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Industrie und Handelskammern: Kammerspiele am Hofe

Showdown im Wirtschaftsausschuss: Soll Brandenburgs Rechnungshof künftig die IHKs prüfen dürfen?

Potsdam - Sein Plädoyer ist schon fast zu Ende. Aber dann geht der Potsdamer IHK-Präsident Peter Heydenbluth doch noch auf den deutschlandweit beachteten Skandal um seinen Vor-Vorgänger Victor Stimming ein, der sich in diesen Tagen als Angeklagter wegen Untreue auf Kosten der Kammer vor dem Potsdamer Amtsgericht verantworten muss. Das Timing ist Zufall, hat aber hochaktuell politische Nebenwirkungen in den Landtag hinein. „So etwas darf sich nie wiederholen! Wir haben daraus gelernt, wir haben neue Sicherheitshürden eingezogen. Wir haben aufgeräumt, von Innen heraus“, sagt Heydenbluth. „Wir haben vorgemacht, dass wir als Selbstverwaltungsorgan der Wirtschaft dazu selbst in der Lage sind.“ Man habe alles aufgeklärt, ohne Ansehen der Person. Es sei deutschlandweit einmalig, dass eine Kammer ihren früheren Präsidenten verklagt habe. Man könne das alles selbst.

Dass er sich so ins Zeug legt, hat Gründe. Heydenbluth ist der Erste, der am Mittwoch auf einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Landtages zu einem aktuellen Gesetzentwurf der Grünen spricht. Sie wollen, dass auch in Brandenburg dem Landesrechnungshof ein Prüfrecht bei den Industrie- und Handelskammern eingeräumt wird. Zwei Mal waren die Grünen mit diesem Vorstoß an der Regierungskoalition aus SPD und Linken gescheitert. Doch dieses Mal wackeln erkennbar die rot-roten Reihen. Und selbst von Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) war bislang nicht zu vernehmen, dass er ein Problem damit hätte, wenn die Finanzkontrolleure sich der Kassen der Kammern annehmen.

Doch die drei märkischen Industrie- und Handelskammern in Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus laufen geschlossen Sturm dagegen. Heydenbluth spricht auch im Namen der anderen, gut vorbereitet. Seine Argumente: „Wir sind basisdemokratisch organisiert.“ Und die Vollversammlungen der drei IHKs, „das sind unsere Parlamente“, hätten einstimmige Beschlüsse gegen ein Prüfrecht des Rechnungshofs gefasst – in Vertretung von immerhin 147 000 gewerblichen Unternehmen im Land. Man werde jährlich geprüft, von der bundesweiten Rechnungsprüfungsstelle der Kammern, von ehrenamtlichen Prüfern.

Einer von ihnen, nämlich der Schwedter Sparkassenchef Dietrich Klein, wird ebenso gegen den im Gesetzentwurf vorgesehen „staatlichen Eingriff“ bei den Kammern argumentieren, auch Axel Rickert vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHT) tut dies.

Eine zusätzliche Prüfung der IHKs durch den Rechnungshof, sagt wiederum Heydenbluth, sei Verschwendung von Steuergeldern, zumal die Kammern nicht aus öffentlichen Haushalten, sondern den Beiträgen der Firmen finanziert werden. „Wir lassen uns nicht lumpen, investieren gern“, sagt Heydenbluth. „Aber wir haben ein Problem damit, wenn der Staat vorgibt, dass Geld verschwendet wird.“

Es ist ein starker Auftritt, dem ein ebensolcher folgt, nämlich vom IHK-Kritiker Kai Boeddinghaus vom Bundesverband für freie Kammern. „Was fürchten die Kammern eigentlich?“, fragt der. Und dann berichtet er, dass Rechnungshöfe anderer Länder bei ihren Prüfungen der IHKs regelmäßig Missstände aufgespürt hätten, die die Rechnungsprüfungsstelle des DIHT, „ein Teil des Problems“, oder ehrenamtliche Prüfer eben nicht beanstandet hätten. „Und nachdem der bayerische Rechnungshof dort eine Kammer geprüft hat, wurden bei allen IHKs in Deutschland die Finanzstatuten geändert“, sagt Boeddinghaus, und spielt gleich noch auf den Fall Stimming an. „Man muss nicht weit reisen, um große Skandale zu finden.“ Grünen-Fraktionschef Axel Vogel erinnert daran, dass bereits in vierzehn von sechzehn Bundesländern die Rechnungshöfe auch die IHKs prüfen dürfen, was nur noch in Brandenburg und im Saarland anders sei. In Brandenburgs IHK-Gesetz steht eben bisher, dass der Rechnungshof die IHKs nicht prüfen darf – dies wollen die Grünen streichen lassen.

Natürlich spricht auch Brandenburgs Rechnungshofpräsident Christoph Weiser. „Wir reißen uns nicht um die Prüfungszuständigkeit“, sagt er zu Beginn. Als er weiterspricht, wird aber sofort klar, dass das mitnichten so verstanden werden soll, als ob der Rechnungshof die IHKs nicht prüfen will, ganz im Gegenteil. „Nach unserer Auffassung haben wir das Prüfrecht jetzt schon“, erklärt Weiser. Und zwar unabhängig davon, was im IHK-Gesetz stehe. Sondern nach Bundesrecht, „und das bricht Landesrecht“. Man habe die Prüfungen der IHKs lediglich „zurückgestellt“, da man noch Gerichtsverfahren mit der Rechtsanwaltskammer um die gleiche Frage abwarten wolle. Ende 2017 habe das Potsdamer Verwaltungsgericht geurteilt, dass der Rechnungshof dort das Prüfrecht habe. Nachdem Berufung eingelegt wurde, gehe das Verfahren nun in die nächste Instanz. Außerdem habe man abwarten wollen, so Weiser, wie der Landtag mit dem Gesetzentwurf der Grünen umgehe.

Es ist der CDU-Abgeordnete Dierk Homeyer, der ausspricht, was die von Weiser und Vizepräsident Hans-Jürgen Klees vorgetragene Linie des Landesrechnungshofs in der Konsequenz bedeutet – nämlich, dass der Rechnungshof die IHKs so oder so prüfen werde, „egal, was das Parlament beschließt“.

Freilich, ganz egal ist es nach dem Verlauf der Anhörung nicht. Sollte der der Gesetzentwurf der Grünen zum dritten Mal durchfallen, läuft es nach den einstimmigen Voten der Vollversammlungen auf einen Gerichtsstreit zwischen IHKs und Rechnungshof hinaus. Und wenn er angenommen wird? Potsdams IHK-Geschäftsführer Mario Tobias legte sich auf einen Satz fest: „Wir halten uns an Gesetze.“

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