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Brandenburg: Kampf den Keimen

Krankenkasse: Berlin tut zu wenig für Patientenschutz. In Brandenburg müssen Risiko-Patienten schon umfangreicher geschützt werden

Berlin/Potsdam - Die bundesweite Debatte um Klinikkeime dürfte sich in Berlin bald zuspitzen. Erst vor wenigen Tagen waren auf einer Kinderstation in Düsseldorf gefährliche VRE-Keime gefunden worden: Fünf Säuglinge werden wegen dieser Darmbakterien behandelt. Solche Fälle hatte es in der Vergangenheit auch in Berlin und in Potsdam gegeben. Am Mittwoch nun forderte die Techniker Krankenkasse (TK) schärfere Vorschriften. Die Hygieneregeln griffen zu kurz, schon weil sie nicht für Kliniken und Heime gleichermaßen gelten.

„Berlin muss bei der Klinikhygiene mehr tun“, sagte die Berliner TK-Chefin Susanne Hertzer am Mittwoch. Es sei nicht nachvollziehbar, dass in der gemeinsamen Gesundheitsregion mit Brandenburg unterschiedliche Maßstäbe beim Schutz der Patienten bestünden. In Brandenburg müssten Risikopatienten – etwa kranke Senioren oder Reisende aus bestimmten Ländern – in Kliniken, Reha-Zentren und Praxen gesondert geschützt werden. In Berlin gilt dies nur für Kliniken und Reha-Zentren. „Keime machen nicht an Kliniktüren Halt“, sagte Hertzer. „Damit die Zahl der Infektionen wirksam eingedämmt werden kann, müssen alle Einrichtungen im Gesundheitswesen einbezogen werden.“ So ließen sich Verbreitungswege besser nachvollziehen.

Die Gesellschaft für Krankenhaushygiene hatte 2012 geschätzt, in Berlin gebe es 36 000 vermeidbare Infektionen mit Klinikkeimen im Jahr. Schätzungen zufolge sterben bundesweit Zehntausende Patienten an Klinikinfektionen. Genaue Zahlen fehlen. Experten prangern seit Jahren die dünne Datenbasis an.

Die Bundesregierung hatte 2011 von den Ländern neue Infektionsschutzverordnungen verlangt. Mario Czaja (CDU) – damals neu ins Amt gewählter Berliner Gesundheitsenator – hat 2012 unter Zeitdruck eine strengere Verordnung erlassen. Für Krankenhäuser hatte die Verordnung personelle Konsequenzen. Vorher mussten nur Kliniken mit mehr als 450 Betten einen Hygieniker beschäftigen, seitdem schon Häuser ab 400 Betten. Man wisse, dass die Anstrengungen nicht nachlassen dürften, sagte eine Sprecherin des Senators. Die Rechtsgrundlage in den Ländern erlaube aber nur Hygieneverordnungen für den medizinischen Bereich, nicht für Heime. Czaja selbst kündigte an, Klinikhygiene im Landeskrankenhausplan 2016 aufzugreifen. Auch eine Sprecherin der Brandenburger Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) sagte, dass die Bundesvorgaben zwar Hygienevorschriften für Kliniken und ambulante OP-Zentren vorsähen, nicht aber für Heime. Das Risiko sei in Heimen auch geringer. Keimausbrüche müssen gemeldet werden. In Berlin übermitteln die Bezirke die Daten anonymisiert an das Landesamt für Gesundheit und Soziales. Welche Häuser betroffen sind, erfahren Patienten dadurch nicht. Klaus-Dieter Zastrow vom Berufsverband Deutscher Hygieniker sprach sich für unangemeldete Kontrollen der Gesundheitsämter in Kliniken aus. Die Chefin der landeseigenen Vivantes-Kliniken, die Ärztin Andrea Grebe, sagte: „Um Infektionen zu verhindern, muss man sich auch selbst disziplinieren.“ Berufsvertreter hatten deshalb mehr Personal gefordert, ständiges Desinfizieren dauere im Laufe einer Schicht insgesamt mehr als eine Stunde.

Die TK ist mit fast 950 000 Versicherten in Berlin und Brandenburg eine der großen Kassen. Dass Berlin und Brandenburg als eine Gesundheitsregion gelten, ergibt sich daraus, dass bald 50 Prozent der Brandenburger im Berliner Speckgürtel wohnen werden. Zehntausende Pendler lassen sich schon jetzt in Berlin behandeln.Hannes Heine

Auf www.gesundheitsberater-berlin.de/kliniksuche finden Sie für rund 50 Kliniken aktuelle Daten darüber, wie viele Patienten sich mit Keimen infiziert haben

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