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Interview zum FC Energie: „Wer kannte denn Cottbus?“

Ex-Landrat Dieter Friese über seinen Fußballklub und die Folgen, die der drohende Abstieg hätte

Herr Friese, Sie waren 16 Jahre lang Landrat im Spree-Neiße-Kreis, der Cottbus umschließt. Welche Bedeutung hat der FC Energie für diese Region?

Eine sehr große. Und zwar nicht nur als direkter Wirtschaftsfaktor, sondern vor allem als Marke.

Dieter Friese, 64, war bis 2010 Landrat für die SPD im SpreeNeiße-Kreis. Zuvor hatte es innerparteiliche Querelen um ihn gegeben. Er sitzt im Verwaltungsrat von Energie Cottbus.

Dann wäre der Abstieg aus der Zweiten Bundesliga eine Katastrophe?

Eine Katastrophe nicht gerade, so würde ich nur etwas wie einen Tsunami bezeichnen. Aber es hätte negative Auswirkungen auf viele Menschen und wäre sehr bedauerlich.

Sie sind jetzt Rentner?

Ja, ich tue nur noch das, was mir Spaß macht.

Gehört die Tätigkeit im Verwaltungsrat von Energie Cottbus dazu?

Generell ja. Momentan kann ich allerdings nicht behaupten, dass es Spaß macht, Energie-Fan zu sein. Da müsste man schon masochistische Veranlagungen haben.

Der Verein wird bei einem Abstieg massiv sparen müssen, oder?

Ja, das trifft dann viele – auch das Funktionsteam, auch die Geschäftsstelle.

Auch Hotels und Gaststätten?

Sicher würde weniger Publikum kommen. Aber wer jetzt nur wegen der Fußballfans überleben könnte, hätte ohnehin was falsch gemacht.

Was meinen Sie damit, dass „die Marke“ das Wichtigste für die Region sei?

Gegenfrage: Wer hat denn vor dem Aufstieg von Energie in die Zweite und später dann mehrfach in die Erste Liga Cottbus gekannt? Beziehungsweise – warum hätte man Cottbus kennen sollen?

Zum Beispiel wegen der Bundesgartenschau im Jahr 1995?

Ach herrje, das ist doch nicht nachhaltig. Oder wissen Sie noch, wo die letzte oder vorletzte Bundesgartenschau war? Aber Fußballbegeisterte gibt es viele und überall auf der Welt.

Welt ist vielleicht ein wenig übertrieben, oder?

Na ja, als ich das letzte Mal in Israel war, hat mich der Taxi-Fahrer, der mich in Tel Aviv vom Hotel abholte, gefragt, wo ich herkomme. Und mir dann aus dem Stegreif sagen können, wie Cottbus am Tag zuvor gespielt hatte.

Höre ich da ein wenig Stolz heraus?

Ja, natürlich. Das wäre übrigens ein weiterer Nachteil bei einem Abstieg: Die Menschen hier identifizieren sich schon mit diesem kleinen Klub aus der abgelegenen Lausitz, der schon oft totgesagt wurde, aber immer noch da oben mitspielt. Das Selbstwertgefühl würde leiden.

Aber die Identifikation geht nicht so weit, dass die Fans jetzt zu Tausenden ins Stadion strömen, um „ihren“ Klub zu unterstützen.

Das ist so, leider. Es dürften nicht nur 7000 im Stadion sein. Da müssten mindestens doppelt so viele kommen, um ihre Mannschaft zu unterstützen.

Vielleicht ist der schlechte Tabellenplatz – Cottbus ist Letzter – auch schuld daran.

Vielleicht wirkt sich das tatsächlich auf die Spieler aus. Aber es ist keine wirkliche Erklärung. Die Spieler sind eigentlich gut, der Verein ist wirtschaftlich gesund – ich wundere mich nur, warum Fußballprofis so wenig Kampfgeist zeigen. Aber vielleicht kommt es ja in der zweiten Hälfte. Ich bin Optimist: Noch ist Cottbus nicht verloren.

Das Gespräch führte Sandra Dassler.

ENERGIE COTTBUS

LETZTER IN DER TABELLE

Energie Cottbus hat in der zweiten Liga in 19 Spieltagen nur 13 Punkte erzielen können. Energie ist damit Letzter. Der Vorletzte, Dynamo Dresden, hat immerhin schon 21 Punkte. Beim nächsten Spiel am 7. Februar treffen die Lausitzer auf den Tabellenneunten Sandhausen. Das Stadion der Freundschaft fasst 22 500 Besucher. Der Verein kaufte es im Jahr 2011 von der Stadt Cottbus für 1,95 Millionen Euro.

DIE GROSSEN ERFOLGE

Nach der Wende waren viele große Ostklubs gescheitert (Dresden, Magdeburg, Leipzig), das kleine Cottbus zog vorbei. Energie stand Ende der 90er im großen DFB-Pokalfinale in Berlin, 2000 gab es den größten Erfolg unter dem legendären Trainer Ede Geyer mit dem Einzug in die erste Liga, was in der Region ungeheure Euphorie auslöste. In der ersten Liga konnte sich der Verein drei Jahre halten, bis 2003 der Abstieg in die Zweitklassigkeit folgte. Nach weiteren drei Jahren konnte sich Energie wieder in die erste Liga kämpfen, um dort nach erneut drei Jahren wieder in die zweite Liga abzusteigen. (sik)

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