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Markus Möller, Präsident des Landesverfassungsgerichts

© Landesverfassungsgericht Brandenburg

Interview | Präsident des Landesverfassungsgerichts: „Oft sind es kleine Dinge, die große Wirkung haben“

Markus Möller, Präsident des Landesverfassungsgerichts, über die Corona-Maßnahmen der Landesregierung, Querelen bei der Besetzung von Landtagsausschüssen und Schäden beim Einparken.

Herr Möller, wie arbeitet das Verfassungsgericht in Zeiten von Corona? 

Das Verfassungsgericht arbeitet nicht wesentlich anders als sonst auch. Wir sind ja ohnehin kein Präsenzgericht. Alle Richter sind hier nur nebenberuflich tätig und nutzen auch zu normalen Zeiten das Homeoffice. Das gilt jetzt auch für unsere Verwaltung. 

Hat es schon Klagen gegen die Corona-bedingten Einschränkungen gegeben? 

Nein, noch nicht. 

Wie schätzen Sie die Maßnahmen der Landesregierung ein? 

Ich habe grundsätzlich schon den Eindruck, dass sich die Landesregierung sehr bewusst ist, welche einschneidenden freiheitsbeschränkenden Maßnahmen sie angeordnet hat und damit verantwortungsvoll umgeht. 

Der Landtag hat am Mittwoch Regeln für ein Notparlament beschlossen. Wie sieht es verfassungsrechtlich damit aus? 

Die zentrale Rolle des Landtags in unserem Verfassungsgefüge darf dabei nicht leiden. Die Repräsentation der Brandenburgerinnen und Brandenburger muss sichergestellt bleiben. Dafür spielt Spiegelbildlichkeit eine Rolle, also die Nachbildung der Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Außerdem muss sich die Opposition Gehör verschaffen können. Das sind Grundsätze, die auch in einer Ausnahmesituation gelten. Das muss man immer im Blick haben, aber es scheint mir in dem Modell des Landtags auch sichergestellt zu sein. Von Bedeutung ist auch, dass das Modell auf der Bereitschaft der Abgeordneten basiert zu sagen: OK, ich sehe, es ist vorübergehend ein Problem, wenn wir in der großen Gruppe zusammentreten. Das scheint mir durchaus ein Weg zu sein, der in dieser Ausnahmesituation für einen befristeten Zeitraum gangbar ist. 

Im Parlament gab es in den letzten Monaten immer auch Diskussionen, weil Ausschussvorsitzende, die der Quote nach auf die AfD entfallen, nicht gewählt wurden. Ihr Gericht hat ja schon einmal zur Frage der Besetzung der PKK geurteilt... 

Es ist fraglich, ob die Rechtsprechung von damals auf den aktuellen Fall wirklich übertragbar ist. Die PKK unterliegt vielleicht anderen Regeln als ein Parlamentsausschuss. Es gibt ja parlamentarische Prinzipien, die letztlich davon getragen sind, dass jeder Abgeordnete dieselben Rechte hat. Dazu gehört, dass er in den Ausschüssen tätig ist. Auch gehört es zu den Rechten einer Fraktion, nach einem verabredeten Verfahren den Vorsitz bestimmter Ausschüsse besetzen zu dürfen. Und es gehört zu den Rechten der Fraktion, zu bestimmen, welche Abgeordneten in welchem Ausschuss tätig sind. Zu den Dingen, die man in diesem Fall bedenken muss, gehört deswegen die Frage, ob andere Fraktionen mittelbar darauf Einfluss nehmen dürfen, wen eine Fraktion in einen Ausschuss entsendet. Das muss man mit allem Vorbehalt sagen und sich gründlich überlegen. Man muss sich jedenfalls klar machen: Die Opposition muss einem nicht gefallen. Sie muss aber grundsätzlich die Möglichkeit haben, nach ihrer Wahl der Mittel tätig werden zu können. 

Ein Thema, das Brandenburg im vergangenen Jahr bewegt hat, ist das Parité-Gesetz. Wie weit sind Sie mit den Klagen dagegen? 

Daran arbeiten wir. Vorbehaltlich weiterer Entwicklungen in der Coronakrise, die wir heute natürlich noch nicht absehen können, haben wir vor, darüber in diesem Jahr zu entscheiden. 

Wie ist denn insgesamt die Arbeitsbelastung ihres Gerichts? 

Die Zahl der Fälle ist gegenüber 2018 etwas gestiegen, bewegt sich aber insgesamt im Durchschnitt der letzten Jahre. Über die statistischen Daten hinaus kann ich das aber noch nicht richtig einschätzen: Wir arbeiten ja erst seit einem Jahr in dieser Zusammensetzung. Was ich sagen kann ist, dass die Zusammenarbeit unter uns sehr gut funktioniert. Die meisten Richterinnen und Richter kannte ich vor einem Jahr nicht persönlich. Aber heute muss ich sagen: Wir sind in einer wirklich guten Zusammensetzung unterwegs.

Gab es in Ihrem ersten Jahr einen besonderen Fall? 

Verfahrensrechtlich interessant war zum Beispiel der Organstreit um den Antrag auf Akteneinsicht der damaligen Abgeordneten van Raemdonck und Bessin im sogenannten Medikamentenskandal 2018, der letztlich unzulässig war. Aber oft entscheiden wir über alltägliche Dinge, die keine Breitenwirkung haben, weil es eben Einzelfälle sind. Nehmen Sie mal einen klassischen Parkschaden. Während einer einparkt, öffnet ein anderer die Tür des Autos daneben, und es kommt zum Schaden. Eigentlich gibt es oberlandesgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, wer welchen Verschuldensanteil dabei hat. Hier hatten wir aber ein Amtsgericht, das das anders sah. Und weil es nur 550 Euro ging, hatte es den Zugang zur nächst höheren Instanz nicht zugelassen. Da hatte das Verfassungsgericht dann gesagt: Wenn ein Amtsgericht von obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht, was durchaus zulässig ist und richtig sein kann, muss es die gesetzlich vorgesehene Überprüfungsmöglichkeit eröffnen. Dasselbe hatten wir dann in demselben Verfahren noch einmal beim Landgericht.

Ist das der Alltag Ihres Gerichts? 

Solche Fälle aus dem Alltagsleben spielen in der täglichen Arbeit eine wesentliche Rolle. Völlig neu war im letzten Jahr die vom Gesetzgeber erstmals geschaffene Möglichkeit, vor der Landtagswahl eine Nichtanerkennungsbeschwerde beim Verfassungsgericht zu erheben, wenn der Landeswahlleiter eine Partei nicht zur Wahl zulässt. Früher konnte man nur nach einer Wahl im Rahmen der Wahlprüfung gegen die Nichtzulassung einer Liste vorgehen. Wir hatten dann auch gleich einen Fall, als der Landeswahlleiter die Lausitzer Allianz, eine sorbische politische Vereinigung, nicht zugelassen hatte. Der Antrag hatte aber letztlich schon aus verfahrensrechtlichen Gründen keinen Erfolg, weil dort Fristen nicht eingehalten worden waren und eine Unterschrift fehlte. Oft sind es eben die kleinen Dinge, die dann große Wirkung haben.

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