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Brandenburg: Interner Machtkampf um Stasi-Check

Justizminister will durchgreifen – Richter halten das für vorgeschoben

Potsdam - Die Opposition spricht von einem Schritt in die richtige Richtung, in der Justiz herrscht Verwunderung, von einem Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und einem Machtkampf im Justizministerium ist die Rede: Wegen neuer Stasi-Fälle will Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) eine Arbeitsgruppe einsetzen, die Personalakten von Richtern, Staatsanwälten und Ministeriumsmitarbeitern auf eine frühere Stasi-Tätigkeit überprüft. Zugleich kündigte er am Donnerstag im Rechtsausschuss des Landtages Umstrukturierungen innerhalb seines Ministeriums an.

Die Forderung der Opposition nach einem umfassenden Stasi-Check aller Richter lehnte Schöneburg zwar erneut ab, deutete aber zugleich Kompromissbereitschaft an. Denn in der rot-roten Koalition ist eine Regelung im Gespräch, um Richter künftig nach Anlass bei der Stasi-Unterlagenbehörde zu überprüfen – dies könnten etwa Bewerbungen und Beförderungen sein. Schöneburg sagte, er könne sich dies lediglich für Spitzenpersonal vorstellen. Je nach dem, wie das neue Stasi-Unterlagengesetz des Bundes ausfällt, könnte eine neue Prüfpraxis auch für Staatsanwälte greifen, hieß es aus der Koalition.

Grund für die interne Prüfung durch eine Arbeitsgruppe des Ministeriums und möglicherweise personelle Konsequenzen in Schöneburgs Haus ist aber nicht der durch das RBB-Magazin Klartext aufgedeckte, im Ministerium aber bekannte Fall eines Staatsanwaltes in Frankfurt (Oder), der als NVA-Offizier seine Kameraden bespitzelt hat und später als Militärstaatsanwalt in der DDR tätig war. Keine Rolle dabei spielte auch der Fall einer Richterin, die am Mittwoch vom Vorsitz einer Kammer des Sozialgerichts Potsdam abgerufen wurde, weil sie selbst als junge Richterin in Berlin Ende der 1980er Jahre fünf Unrechtsurteile wegen Republikflucht fällte und nun Verfahren zu SED-Unrechts bearbeitete.

Anlass für Schöneburgs Vorstoß ist ein „Personalakten-Tohuwabohu“, wie der Minister es nannte. Im Zuge erster Überprüfungen sei das Ministerium bei Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg auf Personalakten von Staatsanwälten gestoßen, sagte Schöneburg. Demnach sind neben einem bekannten Stasi-Fall, dem Frankfurter Ankläger, weitere Fälle aufgetaucht. Konkret geht es um drei Staatsanwälte, die ihren Wehrdienst im Stasi- Wachregiment ableisteten. Bislang gilt dies per Gesetz als hauptamtliche Mitarbeit, wird aber nicht als belastende Spitzeltätigkeit gewertet. Dennoch will Schöneburg jetzt durchgreifen, er setzt auf Zentralisierung. Denn wegen angeblich schlampig geführter Akten und Personalstatistiken sowie dezentraler Aufbewahrung der Akten sei eine Aufarbeitung bislang nur eingeschränkt möglich, sagte er.

Der Vorsitzende des Richterbundes in Brandenburg, Matthias Deller, sprach von einem „Schritt zurück in die dunkelste Vergangenheit der Brandenburger Justiz“. Die Umstrukturierung im Ministerium und bei den Akten sei überflüssig. „Der Anlass scheint vorgeschoben zu sein. Da geht es um andere Interessen.“ Tatsächlich herrscht im Justizministerium ein Tauziehen um den Umgang mit DDR-Juristen, um einen Stasi-Check – und wie weit die rechtlichen Wege ausgereizt werden.

„Es gibt kein Tohuwabohu“, sagte Deller. Schöneburgs Vorgängerin Beate Blechinger (CDU) hatte 2008 verfügt, dass die Personalakten nicht mehr doppelt auch im Ministerium, sondern nur noch bei den zuständigen Behörden, also bei der Generalstaatsanwaltschaft, beim Oberlandesgericht und den jeweiligen obersten Fachgerichten aufbewahrt werden. „Die Aktenführung bei den Obergerichten ist ein Teil der stärkeren Autonomie der dritten Staatsgewalt“, sagte Deller. Dabei gehe es auch um die Personalgewalt, „das ist eine Machtfrage“, sagte Deller. Alexander Fröhlich

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