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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) rät zu Vorsicht.

© Soeren Stache/dpa

Interview | Ministerpräsident Dietmar Woidke: "Die Probleme der Menschen sind uns bewusst"

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sieht Deutschland in der Coronakrise auf dem richtigen Weg. Für Lockerungen sei es allerdings noch zu früh.

Herr Woidke, Sie waren selbst an Covid-19 erkrankt. Wie haben Sie das erlebt?

Als Ministerpräsident habe ich mich seit Monaten mit der Pandemie befasst, aber es ist eine völlig andere Erfahrung, wenn man selbst das positive Testergebnis bekommt. Ich habe an die Menschen auf der Intensivstation und die vielen, die daran gestorben sind, gedacht. Das macht demütig. Ich hatte nur leichte Symptome, aber natürlich weiß ich nicht, ob längerfristige gesundheitliche Folgen zu befürchten sind. Und ich bin froh, dass ich offenbar niemanden infiziert habe, auch nicht meine Frau und meine Tochter. 

Ich habe oft darüber nachgedacht, wo ich mich angesteckt habe. Ich habe bis heute keine Idee. Alle Kontaktpersonen haben Tests gemacht, nichts wurde gefunden. Das zeigt, mit was für einem gefährlichen, leicht übertragbaren Virus wir es zu tun haben und dass eine Reduzierung der Kontakte der einzige Weg ist, um die Verbreitung einzudämmen.

Wie kann man Menschen zurückgewinnen, die Regierungsmaßnahmen und Parlamentsbeschlüssen immer mehr misstrauen?

Es gibt Menschen, die kann man selbst mit größter Mühe nicht mehr erreichen. Darunter sind einige, die schlicht die Systemfrage stellen und dafür die Pandemie schamlos ausnutzen. Und andere, die unerreichbar in einer abgeschotteten Welt leben. Ich glaube, wir werden sie leider kaum erreichen können. Wir müssen uns aber dringend um die Menschen bemühen, die berechtigte Fragen beantwortet haben wollen, die sich Sorgen machen um ihre Existenz und um die Freiheiten, die sie zu recht lieben. Aber wir können diese Freiheiten nicht absolut über das Recht auf Gesundheit stellen. Ein zweiter Punkt ist die demokratische Legitimierung. Dazu gehört jetzt auch, dass über die Maßnahmen in Parlamenten und Ausschüssen regelmäßig informiert und diskutiert werden muss. Das haben wir in Brandenburg von Anbeginn gemacht.

In den ersten sieben Monaten der Pandemie hatten Sie als Bundesratspräsident an der Nahtstelle von Bund und Ländern eine wichtige Rolle. Hat sich der Föderalismus mit seinem kritisierten Flickenteppich bewährt?

Ja. Der Föderalismus ist – so anstrengend er auch sein mag – eine Stärke Deutschlands. Wir gleichen uns ab, lernen voneinander, reagieren auf regionale Besonderheiten. Wenn man uns mit anderen Ländern vergleicht, sei es beim Einbruch des Wirtschaftswachstums oder bei der Zahl der Kranken und Verstorbenen, dann schneiden zentralistisch geführte Länder wie Frankreich oder Polen viel problematischer ab. Wenn wir unter den Ministerpräsidenten und mit der Bundesregierung um den besten Weg ringen, dann führt das am Ende oft zu genau den richtigen Maßnahmen. Deswegen ist die Kritik an der letzten Runde der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten nicht fair. Wir haben intensiv besprochen, was wir knapp zwei Wochen vorher auf den Weg gebracht haben und welche Konsequenzen und Möglichkeiten sich daraus für die Zukunft ergeben. Das beraten wir am kommenden Mittwoch auch im Lichte der dann aktuellen Zahlen. Es hilft nichts, mit Schnellschüssen zu agieren und sie dann wieder zurückzunehmen.

Braucht es eine weitere Verschärfung, um die Infektionskurve nach unten zu kriegen?

Sicher ist jedenfalls, dass jetzt noch nicht die Zeit für Lockerungen ist. Wir müssen den Unternehmen und den Menschen im Land eine gewisse Planungssicherheit geben. In gut einem Monat ist Heiligabend. Was kann man tun, damit die Menschen in ihrem Umfeld Weihnachten feiern können? Wir wollen mehr Verlässlichkeit geben, zum Beispiel, dass die Schulen offenbleiben. Alle sollten wissen: Wir machen uns das nicht leicht. Die Probleme der Menschen sind uns bewusst. Vielen drückt es auf die Seele.

Advent und Weihnachten ist auch die Zeit der gut besuchten Gottesdienste. Wie stellen Sie sich das in diesem Jahr vor?

Wunderbar gefüllte Kirchen, wie ich sie zu Heiligabend kenne, wird es nicht geben können. Der Weihnachtsgottesdienst sollte allen in guter Erinnerung bleiben und nicht als Massen-Ansteckungsereignis. Wir werden besprechen, welche Formate möglich sein könnten. (KNA)

Zur Person

Dietmar Woidke, 59, ist seit August 2013 Ministerpräsident des Landes Brandenburg und seit Herbst 2019 Regierungschef einer rot-schwarz-grünen Koalition. Er stammt aus Forst (Lausitz).

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