zum Hauptinhalt
Für eine gute Betreuung von Kindern länger als sechs Stunden brauchen Kitas mehr Erzieher.

© Arno Burgi/dpa

Kitas in Brandenburg: Fast neun Stunden ohne Mama und Papa

Eine Analyse des Bildungsministeriums bestätigt, was Träger schon lange betonen: Die Betreuungszeiten in den Kitas steigen.

Potsdam - Die tägliche Zeit ohne Eltern ist lang für Kinder in Brandenburg. Was Kita-Betreiber schon lange vorrechnen, bestätigen nun auch Zahlen, die das Bildungsministerium erhoben hat: Kinder aller Altersstufen verbringen immer mehr Stunden in der Obhut von Erziehern. Rund 70 Prozent aller Krippen- und Kindergartenkinder im Land wurden 2017 länger als sechs Stunden betreut. 2001 lag der Anteil der Langbetreuten noch bei 60 Prozent. Durchschnittlich bleiben die Kinder acht Stunden und 45 Minuten ihrem Zuhause fern. Von den jüngeren Kindern zwischen ein und drei Jahren mussten 70,5 Prozent mehr als sechs Stunden ohne die Eltern auskommen. Bei den älteren bis sieben Jahre waren es fast genauso viele, nämlich 68,9 Prozent.

Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).
Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).

© Ralf Hirschberger/dpa

„Es bestätigt sich: Die durchschnittlichen Betreuungszeiten sind gestiegen“, sagte Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) am Montag. Die Daten seien eine gute Grundlage für die weitere Diskussion über die personelle beziehungsweise finanzielle Verstärkung der Kindertagesstätten im Land.

Die Kitaträger hatten die Diskussion angestoßen

Angestoßen hatten die Diskussion die Kitaträger – und zwar mit Nachdruck. Der Träger Fröbel, der in Brandenburg 36 Kitas und fünf Horte betreibt, hatte sich im April selbst angezeigt, weil die Kinder nicht mehr angemessen betreut werden könnten. Durch die Vielzahl an Verträgen mit einer Betreuungszeit von mehr als 7,5 Stunden und die unzureichende Finanzierung durch das Land sei es nicht mehr möglich, den vorgeschriebenen Personalschlüssel einzuhalten, monierte Fröbel. Die Kita-Finanzierung ist ein kompliziertes Modell mit mehreren Beteiligten: Eltern, Träger, Land und Kommunen. Rechnerisch komme das Land, das die Personalkosten gegenfinanziert, nur für eine Betreuungszeit von 7,5 Stunden pro Tag und Kind auf, rechnete Fröbel vor. Andere Träger schlossen sich der Forderung nach mehr Landeszuschüssen und einer sogenannten dritten Betreuungsstufe – also einer Berücksichtung von Kitazeiten über 7,5 Stunden hinaus – an und demonstrierten Ende Mai vor dem Landtag in Potsdam.

Fröbel-Chef Stefan Spieker.
Fröbel-Chef Stefan Spieker.

© promo/Fröbel

Fröbel-Geschäftsführer Stefan Spieker fühlt sich durch die vom Ministerium vorgelegten Zahlen bestätigt. „Sehr ähnliche Zahlen aus unseren Kindertageseinrichtungen hatten wir schon Anfang des Jahres veröffentlicht“, betont Spieker. „Wir hoffen sehr, dass die Landesregierung zu ihren Zusagen steht, die sie auf unserer Protestaktion am 30. Mai gemacht hat“, sagte er den PNN.

Eine genaue Lösung hat die Ministerin noch nicht vorgelegt

Ministerin Ernst hatte seinerzeit signalisiert, dass sie noch in dieser Legislatur eine Lösung für die geforderte bessere Finanzierung längerer Betreuungszeiten suchen, zunächst aber eine eigene Analyse zum Bedarf abwarten wolle. Die liegt nun vor, aber wie genau eine Lösung aussehen könnte, sagte Ernst zunächst nicht. Zu erwarten ist – so war es auch schon aus der SPD-Fraktion zu hören –, dass nach einer passgenauen Finanzierung gesucht wird, die regionale Unterschiede berücksichtigt und nicht generell eine dritte Betreuungsstufe eingezogen wird. Denn Ernst weist in ihrer Mitteilung vom Montag darauf hin, dass der Bedarf für längere Öffnungszeiten regional sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Werden beispielsweise in der Uckermark etwas mehr als die Hälfte aller Krippen- und Kitakinder länger als sechs Stunden betreut, sind es in Potsdam-Mittelmark fast 80 Prozent. Bei der Hortbetreuung der Schulkinder ist der Unterschied noch gravierender: In der Uckermark werden nur rund 15 Prozent aller Schulkinder länger als vier Stunden im Hort betreut, in Potsdam-Mittelmark sind es fast 70 Prozent.

Die insgesamt gestiegenen Betreuungszeiten sind den veränderten Arbeitszeiten der Eltern geschuldet. Bis zur Einschulung haben Familien nur Anspruch auf sechs Stunden Kita-Aufenthalt, im Hort sind es vier Stunden – außer die Erwerbstätigkeit der Eltern macht eine längere Betreuung erforderlich. Das muss dann beim Jugendamt beantragt werden. Bei seiner Analyse hat sich das Ministerium auf die zwischen Familien und Träger geschlossenen Betreuungsverträge gestützt. Das heißt, nach wie vielen Stunden die Kinder tatsächlich aus der Kita abgeholt werden, wird nicht erfasst.

Die Konzepte der Kommunen unterscheiden sich

Die Kommunen gehen unterschiedlich mit Bedürfnissen berufstätiger Eltern um. Einige Landkreise und kreisfreie Städte limitieren die Betreuungszeit auf zehn Stunden, anderen bescheiden nur eine längere Betreuungszeit von mehr als sechs Stunden und überlassen die nähere Ausdifferenzierung den Trägern.

Das Land habe den Trägern seinerzeit empfohlen, entsprechende Anträge für eine Finanzierung längerer Betreuung an die Kommunen zu stellen, so Fröbel-Chef Spieker. „Außer Potsdam haben alle Kommunen eine Übernahme der über 7,5 Stunden hinausgehenden Zeit abgelehnt“, sagt er. Die Landeshauptstadt zahlt freiwillig Zuschüsse an die Träger, damit diese mehr Erzieher einstellen und die Versorgung der Kinder auch am späten Nachmittag abfedern können – will das Geld aber vom Land notfalls per Gericht zurückfordern, da es eigentlich in der Pflicht sei.

Die Grünen scheiterten schon mit mehreren Anträgen zum Thema

Das Land müsse eine dritte Betreuungsstufe ausfinanzieren, forderte am Montag erneut auch die Landtagsfraktion der Grünen, die mit mehreren Anträgen zu dem Thema im Landtag gescheitert war. Der Bericht des Ministeriums bestätige das, was alle Kita-Verantwortlichen seit Jahren berichten, erklärte die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Marie Luise von Halem. „Wir brauchen endlich die Bezahlung der längeren Betreuungszeiten durch das Land.“ Der Doppelhaushalt sei noch nicht verabschiedet.

Wie genau die Lösung am Ende aussieht – ob das Land eigene Mittel bereitstellt oder Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes einsetzt –, sei für ihn nun zweitrangig, sagt Danilo Fischbach, Bundeselternsprecher aus Oberhavel. Das Problem der langen Betreuungszeiten sei nun bei allen erkannt. „Jetzt sollte man einfach mal machen“, sagt der Vater eines Kitakindes.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false