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Ein Rettungswagen verlässt die Notaufnahme am Carl-Thiem-Klinikum (CTM). Das Krankenhaus ist wegen vieler Corona-Patienten an der Belastungsgrenze. 

© ZB

Interview | Mediziner Götz Brodermann: „Können Ungeimpfte alles beanspruchen?"

Als Direktor des Cottbuser Carl-Thiem-Klinikums steht Dr. Götz Brodermann mitten im Sturm der Pandemie. Impfverweigerern rät er zu Verzicht auf Behandlungen auf Intensivstationen.

Herr Brodermann, wie ist denn im Moment die Coronalage im Süden Brandenburgs?
Angespannt. Wir haben Inzidenzen, die deutlich über Tausend liegen, in Cottbus und der Umgebung. Entsprechend hoch ist die Belegung unserer Klinik mit Coronapatienten. 

Wie hoch ist der Anteil von ungeimpften Patienten – und was macht das mit Ihnen als Klinik?
Wir haben sowohl geimpfte als auch ungeimpfte Patienten. Delta führt ja auch zu Impfdurchbrüchen. Auf der Intensivstation sind allerdings rund 80 Prozent der Patienten ungeimpft. Es spielt dabei für uns keine Rolle, ob jemand geimpft oder ungeimpft ist. Aber weil die Intensivstation überbelegt ist, haben wir heute schon sechs beatmete Patienten auf der Überwachungsstation, die wir deswegen freiräumen mussten. Das bringt eine enorme Anspannung in die Organisation. Und bei den Mitarbeitern herrscht zunehmend Unverständnis darüber, dass sich Patienten nicht impfen ließen. 

Gibt es darüber denn Diskussionen? Haben die Patienten begriffen, dass sie einen Fehler gemacht haben?
Teilweise haben sie verstanden. Teilweise haben Sie aber auch Patienten auf der Intensivstation, die die Impfungen immer noch ablehnen. Das ist das, was für unsere Mitarbeiter wirklich frustrierend ist.  

Götz Brodermann hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Landespolitik im Umgang mit der Coronapandemie zu beraten. 
Götz Brodermann hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Landespolitik im Umgang mit der Coronapandemie zu beraten. 

© Carl-Thiem-Klinikum

Sollten Impfverweigerer per Patientenverfügung auf eine intensivmedizinische Behandlung verzichten?
Das ist ein interessanter Aspekt. Insgesamt ist es ja so: Wer "A" sagt, sollte auch "B" sagen. Und wer die persönliche Freiheit über das Allgemeinwohl stellt, muss sich schon fragen, ob er dann noch Teil der Solidargemeinschaft ist. Kann man immer noch alles beanspruchen? Wenn man sich nicht impfen lassen möchte, aus welchem Grund auch immer, dann wäre das schon eine sehr gute Idee, im Fall des Falles dann auch auf die Intensivmedizin zu verzichten. 

In Brandenburg werden Sie immer wieder von der Landesregierung und den Landtagsfraktionen als Berater angefragt. Wie ernst werden Ihre Hinweise genommen?
Die Politik hört auf die Versorgungssituation. Es ist schon bedrückend, auch für die Politik, zu sehen, was jetzt hier passiert. Wir sind im Grunde am Rande der Dekompensation, wir haben einen Zustand erreicht, bei dem wir die Belastungen nicht mehr kompensieren können. Wir mussten auch am Dienstag wieder Intensivpatienten aus Cottbus in andere Häuser verlegen. Denn sonst wären wir als der Schwerpunktversorger in der Lausitz nicht mehr handlungsfähig für andere Notfälle, etwa wenn Patienten nach einem Verkehrsunfall oder mit einem Schlaganfall zu uns kommen. 

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Warum sind Sie als Ratgeber aktiv?
Ich sehe es als meine Aufgabe an, der Politik eine authentische Perspektive auf die Versorgung zu vermitteln. Denn als Außenstehender tut man sich ja schwer, zu sehen, was in den Kliniken und Krankenhäusern gerade los ist. Das Leben geht ja irgendwie weiter. Da tatsächlich zu sehen, was bei uns los ist – und so, wie es uns geht, geht es im Moment ja allen Krankenhäusern in der Lausitz - das verstehe ich als meine Aufgabe. Und ich glaube, die Politik sieht das und hört da auch zu. Und es kommen ja auch die entsprechenden Anfragen. 

Braucht es in Brandenburg einen schärferen Lockdown?
Ich glaube, wir brauchen ein konsequentes Vorgehen gegen das Coronavirus. Wie das jetzt feinabgestimmt ist, ist eine Sache der Politik, das ist deren Aufgabe. Aber was wir brauchen, sind klare Regelungen, die alle verstehen und die dann auch konsequent gemeinsam umgesetzt werden. Dieses Hin- und Herlavieren kann ich verstehen, weil es ein schwieriges Thema ist. Aber was wir brauchen, ist konsequentes Handeln. Und das ist das, was wir politisch brauchen.  

Was heißt das konkret?
Wir brauchen klare und nachhaltige Entscheidungen und keine Scheindiskussionen. Wir müssen nicht darüber diskutieren, ob ein Weihnachtsmarkt eröffnet werden kann. Das ist für mich eine Scheindiskussion. Wir müssen uns um die tatsächlichen Themen in dieser Pandemie kümmern. Und ein Megathema, das wir alle beeinflussen können, ist das Impfen. Wir müssen alle Kraft ins Impfen und die Kontaktbeschränkungen stecken. Das sind die zwei Dinge, die jetzt zu tun sind. 

Und was wünschen Sie sich als Vorbereitung für eine mögliche fünfte Welle?
Dass wir die vierte Welle so nachhaltig durchbrechen, dass wir eine so hohe Impfquote haben, dass es keine fünfte Welle mehr geben wird.

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