfällen. "Unser Vergaberegelwerk ist in Ordnung", verteidigte er seine Personalpraxis in einer Presseerklärung, "gegen kriminelle Energie Einzelner sind wir jedoch nicht gefeit." Der Staatsanwaltschaft gewähre die Flughafengesellschaft volle Kooperation in der Aufklärung des Falles. Details über die laufenden Ermittlungen wollte Mehdorn nicht nennen, bekannte jedoch, dass die Staatsanwaltschaft den Fall als das "klassische Modell von Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr" ansehe.

Der Aufsichtsrat werde in Reaktion auf die Ermittlungen eigene interne Untersuchungen anstrengen und die "personalrechtlichen" Konsequenzen für die beiden unter Verdacht stehenden Mitarbeiter treffen. Den Entrauchungsthemen wird sich fortan kommissarisch der Oberbauleiter Frank Röbbelen widmen. Gleichzeitig verteidigte Mehdorn jedoch die Bauarbeiten am Flughafen: Die "Arbeit und Verantwortung bei der Mammutaufgabe BER" würde nicht von einem einzelnen Mitarbeiter abhängen.

"Der BER ist eine weltweite Lachnummer"

Genau das bezweifelt der Pirat Martin Delius, Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses. Die Personalie Großmann zwinge, dass nun alle Entscheidungen von BER-Geschäftsführung und Aufsichtsrat in Zusammenhang mit dem Technikchef auf den Prüfstand müssen. "Es dürfen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Vergaben, Planungsänderungen und Personalentscheidungen bestehen bleiben." Aufgrund der "desolaten Personalpolitik" von Herr Mehdorn sei Großmann der einzige technisch versierte Entscheider am BER gewesen, kritisiert Delius. "Sein Wegfall reißt eine riesige Wunde in die ohnehin schon extrem dünne Personaldecke im technischen Bereich." Delius fordert eine Erweiterung des Auftrags des BER-Untersuchungsausschusses.

Auch der Berliner EU-Abgeordnete Joachim Zeller (CDU) schüttelt den Kopf über die jüngsten Entwicklungen: "Der BER ist ein Desaster und eine weltweite Lachnummer." Die Umsetzung von Großprojekten wie BER oder Tempelhofer Feld "wird international beobachtet. Es geht nicht nur um Berlin, sondern um das deutsche Ansehen", sagte Zeller dem Tagesspiegel. "Beim BER scheint nicht nur ein Wurm drin zu sein. Die Politik muss sich jetzt überlegen, wie das weitergehen soll".

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