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Ministerpräsident Woidke bei den Sondierungsgesprächen. 

©  Monika Skolimowska/dpa

Koalitionsgespräche in Brandenburg: Kitas, Kohleausstieg, Kabinettsposten: Der Stand bei den Kenia-Verhandlungen

SPD, CDU und Grüne handeln einen Koalitionsvertrag für eine „Kenia“-Regierung aus. Dietmar Woidke will bald fertig sein. Wo man sich einig ist und wo es noch knirscht – ein Überblick.

Potsdam - In Brandenburg treiben SPD, CDU und Grüne das künftige Kenia-Bündnis voran. Die Koalitionsverhandlungen sind in dieser Woche in die entscheidende Phase getreten, am Mittwoch kam die große Verhandlungskommission wieder zusammen. Und SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke, der die Brandenburg-Wahl am 1. September knapp vor der AfD gewonnen hatte, macht Tempo: Er will die Verhandlungen zum Koalitionsvertrag, über den bei Grünen und CDU noch eine Mitgliederbefragung entscheiden soll, möglichst bis Ende nächster Woche beenden. Ein Datum ist unverrückbar: Brandenburgs neue Regierung muss bis Weihnachten stehen, sonst sind nach der Landesverfassung Neuwahlen zwingend. Wo sind sich SPD, CDU und Grüne einig? Worüber wird gestritten? Ein Überblick.

FINALE FINANZEN

„Status und Ausblick für den Landeshaushalt Brandenburg zu Beginn der 7. Legislaturperiode“. So lautet der Titel. Die interne, 20-seitige Präsentation aus dem Finanzministerium, in dem Linke-Minister Christian Görke nach dem Ende der rot-roten Koalition bald seinen Schreibtisch räumen muss, ist ernüchternd für die „Kenianer“: Danach droht 2020 im 13-Milliarden-Haushalt eine Finanzierungslücke von 724 Millionen Euro, und 2021 von 792 Millionen Euro. Denn zum einen kann Brandenburg mit einem etwas weniger starken Steuer-Anstieg als erwartet rechnen.

Zum anderen führen vor allem die beschlossenen Programme der rot-roten Regierung, die mehr Personal für Schulen, Polizei, Verfassungsschutz und Justiz beschlossen, oder etwa die Straßenausbaubeiträge abgeschafft hatte, zu permanent höheren Ausgaben. In den letzten Jahren hatte das Land zwei Milliarden Euro angespart, worauf laut Präsentation zurückgegriffen werden muss. Die „Allgemeine Rücklage ist 2021 weitgehend aufgezehrt“, heißt es aber darin. Es gebe „keine Reserven für politische Vorgaben.“ Allerdings spricht vieles dafür, dass dies ein übertriebenes Szenario ist, eher ein Linke-Oppositionsakt. Denn in allen Haushalten der letzten Jahre hatte es anfangs auch Finanzierungslücken gegeben, waren ebenfalls Griffe in die Rücklage geplant, was aber nie geschah: Jedes Jahr kamen stattdessen satte Überschüsse samt neuer Sparbeiträge heraus, was für die nächsten Jahre von vornherein gar nicht erst kalkuliert wird. Trotzdem ist klar, dass „Kenia“ weniger Gestaltungsspielräume haben wird.

FRÜHERE BEITRAGSFREIE KITA

In den letzten Jahren waren Brandenburgs Klassen an den Schulen schon kleiner geworden. Bei den Kitas sind die Gruppen aber immer noch groß. Der Betreuungsschlüssel ist auch im Bundesvergleich eher schlecht. Im Gegensatz zu Berlin, wo Eltern weder für die Betreuung in den Kitas noch später für den Hort Beiträge zahlen müssen, ist in Brandenburg bisher lediglich das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung beitragsfrei. Am Mittwoch einigten sich die Koalitionäre, dass ab 2022 das vorletzte Kita-Jahr beitragsfrei werden soll und vielleicht ab 2024 das vorvorletzte. 

