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Unterschätzt? Die Pollen der Ambrosia-Pflanze können beim Menschen heftige Allergien auslösen.

© Henning Onken

Brandenburg: Kein Geld, kein Personal

An der Ambrosia-Bekämpfung in Brandenburg gibt es Kritik. Experte: Problem wird unterschätzt

Potsdam - Der verregnete Sommer hat den von Ambrosiapollen geplagten Brandenburger Allergikern etwas Erleichterung verschafft. Wie Messungen im Hauptverbreitungsgebiet der Niederlausitz ergaben, war die Pollenflugphase in diesem Jahr kürzer und weniger intensiv als 2016. Für den Cottbuser Lungenfacharzt Ulf Gereke dennoch kein Grund zur Entwarnung. „Auch wenn die Pollen nicht fliegen, verbreiten sie sich dennoch“, sagt der Mediziner, der seit mehreren Jahren im Süden Brandenburgs Ambrosia-Niederschläge in sogenannten Pollenfallen auswertet.

Die Region um die Gemeinden Drebkau (Spree-Neiße) und Vetschau (Oberspreewald-Lausitz) gelten als das europaweit am stärksten von Ambrosia besiedelte Gebiet. Die aus Nordamerika importierte Pflanze droht nach Einschätzung des bundeseigenen Julius-Kühn-Instituts aber in ganz Deutschland zu einem ernstzunehmenden gesundheitlichen Problem zu werden. Schon geringe Pollenkonzentrationen reichten aus, um einen allergischen Anfall auszulösen.

Seit Jahren beobachtet Gereke, wie sich die hochallergene Pflanze ausbreitet. Der Landesregierung wirft er vor, sie unterschätze das Problem „und sitze es aus – trotz klarer Messwerte“, wie er sagt. Wenn in den nächsten drei bis vier Jahren nicht energisch gegen Ambrosia vorgegangen werde, „wird man das Zeug nicht mehr los“, ist er überzeugt.

Wie Gereke verweist auch Drebkaus Bürgermeister Dietmar Horke (parteilos) auf das Beispiel Schweiz, wo es dem Kanton Zürich gelungen ist, Ambrosia praktisch auszurotten. „Warum geht das bei uns nicht?“, fragt Horke. Brandenburgs Agrarministerium hat darauf eine einfache Erklärung, wie es in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsfraktion heißt: „In Deutschland ist eine umfassende Bekämpfungs- und Meldepflicht auf der Grundlage des Pflanzenschutzrechts nicht möglich.“

Allerdings könnten die Ordnungsbehörden in Brandenburg eine Melde- und Bekämpfungspflicht „zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erlassen“, erklärt das Ministerium weiter. Dies müsse aber im Einzelfall geprüft und vom „jeweils zuständigen Ressort entschieden werden“.

Auf den Weg gebracht ist bislang lediglich eine Arbeitsgruppe aus mehreren Ministerien. Noch in diesem Jahr soll die Stelle eines Koordinators ausgeschrieben werden. Er soll das Vorkommen der Pflanze erfassen und Ratschläge zu ihrer Bekämpfung erteilen. Für Bürgermeister Horke ist das zu wenig. Er fordert entschiedene Regelungen, etwa zu den meterbreiten Randstreifen an Agrarflächen. Dort dürfen Landwirte aus Gründen des Naturschutzes keine Unkrautvernichtungsmittel einsetzen. „Auf dem Niemandsland aber wächst Ambrosia munter vor sich hin“, klagt Horke.

Für die Grünen im Landtag ist 2017 „wieder ein verlorenes Jahr“, bedauert ihr Gesundheitsexperte Benjamin Raschke. Jahr für Jahr breite sich Ambrosia in der Niederlausitz aus, „ganze Felder sind befallen“. Da helfe es nicht, mit Broschüren aufzuklären und einen Ambrosiaatlas herauszugeben. „Wir wollen ähnlich wie in der Schweiz eine Melde- und Bekämpfungspflicht“, sagt Raschke.

Die Koordinatorenstelle stößt auch beim CDU-Gesundheitsexperten Raik Nowka auf Skepsis. „Wenn wir die Stelle haben, dann wissen wir im günstigsten Fall irgendwann über alle größeren Ambrosiavorkommen Bescheid, aber davon wird keine einzige Pflanze beseitigt.“ Die Belastungen in den betroffenen Landstrichen seien in den letzten Jahren immer größer geworden. Damit hätten auch die Gesundheitsgefahren zugenommen.

Werde Ambrosia als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft, könnte man dagegen vorgehen, sagt Nowka. Warum dies bislang nicht geschehen sei, erklärt sich der CDU-Abgeordnete so: „Offenbar ist der Leidensdruck der Bevölkerung aus Sicht des Ministeriums noch nicht hoch genug.“ dpa

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