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Innenminister Michael Stübgen (CDU, l.), Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne),  Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und im Hintergrund Staatskanzleichefin Kathrin Schneider (SPD). 

© Soeren Stache/dpa

Jahresrückblick Brandenburg: Das mit Abstand schwierigste Jahr

2020 wollte Brandenburgs neue Kenia-Regierung durchstarten, doch dann kam Corona. Ein Rückblick auf ein Jahr im Krisenmodus.

Potsdam - Mit frischen Farben ins neue Jahr: Nach der Landtagswahl 2019 wird Brandenburg erstmals von einem Kenia-Bündnis aus SPD, CDU und Grünen regiert. Mit einem 84 Seiten dicken Koalitionsvertrag und dem weiblichsten Kabinett aller Zeiten – sechs von zehn Ministerämter besetzt Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) mit Frauen – startet die neue Landesregierung ins Jahr 2020. Doch nach nur gut zwei Monaten wird das Bündnis auf eine harte Probe gestellt: Die Corona-Pandemie stellt auch in Brandenburg alle andere Themen in den Schatten. Ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse im zu Ende gehenden Krisenjahr. 

HERAUSFORDERUNGEN 

Die Afrikanische Schweinepest erreichte Brandenburg.
Die Afrikanische Schweinepest erreichte Brandenburg.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Noch im Januar, in ihrem ersten Interview im neuen Amt, erklärt Brandenburgs Gesundheitsministerin und Vize-Ministerpräsidentin Ursula Nonnemacher (Grüne) gegenüber den PNN zum Coronavirus: „Momentan gibt es keinen Anlass zur Beunruhigung. Das Risiko, sich anzustecken, ist für Brandenburgerinnen und Brandenburger derzeit gering.“ Die Lage wird sich sehr schnell ändern: Am 2. März hat Brandenburg seinen ersten Corona-Fall. Ein 51-Jähriger aus Oberhavel, Reiserückkehrer aus Südtirol, wird positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Mittlerweile wurden im Land 43.203 Corona-Infektionen nachgewiesen. 

Das Kenia-Kabinett erlebt ein Jahr in einem noch nie dagewesenen Krisenmodus. Ständige Pressekonferenzen in der Staatskanzlei, bei denen Woidke, Nonnemacher und Innenminister Michael Stübgen (CDU) immer neue Änderungen der Eindämmungsverordnung vorstellen, werden zum gewohnten Bild. Ursula Nonnemacher wird zur wichtigsten Krisenmanagerin, die neben Corona auch zwei weitere Seuchen in den Griff bekommen muss. 

Bereits am 20. Januar tritt bei einer Blessgans in Spree-Neiße der erste Fall von Vogelgrippe mit dem Erreger H5N8 in Deutschland in dieser Saison auf. Am 10. September erreicht auch die Afrikanische Schweinepest (ASP) Brandenburg. Erstmals in Deutschland wird bei einem toten Wildschwein nahe der Grenze zu Polen die Tierseuche bestätigt. 

VERLUSTE

Trauerfeier für Manfred Stolpe im Januar 2020.
Trauerfeier für Manfred Stolpe im Januar 2020.

© Soeren Stache/dpa

Am 21. Januar nimmt Brandenburg in der Potsdamer Nikolaikirche Abschied vom früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD), der in der Nacht zum 29. Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren nach langer Krebserkrankung gestorben war. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigt Stolpe, der von 1990 bis 2002 Regierungschef in Brandenburg war, als „Brückenbauer“, dessen Rat in einer Zeit, in der die Gräben in der Gesellschaft tiefer werden, fehlen werde. 

Ein weiterer Brandenburger, dessen Wort Gewicht hatte, fehlt. Am 4. Oktober 2020 stirbt der Schriftsteller Günter de Bruyn im Alter von 93 Jahren in Bad Saarow (Oder-Spree). Der gebürtige Berliner lebte schon seit Jahrzehnten zurückgezogen in Brandenburg. Nach der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft wurde er 1946 in Potsdam zum Neulehrer ausgebildet. Seit 1961 war er als freier Schriftsteller tätig. Im Oktober 1989 lehnte er die Annahme des Nationalpreises der DDR ab. 

Zeitlebens habe der mit dem Brandenburgischen Literaturpreis ausgezeichnete Günter de Bruyn auf unverwechselbare Weise von der Schönheit, der Geschichte und den Eigentümlichkeiten Brandenburgs erzählt, schreibt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in seinem Kondolenzbrief an die Familie. „Er hinterlässt ein eindrucksvolles Werk, das viele Facetten der deutschen, besonders der brandenburgischen Geschichte in all ihrer Widersprüchlichkeit spiegelt“, so Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). 

PERSONALIEN

Ines Härtel wurde zur Richterin am Bundesverfassungsgericht ernannt.
Ines Härtel wurde zur Richterin am Bundesverfassungsgericht ernannt.

