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Irmela Mensah-Schramm: „Notfalls ins Gefängnis“

Irmela Mensah-Schramm hat eine Parole gegen Merkel übersprüht – in Pink. Dafür kam die 70-Jährige, die auch viele Nazi-Sprüche entfernt, vor Gericht

Berlin - Die Zehlendorferin Irmela Mensah- Schramm hat in den vergangenen 30 Jahren etwa 130 000 Nazi-Sprüche und rechte Parolen übermalt oder übersprüht. Dafür wurde sie mit der Bundesverdienstmedaille und vielen anderen Auszeichnungen geehrt. Jetzt allerdings hielt das Amtsgericht Tiergarten die engagierte 70-Jährige der Sachbeschädigung für schuldig und verwarnte sie: Für den Fall einer Wiederholung während einer Bewährungsfrist von einem Jahr droht ihr eine Geldstrafe von 1800 Euro.

Mensah-Schramm hatte den Spruch „Merkel muss weg“ an der Wand eines Zehlendorfer Fußgängertunnels in „Merke! Hass weg!“ verwandelt. Das Gericht wollte das Verfahren einstellen, die Staatsanwältin aber nicht. Die Verwarnung wurde damit begründet, dass eine bereits bestehende Sachbeschädigung erweitert wurde – auch durch Verwendung der auffälligen Farbe Pink.

Frau Mensah-Schramm, mussten Sie auch ausgerechnet Pink verwenden?

Ja, musste ich. Ich habe vergangenes Jahr in Göttingen den Friedenspreis erhalten. Am Tag zuvor hatte ich dort ein Projekt mit Schülern zum Thema „Hass vernichtet“. Der Schulleiter überreichte mir als Dankeschön das pinkfarbene Spray.

Und an jenem Tag hatten Sie das dabei.

Genau. Am 24. Mai 2016 war ich mit zwei britischen Journalisten unterwegs, da stand in schwarzer Farbe „Merkel muß weg“. Auch noch falsch geschrieben.

Das Gericht hat Sie auch deshalb verwarnt, weil der Schriftzug „Merkel muss weg“ anders als Hakenkreuze nicht verboten sei. Leuchtet Ihnen das ein?

Nein, ganz und gar nicht. In einer Reihe mit jenen, die „Merkel muss weg“ skandierten, marschieren oft Leute mit Plakaten, die Merkel am Galgen zeigen oder die „Volksverräter“ brüllen. Das ist vielleicht nicht verboten, aber auf jeden Fall ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Ich bin keine Anhängerin von Merkel, aber auch sie hat ein Recht darauf, menschenwürdig behandelt zu werden.

Wer hat Sie denn angezeigt?

Das waren wohl sogenannte besorgte Bürger, die bei der Polizei anriefen. Zwei Beamte erstellten die Anzeige. Einer fragte mich: „Würden Sie denn die Merkel wählen?“ Das fand ich schon bezeichnend.

Wie meinen Sie das?

Bei so einer Kleinigkeit, solchem Pipifax, tritt die Polizei groß in Aktion. Bei unzähligen Hass- und Rassismussprüchen oder Hakenkreuzen passiert gar nichts. Deshalb bin ich ja seit 30 Jahren aktiv. Damals tauchten in Zehlendorf ständig Nazi-Parolen auf. Die Polizei sagte nur, die Demokratie müsse das aushalten.

Da haben Sie zur Selbsthilfe gegriffen.

Ja, genau. In ganz Deutschland, aber auch in Italien oder Finnland, habe ich Aufkleber entfernt, rassistische oder antisemitische Parolen übermalt oder übersprüht und versucht, Hass in Liebe oder wenigstens in Achtung zu verwandeln.

Sie wurden dafür oft angegriffen, oder?

Ja, in Dresden und auch in Berlin. Einmal haben mir Neonazis mit einem Stein fast das Gesicht zertrümmert. Fast mehr geschmerzt hat mich die Ignoranz der Polizei. Als ich beispielsweise den Slogan „Moslems ins Gas“ übermalte, fragte mich ein Beamter: „Ist das Ihr Hobby?“ Aber nach dem Urteil jetzt bekomme ich auch viel Zuspruch. Das tut gut.

Ihre Verwarnung ist noch nicht rechtskräftig. Werden Sie in Berufung gehen?

Auf jeden Fall. Und weitermachen, das habe ich schon im Gericht gesagt. Notfalls gehe ich dafür auch ins Gefängnis.

Warum tun Sie das alles?

Weil damals in Hitlerdeutschland zu wenige Menschen was getan haben. Das können wir heute nicht wiedergutmachen. Aber wir können, nein – wir müssen aufpassen, dass so etwas nie wieder passiert. Und etwas gegen den Hass, der immer stärker wird, tun.

Das Interview führte Sandra Dassler

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