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Frank Torsten Hufert, leitet die Untersuchungskommission zum Corona-Ausbruch am Bergmann-Klinikum

© Stadt Potsdam/Robert Schnabel

Interview | Virologe Frank T. Hufert: "Örtliche Ausbrüche können sich sehr schnell ausbreiten"

Es war ein Fehler, nicht die komplette Nachtschicht im Briefzentrum in Stahnsdorf in Quarantäne zu schicken, nachdem mehrere Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet wurden, sagt der Virologe Frank Torsten Hufert im Interview mit den PNN. 

Von Eva Schmid

Stahnsdorf/Potsdam - Herr Hufert, in Stahnsdorf haben sich in einem Briefzentrum in wenigen Tagen acht Mitarbeiter infiziert. Zu welchen Maßnahmen würden Sie jetzt raten?

Ich kenne die Situation vor Ort nicht, aber sicher wäre es, wenn frühzeitig und umfassend mögliche betroffene Mitarbeiter in Quarantäne geschickt werden. Die aktuellen Ausbrüche nach einem Gottesdienst in Frankfurt und einem Restaurantbesuch in Leer sollten uns eine Lehre sein. Diese zeigen deutlich, dass enger Kontakt, das Fehlen eines Mund-Nasen-Schutzes und der längere Aufenthalt in Räumen mit mehreren Personen ein Risiko darstellen. Das Virus ist nicht verschwunden und örtliche Ausbrüche können sich sehr schnell ausbreiten.

Das zuständige Gesundheitsamt hatte überlegt, die betroffene Nachtschicht, in der ein Infizierter arbeitete, komplett unter Quarantäne zu stellen. Das wurde wieder verworfen. Jetzt werden Betroffene erst isoliert, wenn positive Ergebnisse vorliegen. Ein Fehler? 

Ja, denn die Übertragung erfolgt auch, ohne dass Symptome vorliegen. Weitere positiv Getestete werden somit erneut andere infizieren. Nur eine Quarantäne kann das verhindern. Quarantäne bedeutet auch einen wirtschaftlichen Schaden für das Unternehmen, der allerdings noch viel größer wird, wenn in Folge des Ausbruchs das ganze Zentrum geschlossen werden müsste. 

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Vom zuständigen Gesundheitsamt heißt es derzeit, dass es rechtlich gesehen schwierig sei, einen Privatbetrieb in Quarantäne zu schicken. Was ist damit gemeint?

Ich kann mir vorstellen, dass es dabei um Haftungsansprüche geht. Also dass Unternehmen den Kreis haftbar machen können für einen entstehenden wirtschaftlichen Schaden – sollten die Maßnahmen nicht gerechtfertigt sein.

Es wird befürchtet, dass sich Mitarbeiter in den Pausen sowie vor oder nach Schichtende zu nahe gekommen sein könnten. Daher rät das Gesundheitsamt des Kreises jetzt allen Mitarbeitern, besonders achtsam zu sein, bis die Tests ausgewertet sind. Was halten Sie davon? 

Nicht viel. Der wichtigste Schutz ist: Abstand halten, einen Mund-Nasen-Schutz tragen, und zwar die ganze Schicht über! Das sind die Regeln, diese sollten als Dienstanweisung auch festgelegt sein. Wer bei einem Plausch mit dem Kollegen den Mund-Nasen-Schutz abnimmt, verstößt dagegen. In der aktuellen Situation muss der Arbeitgeber auch darauf achten, dass es keinen Zugang - oder wenn nur einen absolut reglementierten Zugang - zu Sozialräumen gibt, Küchen und Kantinen für die Mitarbeiter sollten sowieso geschlossen sein.

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Wie leicht breitet sich das Coronavirus in einem solchen Großbetrieb aus?

An einem Ort, wo viele Menschen in einem geschlossenen Raum arbeiten, ist auch die Gefahr gegeben, dass man sich dort nicht nur über Tröpfchen, sondern auch über die Aerosole in der Luft infiziert. Deswegen ist für einen mehrfachen und kontinuierlichen Luftwechsel in der Werkhalle Sorge zu tragen. Ich weiß nicht, ob in einer großen Werkshalle so einfach auf Durchzug gelüftet werden kann. 

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