© dpa

Brandenburgs Justiz und Polizei bekommen 2020 neues Führungspersonal. Am 1. Juni wird der 61-jährige Andreas Behm, der bis dato Abteilungsleiter für Strafvollzug, Strafrecht und soziale Dienste im Justizministerium war, Generalstaatsanwalt des Landes. Zuvor war die wichtige Position monatelang unbesetzt, nachdem die bisherige Generalstaatsanwältin Susanne Hoffmann (CDU) in der Kenia-Koalition Justizministerin wurde. Hoffmann war die Kurzeit-Nachfolgerin des langjährigen, für sein Engagement gegen Rechtsextremismus deutschlandweit angesehenen Chefanklägers Erardo Rautenberg, der 2018 verstarb. „Wir haben das Erbe von Erardo Rautenberg zu achten“, erklärt Behm und sagt seinerseits Extremismus den Kampf an. Das gelte sowohl für Islamismus, Linksextremismus, vor allem aber auch den Rechtsextremismus.  

Den Kampf gegen Extremisten nimmt auch ein anderer auf: Jörg Müller. Seit Februar ist der Verwaltungswirt neuer Verfassungsschutzchef in Brandenburg und kündigt eine Neuausrichtung der Behörde an. Sie solle moderner werden, um den Gefahren durch Extremismus im Netz besser begegnen zu können. Aber nicht nur das: Im Juni erklärt der Brandenburger Verfassungsschutz den gesamten AfD-Landesverband zu einem rechtsextremistischen Verdachtsfall. Insgesamt wächst in Brandenburg die Bedrohung durch Extremisten jedweder Couleur – wobei der Rechtsextremismus das mit Abstand größte Problem bleibt, wie Müller bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes im September deutlich macht. Seine Behörde rechnete der rechtsextremistischen Szene im Vorjahr 2765 Personen zu. Das ist der sechste Anstieg in Folge – und ein Höchststand in der Geschichte des Landes. 

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Ein weiterer Neuzugang, der Extremisten und Kriminellen das Handwerk legen will, ist Oliver Stepien. Der Berliner ist seit Mai neuer Polizeipräsident in Brandenburg und sagt in seinem ersten Interview nach Amtsantritt den PNN:„Es gibt grundsätzlich eine große Bedrohung durch Rechtsextremismus oder -terrorismus, ob sie nun von Gruppierungen oder Einzeltätern ausgeht.“ 

Für bundesweites Aufsehen sorgt aber diese Personalie: Als erste Ostdeutsche wird Ines Härtel, Juraprofessorin an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), Richterin am Bundesverfassungsgericht. „Gerade im 30. Jahr der deutschen Einheit empfinden viele die Wahl als weiteres wichtiges Zeichen für ein gleichberechtigtes Miteinander auch in den Institutionen des Rechts in unserem Land“, sagte die 48-Jährige bei ihrer Ernennung im Juli. 

NIEDERLAGEN 

Demonstration zum Paritégesetz vor dem Verfassungsgericht in Potsdam.
Demonstration zum Paritégesetz vor dem Verfassungsgericht in Potsdam.

© Sebastian Gabsch

Für gleichberechtigtes Miteinander soll auch das Paritätsgesetz sorgen. Als erstes Bundesland hat Brandenburg 2019 ein Gesetz für mehr Gleichstellung bei Wahllisten der Parteien beschlossen – am 30. Juni 2020 ist es in Kraft. Bei künftigen Landtagswahlen soll es dafür sorgen, dass gleich viele Frauen und Männer auf den Kandidatenlisten der Parteien berücksichtigt werden. 

Doch am 23. Oktober kippt das Landesverfassungsgericht Brandenburg das neue Gesetz. Die Richter bezeichnen das Paritégesetz einstimmig als verfassungswidrig. Nach einer Beschwerde von Verbänden wird sich nun das Bundesverfassungsgericht – also womöglich auch Ines Härtel – mit der Lex Brandenburg befassen.

ERFOLGE

Elon Musk auf der Tesla-Baustelle in Grünheide.
Elon Musk auf der Tesla-Baustelle in Grünheide.

© Odd Andersen/AFP

Wirtschaftlich hingegen läuft es für Brandenburg nicht so schlecht. Trotz Einwänden von Umweltverbänden gegen Rodungen geht es für die geplante Gigafactory des US-Elektroautoherstellers Tesla in Grünheide (Oder-Spree) voran. Am 3. September besucht Tesla-Chef Elon Musk erstmals die Baustelle und verkündet: „Deutschland rocks“.  

Nach dem Willen der Bundesregierung soll Deutschland zudem bei der Produktion von Batterie-Materialien an die europäische Spitze kommen. Wieder am Standort Brandenburg: In einer neuen Anlage des Chemiekonzerns BASF im Schwarzheide sollen ab 2022 Kathoden-Materialien gefertigt werden. Im November 2020 ist Spatenstich für das Werk in der Lausitz – aber weil dieses Jahr mit Abstand eines der ungewöhnlichsten war, nur virtuell. 

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