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Jutta Jahns-Böhm sitzt für Brandenburg im Bundesrat. 

© Benjamin Lassiwe

Interview | Staatssekretärin Jutta Jahns-Böhm: "Ausdruck von von fast 72 Jahren erfolgreichem Föderalismus"

Heute tagt der Bundesrat zum 1000. Mal seit Gründung der Bundesrepublik 1949. Staatssekretärin Jutta Jahns-Böhm ist in dieser Legislaturperiode ständige Vertreterin für Brandenburg in der Länderkammer. Ein Gespräch über die Arbeit des Rates, die Einheits-Expo und ihre Themen für 2021. 

Frau Jahns-Böhm, was bedeutet die 1000. Bundesratssitzung aus Sicht Brandenburgs?

Freude und Stolz! Es ist ein besonderer Moment, denn er macht uns bewusst, dass es den Bundesrat als Verfassungsorgan seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes gibt. Am 7. September 1949 war die erste Sitzung in Bonn. Die 1000. Sitzung am 12. Februar ist Ausdruck von Kontinuität und von fast 72 Jahren erfolgreichem Föderalismus. Und Brandenburg ist seit über 30 Jahren mit dabei. Die Aufgaben des Bundesrates, darunter insbesondere die Mitwirkung bei der Gesetzgebung auch mit dem Blick aus Ländersicht haben sich seitdem nicht verändert. Die enge Einbindung der Länder, die die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Bund vertreten, ist eine Erfolgsgeschichte, die Deutschland guttut. Deshalb freue ich mich, dass Bundespräsident Steinmeier die 1000. Sitzung mit einer Rede im Bundesrat würdigt.

Das Land war letztes Jahr Vorsitzland - was hat man konkret in diesem Jahr erreicht?

Coronabedingt gab es ein solches Jahr der Präsidentschaft noch nie. Auf der Haben-Seite steht für mich vor allem: Unser Motto „Wir Miteinander“ hat die Präsidentschaft und das ganze Land geprägt und passte sehr gut auch auf die unerwartete Corona-Situation. Es war sehr zeitgemäß. Die Pandemie zeigt bis heute sehr eindrücklich, dass die Länder mit der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag bei der Gesetzgebung im Krisenfall unter Zeitdruck gut, schnell und konstruktiv zusammenarbeiten und demokratische Kompromisse aushandeln können. Sinnbild dieses Miteinanders war für uns alle die Einheits-Expo zum 30-jährigen Jubiläum der Deutschen Einheit. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht. Statt ein großes Bürgerfest am 3. Oktober zu feiern, haben sich die Verfassungsorgane, die Bundesländer und viele andere Partner über 4 Wochen in Potsdam präsentiert. Deutschland hat in dieser Zeit auf Brandenburg und Potsdam geblickt, die Ausstellung hat viele Menschen aus ganz Deutschland angezogen. Ein Erfolg war es auch, dass der Bundesrat auf Initiative von Dietmar Woidke die Viadrina-Professorin Ines Härtel als erste ostdeutsche Richterin ans Bundesverfassungsgericht gewählt hat. Zur ehrlichen Bilanz gehört aber, dass coronabedingt die Begegnungen mit den Menschen im Land und auf Auslandreisen leider fast nicht möglich waren. Auch der Bundesrat musste weitgehend auf Videokonferenzen umstellen. 

Brandenburg wird zum zweiten Mal in seiner Geschichte von einer Dreier-Koalition regiert. Was bedeutet das für die Arbeit im Bundesrat?

Die Koordinierung ist aufwändiger. Es zeigt sich aber, dass bei vielen Themen ein Konsens der Ressorts gut zu erreichen ist. Aber natürlich haben wir auch in jeder Bundesratsrunde Tagesordnungspunkte, bei denen es unterschiedliche Positionen gibt. Das ist normal. Und das wird dann eben im Kabinett besprochen. Wir versuchen zwar – getreu unserem Koalitionsvertrag – Enthaltungen zu vermeiden, aber das kann nicht immer gelingen. 

Der Bundesrat kommt am Freitag zur 1000. Sitzung zusammen.
Der Bundesrat kommt am Freitag zur 1000. Sitzung zusammen.

© dpa

Wo hat das Land mit der neuen Koalition neue Positionen eingenommen, die Brandenburg vorher so nicht hatte?

Bündnis90/Die Grünen kümmern sich sehr um Klimaschutz und Tierwohlthemen. Die CDU bewegt natürlich das Feld der Inneren Sicherheit, wobei das schon immer ein wichtiges Thema war. Die SPD engagiert sich stark beim Thema Energiepolitik, hier insbesondere dem Einsatz und der regionalen Nutzung erneuerbarer Energien. Das ist und bleibt für das Energie-Land Brandenburg von größter Bedeutung. In der Coronapandemie haben zudem soziale Belange noch einmal einen besonderen Stellenwert bekommen. Ministerpräsident Woidke moderiert zwischen unseren Partnern sehr fair. Entscheidend ist, was für Brandenburg herauskommt und welchen Einfluss unsere Entscheidungen auf das ganz konkrete Leben der Menschen haben. Denn darauf kommt es an.

