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Brandenburg: Kein schöner Zug von Siemens Konzern will Kaufabsicht der Berliner BVG kippen

Berlin - Eine ungewöhnliche Idee der BVG steht auf der Kippe. Und wenn es nicht klappt, werden es die Fahrgäste der U-Bahn wohl deutlich spüren.

Berlin - Eine ungewöhnliche Idee der BVG steht auf der Kippe. Und wenn es nicht klappt, werden es die Fahrgäste der U-Bahn wohl deutlich spüren. Siemens will gegen den Kauf von 20 U-Bahn-Zügen zu je vier Wagen bei der Firma Stadler vorgehen, die die BVG nach ihren Angaben dringend braucht. Eine Rüge von Siemens hat die BVG nach Angaben von Sprecherin Petra Reetz bereits zurückgewiesen. Jetzt kann Siemens noch vor die Vergabekammer des Landes ziehen. Branchenkreise sehen gute Chancen.

Die BVG hat wie berichtet den Auftrag im Wert von knapp 120 Millionen Euro ohne die erforderliche EU-weite Ausschreibung an Stadler vergeben. Den Schritt begründet das Unternehmen mit dem eklatanten Fahrzeugmangel, der bereits jetzt zu Ausfällen oder Fahrten mit kürzeren Zügen führt. Den Versuch, 35 Doppelwagen der Baureihe F79 nochmals für acht Jahre Einsatzzeit herzurichten, beurteile auch die Technische Aufsichtsbehörde skeptisch, sagte Reetz. Bereits 2019 drohe das zwangsweise Abstellen von Zügen.

Die ab 1979 gebauten Züge hätten zum Teil schwere Rostschäden und Risse an tragenden Teilen, sagte Reetz weiter. Wie lange sie noch durchhalten, sei völlig ungewiss. Das Schweißen könne zu „Schrumpfspannungen“ und damit zu neuen Rissen führen. Fallen die Züge aus, müsste der Fahrplan auf den Linien U5 bis U9 ausgedünnt werden. Dies verstoße aber gegen den Verkehrsvertrag, in dem die BVG mit dem Land ihre Leistung vereinbart hat.

In dieser Notlage sei es rechtlich möglich, auf die Ausschreibung zu verzichten, argumentiert die BVG. Stadler sei der einzige Hersteller weltweit, der die Züge schnell liefern kann. Das Unternehmen in Pankow baut derzeit neue Züge für die BVG, IK genannt. Diese Bestellung will die BVG aufstocken. Siemens wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Die BVG will bis 2030 fast ihren gesamten Fuhrpark der U-Bahn erneuern. Zur Finanzierung hat sie eine eigene Gesellschaft gegründet. Die ersten Fahrzeuge sollen 2021 kommen.

Vor dem Auftrag an Stadler habe man alle namhaften Hersteller gefragt, ob sie in der kurzen Zeit Bahnen liefern könnten, sagte Reetz. Kein Unternehmen sei dazu in der Lage gewesen. Auch nicht Siemens. Und selbst für den kommenden Großauftrag wolle sich Siemens nur gemeinsam mit dem Hersteller Bombardier bewerben. Pikant: Mit dem Gang vor die Vergabekammer brüskiert der Konzern auch seinen jetzigen Partner Stadler. Beide bauen derzeit gemeinsam die neuen Züge für die Berliner S-Bahn.

Das Vorgehen von Siemens hat auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) verärgert, die Aufsichtsratsvorsitzende der BVG ist. In einem Brief an Siemenschef Joe Kaeser hat sie darauf hingewiesen, dass die BVG im Interesse von Millionen Fahrgästen keine andere Entscheidung habe treffen können als die Direktvergabe an Stadler. Siemens hat sich zuletzt ohnehin keine Freunde geschaffen, weil der Konzern fast 900 Stellen im Kraftwerksbereich streichen will.

Allerdings hat sich die BVG auch selbst in die Bredouille gebracht, weil sie – und die früheren Landesregierungen – den Kauf neuer Bahnen jahrelang verschleppt haben, um kein Geld ausgeben zu müssen. Auch jetzt scheint es keine Eile zu geben. Die BVG hat nach Informationen dieser Zeitung die Abgabefrist der Angebote von Dezember 2018 auf Januar 2019 verschoben und will über die Vergabe statt im Sommer erst im September 2019 entscheiden. Würde man das Tempo beschleunigen, könnten neue Bahnen – per Ausschreibung – innerhalb von 33 Monaten betriebsbereit sein, heißt es in der Branche. Klaus Kurpjuweit

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