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Brandenburg: Kein Geschwisterbonus bei Einschulung

Brandenburg ändert nach Urteil stillschweigend gewohnte Praxis. Ministerium bedauert Informationspanne

Potsdam - Eltern von Geschwisterkindern werden in Brandenburg bei der Anmeldung an der Grundschule für das kommende Schuljahr nicht mehr bevorzugt. Der Geschwisterbonus ist gerichtlich gekippt worden, wie das Bildungsministerium am Mittwoch auf PNN-Anfrage einräumte. Von selbst hatte das Ministerium darüber öffentlich bisher nicht informiert. Mitten im Anmeldeverfahren für Grundschulen müssen nun viele Eltern, die weitere Kinder an eine Schule schicken wollten, an denen ein älteres Geschwisterkind unterrichtet wird, um den sicher geglaubten Platz fürchten. Betroffen ist speziell auch Potsdam.

Das Bildungsministerium brauchte fast vier Monate, um nach dem Urteil per Runderlass die Schulen auf die neue Rechtslage hinzuweisen. Das Schreiben datiert vom 25. Februar – kurz vor Ablauf der Anmeldefrist. Eltern mussten ihre Kinder zur Einschulung bis 29. Februar anmelden. Ein Ministeriumssprecher, der nichts vom Erlass wusste, bedauerte die Informationspolitik: „Es wäre sicher besser gewesen, diese Informationen im Vorfeld proaktiv stärker zu verbreiten.“

Bereits am 9. Oktober 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) entschieden, dass allein der Besuch eines Geschwisterkindes an einer Schule nicht mehr automatisch ein wichtiger Grund für eine Aufnahme des jüngeren Geschwisters sei. Das Urteil bezieht sich nur auf die nicht zuständige, also die Wunschschule, oder greift bei deckungsgleichen Schulbezirken. Eltern müssen nun in einer Einzelfallprüfung „individuell beachtliche Gründe“ vorbringen, damit auch das jüngere Kind gegenüber anderen privilegiert wird und dieselbe Schule wie ältere Geschwister besuchen kann. Das OVG war nicht der Ansicht des Ministeriums gefolgt, dass der Besuch von Geschwistern an einer Schule „aus der Natur der Sache“ zu Betreuungserleichterungen führe. Zudem muss es der Ausnahmefall bleiben, dass Geschwister gegenüber anderen Kindern, die nach Wohnortnähe aufgenommen werden, bevorzugt werden.

Kathrin Dannenberg, Bildungsexpertin der Linke-Landtagsfraktion, bezeichnete die Umstellung und die fehlende Informationen der Öffentlichkeit als unglücklich. Nach dem OVG-Urteil hätte schneller reagiert werden müssen. „Dann hätten Schulen, Schulämter und Eltern vorbereitet sein können“, so Dannenberg. Bei der Einzelfallentscheidung werde aber im Sinne der Eltern und Kinder entschieden. Gordon Hoffmann, Bildungsexperte der CDU-Landtagsfraktion, sagte, die Neuregelung gehe an der Realität, „am Organisationsaufwand für die Eltern im Morgenstress kilometerweit vorbei“. Dabei gehe es darum, dass jüngere von älteren Geschwistern beim „Zurechtfinden an der neuen Schule“ unterstützt werden. „Es macht keinen Sinn, die Kinder auseinanderzureißen“, so Hoffmann. Die Grüne- Bildungsexpertin Marie Luise von Halem begrüßte die neue Praxis. Diese schaffe für Schulen mehr Handlungsspielräume. Es sei vernünftig, dass sie bei der Auswahl der Schüler der Wohnortnähe mehr Bedeutung zumessen und gerade mobilitätseingeschränkte Schüler – vor Geschwistern – stärker berücksichtigen könnten.

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