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Auf dem Holzweg? Jagdstrecke im brandenburgischen Sauen (Oder-Spree). Nach Ansicht von Brandenburgs Nabu-Vorstand Helmut Brücher sind die Jäger schuld an den steigenden Tierbeständen im Land.

© dpa

Brandenburg: „Jägern geht es nur um Trophäen“

Nabu-Landesvorstand Helmut Brücher über Gründe für den Anstieg der Reh-, Hirsch- und Wildschweinbestände in Brandenburg – und die für ihn richtige Art zu jagen

Herr Brücher, die Wildtierbestände in Brandenburg haben zuletzt deutlich zugenommen. Landwirte und Forstleute beklagen zunehmende Schäden durch den Appetit der Tiere auf junge Baumtriebe und Feldfrüchte. Gefordert wird eine intensiviere Bejagung. Zu Recht?

Besser wäre eine geänderte Bejagung. Verstärkung heißt ja einfach nur mehr, aber weiter wie bisher.

Was läuft aus Ihrer Sicht bisher falsch?

Die Grundfrage ist doch, haben wir trotz oder gerade wegen der Jagd so viele Paarhufer, also Rehe, Hirsche und Wildschweine. Tatsache ist, dass die Jäger durch die Fütterung und Kirrung der Tiere, also das Anfüttern für den Abschuss, eine natürliche Selektion, zu der auch die Wintersterblichkeit gehört, verhindern. Die von der Jägerschaft immer so hochgehaltene Hege, stellt in der Praxis nichts anderes dar, als die einseitige Förderung von guten Tieren, die der Jäger gerne erlegt und teilweise sogar die Vernichtung von vermeintlich bösen Predatoren, die aber im Naturhaushalt eine wichtige Aufgabe haben. Insbesondere bei Wildschweinen führt dies dazu, dass die Tiere das ganze Jahr über, auch schon im jungen Alter, Nachwuchs bekommen und dieser Nachwuchs auch bei Frostlagen überleben kann. Die bisherige Jagdmethode einer fast ganzjährig ausgeübten Jagd vom Hochsitz aus erfordert es, dass der Jäger dafür sorgt, dass die Tiere, die er erschießen möchte, bei ihm am Ansitz vorbeikommen. Das erfordert Fütterung, Kirrung und hohe Wildbestände.

Die Jäger haben also ein besonders großes Interesse an hohen Wildbeständen?

Ja.

Bislang hieß es immer, vor allem die Landwirtschaft mit ihrem großflächigen Energiemaisanbau sei Schuld an der Vermehrung des sogenannten Schalenwilds. Ist das also falsch?

Die Maismonokulturen beeinträchtigen sicherlich die Jagd, insbesondere die auf Wildschweine. Aber die seit Jahrzehnten explodierenden Paarhuferbestände konnten bereits vor dem intensiven Biogasmaisanbau beobachtet werden, sodass die alleinige Schuldzuweisung auf den heutigen Maisanbau die Methode Haltet den Dieb ist.

Wie müsste Jagd heute aussehen?

Die praktisch ganzjährige Jagdzeit macht die Tiere scheu, und zwar jedem Menschen gegenüber, da die Tiere nicht zwischen Jägern, harmlosen Spaziergängern und Joggern unterscheiden können. Das führt dazu, dass sich der Tagesrhythmus der Tiere zur Nacht hin verlagert und die Tiere sich tagsüber nicht auf offene Flächen trauen, sondern in den Wald zurückziehen. Dies führt wiederum zu forstwirtschaftlichen Schäden, aber auch zu ökologischen Schäden, weil nur noch wenige Nadelbaumarten eine Chance haben aufzuwachsen. Insbesondere der in Brandenburg beabsichtigte Waldumbau, weg von der Kiefer hin zu wertvollen und klimastabilen Mischwäldern, wird durch den Wildverbiss fast flächendeckend verhindert. Das Land stellt ohnehin seit Jahren nur minimalste Beträge für die Förderung des Umbaus zur Verfügung. Hier muss es eine radikale Priorisierung der Fördermittel zugunsten der Waldumwandlung geben. Nach wie vor beträgt der Anteil der Kiefer rund 90 Prozent. Was wir also brauchen, sind kurze Jagdzeiten mit einer intensiven und effektiven Bejagung. Dann brauchen wir ein weg von der Einzelansitzjagd hin zu einer großflächigen, revierübergreifenden Bewegungsjagd, die zwar eine kurzzeitige, intensive Störung verursacht, gleichzeitig aber hohe Erlegungszahlen ermöglicht. Das bedeutet aber für den einzelnen Jäger, dass er nicht mehr ganzjährig seine Freizeit mit dem Abschuss von Tieren verbringen kann, sondern sein Hobby zeitlich einschränken muss. Dazu sind die Jäger leider nicht bereit. In den Eigenjagdbezirken des Nabu in Brandenburg wird mit wenigen Jagden im Herbst ein Mehrfaches an Paarhufern erlegt, als dies bei ganzjähriger Bejagung auf den übrigen Flächen der Landes der Fall ist.

Ein landläufiger Vorwurf ist, den Jägern gehe es ohnehin nur um die Trophäen. Stimmt das?

Ja, das ist so. Zum Beispiel darf der Rehbock nur von Mai bis August bejagt werden. Auf winterlichen Jagden dürfen nur weibliche Rehe erlegt werden, weil zu diesem Zeitpunkt die Rehböcke kein Gehörn auf dem Kopf haben. Die derzeitigen Jagdzeiten sind rein nach Trophäengesichtspunkten ausgerichtet. Die Konsequenz daraus ist, dass bei herbstlichen Jagden ein Reh erst nach der Geschlechtsbestimmung beschossen werden darf. Dieses ist jedoch wegen des fehlenden Gehörns nur nach intensiver Beobachtung möglich, sodass 90 Prozent der Abschusschancen vertan werden. Deshalb müssten die Jagdzeiten auf den Herbst konzentriert werden und der Abschuss geschlechts- und altersneutral erfolgen.

Für etwaige Schäden auf dem Feld und im Wald muss bislang der jeweilige Jagdpächter aufkommen. Das wäre demnach ja auch gerecht?

Grundsätzlich ist das richtig. Der einzige, der durch richtige Jagdmethoden Schäden in Wald und Landwirtschaft vermeiden kann, ist der Jagdpächter.

Inwiefern könnte künftig der Wolf ein Korrektiv für die wachsenden Hirsch-, Reh- und Wildschweinbestände sein?

Ein Wolfsrudel lebt auf circa 300 Quadratkilometern Fläche. Auf gleicher Fläche jagen Hunderte von Jägern. Der Wolf ist gar nicht in der Lage, die Wildbestände innerhalb seines Territoriums effektiv zu verringern. Insbesondere dann nicht, wenn diese vom Jäger im Rahmen einer Viehzucht sogar noch massiv gehegt und gefüttert werden. Auch eine Erhöhung des Wolfsbestandes in Brandenburg führt nicht dazu, dass auf einer Fläche mehr Wölfe vorhanden sind als bisher, da in einem Revier immer nur ein Rudel lebt. Eine Erhöhung der Zahl führt also nur zu mehr Rudeln und zur Besiedlung von bisher vom Wolf ungenutzten Gebieten. Die Wolfsdichte also bleibt weitgehend immer gleich.

Das Gespräch führte Matthias Matern

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