Wie schwer ist die Abstimmung zwischen den Ressorts?

Zwischen den Ressorts besteht eine professionelle, vertrauensvolle und eingespielte Zusammenarbeit. Wir sind im Bundesratsverfahren ja in einem engen Zeitkorsett. Deshalb konzentrieren wir uns auf die strittigen Punkte. Argumente werden ausgetauscht, gemeinsam wird nach Kompromissen gesucht. Dort, wo das auf Arbeitsebene nicht gelingt, kommen die Staatssekretäre ins Spiel. Wir einigen uns in vielen Fällen gut. Die wirklich schwierigen Themen landen im Kabinett. In besonderen Fällen wird erst unmittelbar vor dem Bundesratsplenum in einem Gespräch des Ministerpräsidenten mit seinen beiden Stellvertretern das Stimmverhalten festgelegt. Alle sind um gute Kompromisse bemüht. Genau das zeichnet diese Koalition aus. 

Welcher Minister legt am meisten Wert darauf, im Bundesrat präsent zu sein? Wen müssen Sie zum Jagen tragen?

Niemanden muss ich zum Jagen tragen. Die Bedeutung des Bundesrates ist allen bewusst. Ministerpräsident Woidke nimmt in der Regel an allen Sitzungen teil. Die stellvertretenden Ministerpräsidenten Michael Stübgen und Ursula Nonnemacher sowie Finanzministerin Katrin Lange wechseln sich häufig im Plenum ab. Auch andere Ministerinnen und Minister sind regelmäßig im Plenum, zum Beispiel um eine Rede zu halten. 

Brandenburg teilt sich eine Landesvertretung mit Mecklenburg-Vorpommern. Bei welchen Themen arbeiten Sie besonders intensiv zusammen? Wo gab es gemeinsame Länderinitiativen?

Das gemeinsame Haus erfordert naturgemäß eine enge Abstimmung im Verwaltungs- und im Veranstaltungsbereich. In Bezug auf den Bundesrat arbeitet Brandenburg mit allen Ländern zusammen, je nach Interessenlage. Da spielt die gemeinsame Landesvertretung keine besondere Rolle. So haben wir im vergangenen Jahr beim Strukturstärkungs- und Kohleausstiegsgesetz eng und erfolgreich mit Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen agiert. Mit Mecklenburg-Vorpommern und weiteren Ländern hat Brandenburg im vergangenen Jahr zwei Entschließungen eingebracht: Zur wichtigen Sektorenkopplung im Energiebereich und zu digitalen altersgerechten Assistenzsystemen. Beide Entschließungen erhielten eine Mehrheit.

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Und wo versteht man in Brandenburg die Politik von Manuela Schwesig nicht? 

Diese Frage verstehe ich wiederum nicht. Manuela Schwesig setzt sich mit viel Elan für ihr Heimatland ein. Mit Brandenburg gibt es da oft große Schnittmengen. Das hat sich zum Beispiel bei der letzten gemeinsamen Kabinettssitzung mit Manuela Schwesig und Dietmar Woidke vor knapp zwei Jahren in Wittenberge eindrucksvoll gezeigt. 

Welche Themen wollen Sie 2021 durch den Bundesrat bringen?

Im Koalitionsvertrag sind zwei Bundesratsinitiativen konkret angesprochen. Eine betrifft die Investitionsfinanzierung von Krankenhäusern. Das ist für Brandenburg ein wichtiges Thema. Durch die Coronakrise ist hier aber bereits vieles in Bewegung gekommen, sodass wir die weitere Entwicklung jetzt genau beobachten werden. Die zweite betrifft die Überführung der verbliebenen BVVG-Flächen in Landesbesitz, also der ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Zudem beauftragt der Landtag die Landesregierung immer wieder, zu bestimmten Themen eine Bundesratsinitiative zu starten. Dazu gehört zum Beispiel das auch emotionale Thema Tierwohl bei Transporten. Was aber nicht jeder mitbekommt: Brandenburg arbeitet durch eigene Anträge in den Fachausschüssen des Bundesrates an allen Gesetzgebungsvorhaben mit, die von besonderem Landesinteresse sind. Die Themen werden uns bis zur Bundestagswahl auch nicht ausgehen. Auf dem Tisch liegen zum Beispiel noch die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, das Verfassungsschutzgesetz, das Baulandmobilisierungsgesetz, das Ehrenamtsstärkungsgesetz, die Mietspiegelreform, Regelungen zu Treibhausgasemissionen, zum autonomen Fahren und zum Tierschutz.

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