Zugleich wird der Betreuungsschlüssel in den Kitas auf einen Erzieher für zehn Kinder (bisher elf) erhöht, im Krippenalter bis drei Jahre für vier Kinder (bisher fünf). Das alles koste einen „großen Batzen“, sagte Woidke. Für die Schulen sollen 400 zusätzliche Stellen bewilligt werden, für „multiprofessionelle Teams“, aus IT-Kräften, Sozialarbeiter, Verwaltungsleute, sagte Grünen-Chefunterhändlerin Ursula Nonnemacher: „Das wird zur Qualitätsverbesserung und zu weniger Unterrichtsausfall beitragen.“

RICHTIG FÜR REGIONEN

Es wird eine der größten Herausforderungen für die „Kenianer“, die gewachsene Kluft zwischen dem Berliner Speckgürtel und den ländlichen Regionen zu verringern. Es muss in Infrastruktur investiert werden, fernab von Berlin müssen Bahnstrecken reaktiviert werden und im Umland sollen öfter Züge rollen. Wie das aber gelingen soll, ist bislang noch unklar. Konkret geeinigt haben sich SPD, CDU und Grüne aber bereits darauf, dass es fünf Regionalkoordinatoren nach dem Vorbild des bereits existierenden Lausitzbeauftragten geben soll, um Probleme der Landregionen nach Potsdam zu tragen – und Landespolitik in den Regionen zu vermitteln. Die SPD hatte diese Beauftragten im Wahlkampf als „Kümmerer“ versprochen

Erst einmal zurückgestellt wurde die Idee, das Wissenschafts- und Kulturministerium (Vorschlag Woidke) oder ein Lausitz-Ministerium (CDU-Wahlprogramm) direkt in Cottbus anzusiedeln. Die Grünen halten von beiden Vorschlägen wenig. Einig ist man sich dafür, dass der umstrittene gemeinsame Landesentwicklungsplan von Brandenburg und Berlin in einem Jahr auf den Prüfstand soll. Die Kündigung, die die CDU verlangte, ist vom Tisch. Der Plan konzentriert die Wohn- und Gewerbeentwicklung auf den historischen Siedlungsstern in den Orten entlang der großen Bahntrassen aus der Metropole in die Mark, was zu Baueinschränkungen in den Dörfern führt, die in den „grünen“ Zwischenräumen liegen. Fehlentwicklungen werde man schon in der praktischen Anwendung anpacken, sagte CDU-Chefverhandler Michael Stübgen jüngst dazu.

VIEL WIND UM WINDKRAFT

Energiepolitik dürfte das heißeste Thema werden, wie sich bereits in der Facharbeitsgruppe zeigte. Zwar hatten sich SPD, CDU und Grüne im Sondierungspapier auf Kompromisse geeinigt, etwa dass es keine neuen Tagebaue geben und für Braunkohlestrom auch kein Dorf mehr abgebaggert werden soll. Doch ein Kohleausstieg spätestens 2038 ist nur möglich, wenn bis dahin die umstrittene Stromerzeugung aus Windenergie weiter ausgebaut wird. Aus den bisher rund 7000 Megawatt installierter Leistung sollen etwa 10.500 Megawatt werden, was vor allem durch „Repowering“ – Modernisierung bestehender Räder – bisheriger Anlagen erreicht werden soll. Doch auch das ist im Land hochumstritten, da die Windräder dabei höher – teils über 200 Meter hoch – werden. Im Sondierungspapier hatte man sich auf eine „Überprüfung“ der bisherigen Mindestabstände von Wohngebäuden zu Windrädern verständigt. Grüne fürchten ein Aus der Windkraft.

KÜNFTIGES KABINETT

Erst am Ende der Koalitionsverhandlungen wird es um die Ministerien und das Personal gehen. Auch das kann zu Streit führen. Als sicher gilt, dass die Grünen – wahrscheinlich mit Fraktionschef Axel Vogel – das Agrar- und Umweltministerium bekommen, bislang eine SPD-Domäne. Und CDU-Chefverhandler Michael Stübgen dürfte Brandenburgs neuer Innenminister werden. Es gibt Signale, dass Fraktionschef Mike Bischoff Finanzminister und die bisherige Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) neue Arbeits- und Sozialministerin werden könne. Die bisher in dem großen Ressort angesiedelten Bereiche Gesundheit und Pflege könnten angesichts der Probleme im Land sinnvollerweise ein eigenständiges Ministerium werden, mit der Grünen Ursula Nonnemacher an der Spitze. Als neue Bildungsministerin käme die SPD-Politikerin Klara Geywitz in Frage, die den Einzug in den Landtag knapp verfehlt hatte und aktuell für den Bundesvorsitz kandidiert. Woidke hat das zusätzliche Problem, dass sich seine Partei und „Kenia“ eine stärkere Repräsentanz von Ostdeutschen in Führungspositionen und damit auch im Kabinett auf die Fahnen geschrieben hat.

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