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Interview: „Die AfD ist eine nationalpopulistische Rechtspartei“

Er ist enttäuscht über die geringe Wahlbeteiligung - und warnt vor der Afd. Die ist in seinen Augen nicht allein eurokritisch sondern eine nationalpopulistische Rechtspartei. Der Antisemitismusforscher Gideon Botsch.

Herr Botsch, wie lautet Ihr Resümee nach der Landtagswahl?

Es ist sehr enttäuschend, dass sich die Brandenburger Wähler offensichtlich in geringerem Maße durchgerungen haben, zur Wahl zu gehen. Wenn man das Ergebnis und die Wahlbeteiligung durchrechnet, halbiert sich auch das Ergebnis der AfD.

Gideon Botsch, Jahrgang 1970, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Antisemitismusforschung am Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam.

Dennoch hat die AfD für eine Überraschung gesorgt.

In Brandenburg wird die AfD weithin nicht als das wahrgenommen, was sie ist: eine nationalpopulistische Rechtspartei. Trotz der großen Wählerwanderung von der Linken zur AfD kam der größte Anteil – wie in Sachsen und Thüringen – aus der Gruppe der sogenannten anderen Parteien. In Sachsen sind mehrere rechte und rechtsextreme Parteien nicht zur Wahl angetreten, ihre Stimmen dürften zu einem bedeutenden Teil der AfD zugeflossen sein. In Brandenburg sind neben etwa 4 000 NPD- Stimmen vermutlich auch zahlreiche Wähler, die 2009 noch die DVU gewählt haben, unter den Wählern der AfD. Das muss man mit berücksichtigen, wenn man den Anteil klassischer Rechtswähler an der AfD-Klientel realistisch einschätzen will.

Was bedeutet dieses Ergebnis für die Parlamentsarbeit?

Es zeigt, dass man die AfD ernst nehmen muss, man muss sich mit ihr auseinandersetzen – und zwar auch im Interesse der politischen Kultur in diesem Bundesland. Bisher kaum beachtet wird die enge Verbindung der AfD mit der Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Sie erfüllt eine wichtige Funktion an der Scharnierstelle zwischen extremistischen und nicht-extremistischen Positionen, zwischen Nationalkonservatismus und extremer Rechter.

Warum ist die niedrige Wahlbeteiligung eigentlich ein Problem?

Niedrige Wahlbeteiligung wird von manchen Politikwissenschaftlern als Ausdruck eines hohen Vertrauens in die Politik gewertet, von anderen als Zeichen für Desinteresse und Frust, nichts ändern zu können. In Brandenburg dürfte eher Letzteres zutreffen. Trotz der passablen Zufriedenheitswerte für Dietmar Woidke lässt die Politik insgesamt aus Sicht vieler Wähler zu wenig Möglichkeiten zur Beteiligung und Umsetzung der eigenen Interessen zu.

Es geht auch anders, wie die Freien Wähler zeigen, die durch ein Direktmandat nun mehrere Abgeordnete im Landtag haben.

Die Freien Wähler in Brandenburg scheinen insgesamt an konstruktiver Politik interessiert zu sein. Der Flughafen BER ist ein Symbol für das von vielen Wählern empfundene Versagen der Politik, die Menschen mitzunehmen. Dennoch ist das Ergebnis vom Sonntag verheerend. Die Politik sollte gut überlegen, wie sie in der Fläche Brandenburgs die Interessen der Bürger berücksichtigt und sie mitnimmt.

Das Gespräch führte Alexander Fröhlich

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