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Brandenburg: Jürgen Zöllner

„Einmalige Chance, nochmal etwas Neues anzufangen“

Dem Regierenden Bürgermeister ist ein großer Coup gelungen. Der Senator für das von der SPD neu geschaffene Super-Ressort Bildung und Wissenschaft ist kein Geringerer als Jürgen Zöllner, seit 15 Jahren Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz. Die SPD schickt also ihr bildungspolitisches Schwergewicht nach Berlin, einen Vollblutpolitiker und Platzhirsch in der Kultusministerkonferenz, der sich in der Wissenschaft genauso gut auskennt wie in der Schulpolitik. Auch vom Typ her passt er bestens zu Berlin. Zöllner, der häufig verschmitzt lächelt, ist mindestens so robust und rauflustig wie der Regierende Bürgermeister – bereits die Fliege, die er gerne trägt, weist den 61-Jährigen als Individualisten aus.

Berlins Kitas, Schulen und Hochschulen können sich auf einen rastlosen Macher einstellen. Deutschlands dienstältester Wissenschaftsminister – erstmals 1991 von Rudolf Scharping ernannt – hat Rheinland-Pfalz zu einem Musterland des sozialdemokratischen Bildungswesens gemacht. In der Schulpolitik, für die er zwischen 1994 und 2001 neben der Wissenschaft in Rheinland-Pfalz zuständig war, verbindet sich Zöllners Name mit einer Reihe von Reformen. So hat er in der Kultusministerkonferenz 1997 die Beteiligung Deutschlands an den Pisa-Studien mit ermöglicht. In Rheinland-Pfalz ist er zumal der Vater der Ganztagsschule, für die er die Weichen mit seiner Grundschulreform unter dem Stichwort „Volle Halbtagsschule als Lern- und Lebensstätte“ stellte. Seine politische Ziehtochter Doris Ahnen, seit 2001 Bildungsministerin des Landes und nun auch Zöllners Nachfolgerin als Wissenschaftsministerin, hat die Ganztagsschulen, deren Zahl in Rheinland-Pfalz stetig wächst, zu einem bildungspolitischen Schwerpunkt erklärt.

Ein radikaler Verfechter der Gemeinschaftsschule ist Zöllner nicht, wohl aber ein behutsamer Reformer. Neben Gymnasien, Real-, Haupt- und Förderschulen gibt es in Rheinland-Pfalz die Regionalschule und die Integrierte Gesamtschule, die beide ausgebaut werden. In der Regionalschule, bei der es sich meist um ehemalige Hauptschulen handelt, können die Schüler ab der siebten Klasse zwischen den Lernniveaus der Haupt- und Realschule wechseln.

Dass Zöllner auch sehr genau auf Berlins Hochschulen blicken wird, ist sicher. Der Medizin-Professor und einstige Chef der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität verteilt die Mittel an die Unis schon seit 1994 nach Leistung. Seine Reform des Lehrerstudiums in Rheinland-Pfalz könnte ein Vorbild für Berlin sein. Zwei Mal in Folge haben die deutschen Professoren Zöllner in ihrem Ministerranking zum beliebtesten Wissenschaftsminister Deutschlands gewählt: weil er seinen Hochschulen seit 2003 mehr Autonomie gibt und weil sein Etat ständig gewachsen ist – anders als es in Berlin zu erwarten ist. Doch: „Für mich bietet sich jetzt die einmalige Chance, noch einmal etwas Neues anzufangen“, sagt der designierte Senator.

In der Debatte um Studiengebühren hat Zöllner schon 2000 einen Kompromiss vorgeschlagen, den er inzwischen in Rheinland-Pfalz umgesetzt hat. Studierende bekommen ein Studienkonto, das sie bis zum 14. Semester strecken können. Nur wer noch länger studiert, zahlt Gebühren. In Berlin scheiterte der Versuch von Wissenschaftssenator Thomas Flierl, das Modell nachzuahmen, an der PDS.

Für Berlins Unis ist Zöllner nicht nur ein Glücksfall, weil sein Wort am Kabinettstisch viel Gewicht haben wird. Auch in der zweiten Runde des Elitewettbewerbs wird Zöllner nun für Berlin kämpfen. Anja Kühne/Tilmann Warnecke

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