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Legendär. Im Rathaus von Wriezen erinnert eine Büste (Foto l.) an den japanischen Arzt Nobutsugu Koyenuma. Ansonsten kümmert sich Nils Nestler, hier neben der Grabstelle Koyenumas, um das Andenken und die daraus entstandenen neuen Beziehungen. Nestler ist Japan-Beauftragter der Kleinstadt im Kreis Märkisch-Oderland.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Japanischer Seuchen-Arzt lockt Touristen nach Wriezen

Den DDR-Oberen war Nobutsugu Koyenuma ein Dorn im Auge. Heute gibt es dem Mediziner zu Ehren sogar ein Beach-Volleyball-Turnier

Wriezen - Japanern in Wriezen (Märkisch-Oderland) zu begegnen, ist gar nicht so unwahrscheinlich. „Die Zahl der Touristen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen“, sagt Nils Nestler. Er ist in der Stadtverwaltung nicht nur zuständig für das Immobilienmanagement, sondern seit Oktober 2016 auch ehrenamtlicher Japan-Beauftragter der Kommune.

Was Ortsfremde zunächst stutzen lässt, ist für die Einheimischen ganz normal. Denn quasi jedes Kind in der Kleinstadt kennt die Geschichte des japanischen Arztes Nobutsugu Koyenuma, der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 in Wriezen gegen tödliche Seuchen kämpfte, bevor er selbst an Typhus starb.

Krankenschwestern, die damals gemeinsam mit dem 37-jährigen Mediziner um Menschenleben gerungen hatten, sorgten dafür, dass Koyenumas Grab auf dem Wriezener Friedhof 1950 einen ordentlichen Stein bekam und es gepflegt wurde. „Da gab es auch Jahrzehnte später noch viel Verehrung, die zu DDR-Zeiten allerdings staatlicherseits nicht gewollt war“, erinnert sich der Regionalhistoriker Reinhard Schmook. Zeitzeugen hätten ihm noch Mitte der 1970er-Jahre von der aufopferungsvollen Arbeit des japanischen Arztes erzählt.

Schmook begann selbst Nachforschungen anzustellen, die schließlich kurz vor der Wende dazu führten, dass Koyenumas Bruder in Japan ausfindig gemacht werden konnte. „Der kam 1994 nach Wriezen und so entstanden unsere Beziehungen mit Japan“, erzählt Nestler. Die Stadt hatte den verdienstvollen Arzt da schon posthum zum Ehrenbürger gemacht.

Der erste Austausch begann zwischen Schülern: Das Johanniter-Gymnasium unterhält Patenschaftsbeziehungen mit einer Schule in Hachioji, der Geburtsstadt Koyenumas. Außerdem gibt es inzwischen im Oderbruch ein nach ihm benanntes alljährliches Beach-Volleyball- Turnier, mehrere japanische Kirschbäume und ein Ehrenmal aus Marmor auf dem Wriezener Schützenplatz, gestaltet von einem japanischen Künstler.

Im Rathaus, das laut Schmook damals die Seuchenstation war, auf der Koyenuma arbeitete, gibt es heute eine kleine Ausstellung über den Arzt. Bürger aus Hachioji gründeten einen Koyenuma-Freundeskreis und eine Gedenkstele für den verdienstvollen Sohn der Stadt steht dort inzwischen auch am Eingang der Fußgängerzone.

Vorläufiger Höhepunkt der deutsch-japanischen Kontakte war die Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages zwischen der kleinen Stadt Wriezen und der 578 000-Einwohner-Metropole Hachioji nahe der Hauptstadt Tokio. „Eine tatsächliche Städtepartnerschaft erschien uns angesichts der Größenunterschiede nicht angebracht“, erläutert der Wriezener Bürgermeister Karsten Ilm (CDU) und muss dabei lächeln.

Immerhin gleich zwei japanische Delegationen kamen 2017 zur Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages ins Oderbruch. Und auch der japanische Botschafter in Deutschland ließ sich laut Ilm das Ereignis nicht entgehen. Trotzdem will und kann der oberste Wriezener weiterhin nur „kleinere Brötchen backen“. Während sich in Hachioji eine ganze Kulturabteilung um die Beziehungen zu Ostbrandenburg kümmert, erledigt das im Oderbruch der 35-jährige Japan-Beauftragte Nestler.

Ilm zufolge soll es in diesem Jahr einen Malwettbewerb zwischen Kindern beider Städte geben. Bei öffentlichen Tee-Zeremonien wiederum sollen Land und Kultur den Wriezenern nahegebracht werden. Der Bürgermeister würde sich freuen, wenn beim immer populärer werdenden Volleyball-Turnier auch einmal japanische Sportler an den Start gehen würden. „Die stehen da aber eher auf Baseball“, weiß Wriezens Japan-Beauftragter.

Bei allen Größenunterschieden haben die Kommunalvertreter laut Bürgermeister Ilm auch Gemeinsamkeiten entdeckt: Beide Städte überaltern. „Möglicherweise kann da bei Lösungsansätzen einer vom anderen profitieren.“ Es gehe nicht um große Wirtschaftsbeziehungen, sondern „um Kontakte auf menschlicher Ebene“.

Die Kunde von Koyenumas Verdiensten, die in Wriezen nicht vergessen sind, haben die deutsche Kleinstadt in Japan populär gemacht. Denn inzwischen gibt es dort sogar einen Fernsehfilm über den Arzt, der in Deutschland starb, weil er deutsche Patienten retten wollte. Sein Grab ist für Japaner laut Nestler zu einer Pilgerstätte geworden und nicht zu verfehlen: Ein Äskulapstab als Symbol der Ärzte ist auf dem Stein zu erkennen, gesäumt von zwei Bambusbüschen und einer Stele mit japanischen Schriftzeichen. (dpa)

Jeanette Bederke

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