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Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).

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Interview | Bildungsministerin Britta Ernst (SPD): "Es besteht kein Grund für Alarmismus"

Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) über Corona-Fälle an Schulen, eine Verlängerung der Weihnachtsferien und ihren Plan für Brandenburg.

Frau Ernst, Sie haben vergangene Woche gesagt, das Infektionsgeschehen in Schulen sei beherrschbar. Nun haben wir Fälle wie die Sportschule in Potsdam, wo bislang mehr als 70 Lehrer und Schüler in Quarantäne müssen. Kann man das noch beherrschbar nennen? 

Das Infektionsgeschehen geht an Schulen und Kitas nicht vorbei und natürlich sorgt es für Unruhe und Unsicherheit, wenn große Gruppen in Quarantäne müssen – aber die Situation ist keineswegs im ganzen Land so. Ich schaue mir jeden Tag die Zahl der Schulschließungen an. Stand Dienstag waren das sechs von 915 Schulen. Zudem sind an 106 Schulen einzelne Lerngruppen in Quarantäne. Das heißt: An rund 88 Prozent der Schulen haben wir derzeit keine Gruppen in Quarantäne. Deshalb besteht meiner Ansicht nach kein Grund für Alarmismus.  

Wir kennen Fälle, bei denen die Eltern seit Wochen im Homeoffice arbeiten, jeden Kontakt vermeiden – und die nun trotzdem von Corona betroffen sind. Da liegt die Vermutung nahe, dass die Infektionen von den Kindern nach Hause getragen wurden. Wird dieses Risiko unterschätzt? 

Wir können für Brandenburg auf der Basis von Auswertungen sagen, dass die Infektionsraten in Kitas und Schulen unter den Gesamtinfektionsraten liegen, sie sind nur etwa halb so hoch. Unser Eindruck ist, dass das Freizeitverhalten bei den Infektionen eine größere Rolle spielt.  

Die Lernstandserhebungen nach den Schulschließungen im Frühjahr haben ergeben, dass die Wissenslücken bei den Schülern nicht so groß waren wie befürchtet. Warum stellen Sie dann aus Sicherheitsgründen nicht wieder mehr auf Homeschooling um? 

Die Lernrückstände sind nicht zu vernachlässigen. Es gibt Schulen, die am Sonnabend Unterricht anbieten, die Schüler sind teilweise immer noch dabei, versäumten Stoff nachzuholen. Zudem leiden Kinder, wenn sie ihre sozialen Kontakte nicht haben. Das ist der Grund, warum alle Kultusminister und Ministerpräsidenten dafür plädieren, dass Schulen nicht geschlossen werden.  

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Die Länder haben nach den Beratungen mit dem Bund nun den Auftrag, eigene Strategien für die Schulen zu entwickeln. Wie sieht Ihr Plan aus? 

Ich rechne fest mit einer Ausweitung der Maskenpflicht im Unterricht auf jüngere Jahrgänge ab Klasse 7. Das halte ich auch für vertretbar. 

Der Landesschülerrat etwa hat eine generelle Maskenpflicht an den weiterführenden Schulen gefordert. Das Land lehnte das bislang ab. Warum der Sinneswandel? 

Wir waren uns in der Koalition immer einig, dass eine Ausweitung der Maskenpflicht eine Option ist. Für uns war aber wichtig, erst die Beschlussfassung zwischen Bund und Ländern abzuwarten. Mit einer Maskenpflicht in Grundschulen tue ich mich nach wie vor schwer.  

Der Bund hat vorgeschlagen, dass Kinder in der Freizeit nur einen festen Freund treffen dürfen. Was halten Sie davon? 

Ich habe schwer geschluckt, als ich das gehört habe. Auf keinen Fall sollten Jugendliche härtere Einschränkungen hinnehmen müssen als Erwachsene.  

Mit einer Maskenpflicht an Grundschulen tue ich mich nach wie vor schwer.

Britta Ernst

Was ist zusätzlich zur Maskenpflicht, geplant, um das Infektionsgeschehen an Schulen niedrig zu halten? 

Zudem wollen wir in den höheren Jahrgängen den Unterricht entzerren. In den Oberstufen der Gesamtschulen, Gymnasien und beruflichen Schulen können die Schüler gut eigenverantwortlich lernen. Wie das konkret aussehen wird, darüber wird in den nächsten Tagen hart gerungen. Die Infektionszahlen in den Bundesländern sind weiter unterschiedlich, so dass diese nicht zu identischen Schlussfolgerungen kommen.  

