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Justiz: Brandenburgs neue Chefanklägerin

Susanne Hoffmann ist Brandenburgs neue Generalstaatsanwältin. Die 59-Jährige ist die erste Frau in dieser Position. Als Nachfolgerin des angesehenen, im Vorjahr verstorbenen Erardo Rautenberg tritt sie ein schweres Erbe an.

Potsdam - Beim Cognac kam die Wende. Wenn Susanne Hoffmann eines nie werden wollte, dann Staatsanwältin. Als junge Juristin, die selbst aus einer Juristenfamilie stammt, plant sie nach dem zweiten Staatsexamen ihre Promotion, träumt von einer Arbeit als Zivil- oder Verwaltungsrichterin. Dann, im November 1987, bietet die Berliner Senatsverwaltung ihre eine Stelle im Justizdienst an. Zu einer Zeit, als Jobs dort schwer zu haben sind. Die damals 27-Jährige landet bei der Staatsanwaltschaft. Ausgerechnet. „Es war grauenhaft“, sagt Hoffmann unumwunden. In ihrem Mini-Büro stapeln sich staubige Akten, keiner unterstützt die junge Frau. Bis ihr damaliger Abteilungsleiter ihre Verzweiflung sieht, eine Flasche Cognac auf den Tisch packt und erzählt, wie spannend die Arbeit in der Staatsanwaltschaft sein kann, wie wichtig die Aufgabe ist. Hoffmann nippt am Cognac, hört zu. Da sei ihr klar geworden: „Eigentlich bin ich geborene Staatsanwältin.“

Nur fünf von 24 Generalstaatsanwaltschaften werden von Frauen geführt 

Seit Mitte Juni ist die 59-jährige Mutter eines Sohnes nun Chefanklägerin des Landes Brandenburg. Am Freitag wurde die gebürtige Berlinerin, die in Potsdam lebt und seit 2005 in wechselnden Funktionen in Brandenburg tätig ist, in der Staatskanzlei offiziell ins Amt eingeführt. Sie ist für die Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg/Havel und die vier Staatsanwaltschaften des Landes, insgesamt rund 760 Bedienstete, verantwortlich. Nicht nur Justizvertreter mehrerer Bundesländer haben sich am Freitag in Potsdam eingefunden, auch Generalbundesanwalt Peter Frank ist da um zu erleben, wie in Brandenburg die erste Frau dieses wichtige Amt übernimmt. Mit Hoffmann stehen nun in fünf von 24 Generalstaatsanwaltschaften in Deutschland Frauen an der Spitze.

Eine Rede, die Rautenberg gefallen hätte 

Aber das ist nicht der Hauptgrund, warum viele innerhalb und außerhalb Brandenburgs auf sie schauen, gespannt sind, wie sie diese Aufgabe ausfüllen wird. Denn Hoffmann beerbt eine Justizgröße, die bundesweit vor allem wegen ihres konsequenten Vorgehens gegen Rechtsextremismus geschätzt und wegen unbequemer, politischer Kommentare auch gefürchtet wurde: Erardo Rautenberg, der im März 2018 in den Ruhestand gegangen ist und im Juli vergangenen Jahres den Kampf gegen den Krebs verloren hat.

Susanne Hoffmann scheut sich nicht, in seine Fußstapfen zu treten. Ihre langen Haare hat sie zum Pferdeschwanz gebunden, ihr Blick weicht dem des Gegenübers nie aus, ist fest, aber freundlich. Ihre Rede am Freitag ist pointiert, persönlich, ohne peinlich zu sein – und sie ist kritisch. Sie hätte ihrem Vorgänger vermutlich gut gefallen. Denn Hoffmann spart auch nicht die Querelen aus, die es um ihre Bewerbung gab. Zum Jahresbeginn sollen Teile der SPD versucht haben, das Verfahren zur Ernennung von Hoffmann zu blockieren. Die Sozialdemokraten störten sich demnach an der CDU-Nähe, die Hoffmann nachgesagt wird. In der Justiz war die Blockadehaltung gegen Hoffmann als „Verrat an Rautenberg“ und als Versuch gewertet worden, „durch die Hintertür zu einem politischen Beamten auf diesem Posten zurückzukehren“. Rautenberg hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass Generalstaatsanwälte seit 2010 keine politischen Beamten mehr sind, die jederzeit in den Ruhestand geschickt werden können. So detailliert schildert Hoffmann den Vorgang am Freitag nicht. Die Anwesenden wissen eh, was da los war. „Man sollte meinen, bei diesem Amt gehe es nur um die Qualifikation“, sagt Hoffmann. Dann dankt sie Justizminister Stefan Ludwig und Staatssekretär Ronald Pienkny (beide Linke), die trotz unterschiedlicher politischer Ausrichtung ihre Bewerbung unterstützt hätten. Gegen die SPD, die zu der Zeit noch mit den Linken koalierte. „Ich weiß, dass es auch im Land Brandenburg nicht einfach war, mich durchzusetzen“, sagt sie, denn auch im roten Berlin hatte sie es wegen ihrer konservativen Ausrichtung nicht immer leicht. Dass Hoffmann 2005 von Berlin ins Nachbarland gewechselt sei, sei „ein Glücksfall für Brandenburg“ gewesen, betont nun Linke-Politiker Ludwig. Hoffmann, die zuletzt Abteilungsleiterin im Justizministerium war und dort die Fachaufsicht über alle Staatsanwaltschaften im Land führte, sei „eine hervorragende Juristin und Führungspersönlichkeit“.