Das heißt, es wird keine bundeseinheitliche Regelung geben, sondern jedes Bundesland fährt seinen eigenen Kurs? 

Nein, es soll möglichst eine einheitliche Regelung geben. Darüber, dass wir in den Oberstufen den Unterricht entzerren wollen, gibt es bereits Konsens.  

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und auch das Robert-Koch-Institut schlagen ein Hybridmodell von Präsenz- und Digitalunterricht schon ab einem Inzidenzwert von 50 vor. 

Die Kultusminister haben sich immer dagegen gewehrt, sich an einen Inzidenzwert zu binden. Wenn es in einer Region beispielsweise einen Corona-Ausbruch in einem Schlachtbetrieb gibt und die Infektionszahlen deshalb hoch sind, macht es keinen Sinn, Eingriffe in den Schulen vorzunehmen. Die Hotspot-Definition sehen wir eher ab einem Wert von 200 bis 250 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche.  

Gibt es für Sie seine Schmerzgrenze, einen Wert, ab dem Sie sagen: Jetzt müssen die Schulen wieder geschlossen werden? 

Zur Zeit nicht. Ich finde es nach wie vor richtig, dass wir Kinder und Jugendliche privilegieren und die Eingriffe in den Bildungsbereich klein halten. Die Schulen sind jetzt zwar besser vorbereitet auf einen erneuten Lockdown, aber es gibt weiter Kinder, die zu Hause nicht gut erreicht werden, bei denen die Technik fehlt, auch wenn die Auslieferung der Endgeräte über den Digitalpakt begonnen hat. Und an den Schülern müssen wir uns orientieren.  

Die teils noch immer fehlende Ausstattung ist ein Punkt. Es wird auch kritisiert, dass versäumt wurde, Lehrer im Sommer ausreichend für Digitalunterricht fortzubilden.  

Mein Eindruck ist: Es wird jeden Tag etwas dazugelernt. Gerade in Verbindung mit der Einführung der Schulcloud, die nun von mehr als 500 Schulen genutzt wird, finden viele Fortbildungen statt.  

Es gibt weiter Kinder, die zu Hause nicht gut erreicht werden.

Britta Ernst

Ein anderes Problem ist ausreichend Personal, wenn man Klassen teilt. Sehen Sie da noch Reserven, etwa bei Seminarleitern, die gerade weniger zu tun haben. Könnte man diese für den Unterricht heranziehen? 

Niemand in Deutschland hat doppelt so viele Lehrer und doppelt so viele Räume zur Verfügung, um alle Gruppen zu teilen. Aber: Die Personalausstattung ist in Brandenburg deutlich verbessert worden. Wir haben aus dem Corona-Rettungsfonds 5,5 Millionen Euro bekommen, das entspricht 200 zusätzlichen Vollzeitlehrerstellen. Zudem haben wir das Ganztags- und Wahlfachangebot reduziert, um Lehrer zu entlasten, und durch das Studierendenprogramm rund 230 junge Leute gewonnen, die in den Schulen helfen können.  

Es heißt, dass die freiwilligen Corona-Tests von Lehrern wenig genutzt werden. Würde eine Testpflicht helfen? 

Nein, dafür würden die Kapazitäten gar nicht reichen. Aber wir haben in Brandenburg ein sehr großzügiges Angebot für das pädagogische Personal an Schulen und Kitas gemacht, das auch angenommen wird. Personen, die keine Symptome haben, dürfen sich testen lassen. Wir verhandeln gerade, dass das Angebot verlängert wird, denn es hilft, Ängste zu nehmen. Wenn wir irgendwann über Impfstrategien reden, bin ich überzeugt, dass Schulen und Kitas da auch eine wichtige Rolle spielen müssen. 

Denken Sie über eine Verlängerung der Weihnachtsferien nach? 

Nein. Das ist nur eine Option für Länder, deren Weihnachtsferien am Dienstag oder Mittwoch beginnen. Unsere starten ohnehin am Montag, dem 21. Dezember. Ich freue mich über jeden Tag, an dem Unterricht im Regelbetrieb stattfindet. 

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