2005 wechselte sie nach Brandenburg 

Dabei wäre ihr Wechsel in die Mark fast an der „Brandenburger Verkehrspolizei“ gescheitert, wie sie erzählt. Auf dem Weg zum Gespräch bei der Generalstaatsanwaltschaft in Brandenburg/Havel wird sie zweimal geblitzt. „Ich hatte den Reflex, alles abzubrechen“. Aber dann geht sie doch hin – und trifft auf Erardo Rautenberg. Ähnlich wie beim Cognac-Gespräch am Anfang ihrer Karriere ist schnell alles klar. Die beiden unterhalten sich über Demokratie, verstehen sich, auch wenn sie politisch unterschiedliche Präferenzen haben. Rautenberg war SPD-Mitglied. Doch das spielt keine Rolle, weil sie eine gemeinsame Mission haben: den Rechtsstaat verteidigen. Hoffmann wird Rautenbergs Vertreterin in Brandenburg/Havel – ehe sie 2008 in die Ministerialverwaltung wechselt. Was ihr erst nicht passt. Zu dröge erscheint ihr das, schließlich hat sie in Berlin Verfahren gegen organisierte Kriminalität geführt. Eine „junge, rebellische Staatsanwältin, die es nicht immer allen leicht gemacht hat“, sagt sie über sich selbst. Gerade die „wilde Zeit“ nach dem Mauerfall, der Kampf gegen die Russenmafia, sei spannend gewesen. „Es gab Tote, im Teltowkanal.“ Und nun wieder Akten? Hoffmann will nicht. Bis Rautenberg ärgerlich zu ihr sagt: „Verwaltung muss man nicht mögen. Verwaltung muss man können.“ Uns sie kann es, wie ihr bescheinigt wird. Mag es sogar. Ihre Mitarbeiter könnten daraus eine Lehre ziehen, sagt die neue Chefin im Rückblick auf die Rautenberg-Anekdote: „Es ist immer gut, auf den Generalstaatsanwalt zu hören.“

Kampf gegen Rechtsextremismus und Islamismus 

Als anstrengend galt sie im Ministerium – geschätzt wurde sie trotzdem. Weil sie empathisch und selbst bereit sei, viel zu leisten. Für ihr neues Amt, zurück in Brandenburg/Havel, hat sie sich viel vorgenommen: Den Kampf gegen Rechtsextremismus, der etwa durch die Reichsbürgerbewegung wachse, nennt sie zuerst. Aber auch gegen islamistische Gewalttäter will sie vorgehen, auch wenn die Zahl der Gefährder in Brandenburg nicht hoch sei. „Aber durch den Hotspot Berlin in der Mitte müssen wir aufmerksam sein“, meint Hoffmann. Auch zunehmende Internet- und Bandenkriminalität identifiziert sie als Handlungsfelder. Das alles könne nur mit einer guten Personalausstattung der Justiz gelingen, „wenn die Politik uns nicht im Stich lässt“. Man dürfe die Justiz nicht kaputtsparen. Wozu das führe habe man bei Haftentlassungen in Folge von Personalmangel gesehen. Hoffmann weiß, dass es nicht leicht nicht wird, eine Justizwende einzuleiten: „Ein nettes Abteilungsleitergespräch und Cognac werden da nicht ausreichen.“

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