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Brandenburg: In Berlin soll es wieder Wölfe geben

Das behauptet ein Mann, der ein solches Raubtier in der Silvesternacht in Kladow gesehen haben will. Auch wenn es daran Zweifel gibt – ausgeschlossen ist es nicht, dass Wölfe auch mal durch die Stadt streifen

Von Sandra Dassler

Irgendwie klingt es ja schon nach Jägerlatein: Ausgerechnet in der Silvesternacht soll ein Wolf mitten durch Kladow gelaufen sein? Um 1.36 Uhr will das jedenfalls ein Leser der Berliner Morgenpost fotografiert haben. Unweit des ehemaligen Militärflugplatzes Gatow, keine zehn Meter entfernt, sei das Tier an ihm vorbeigelaufen und habe keine Scheu gezeigt.

Ist es nun also so weit? Muss Liedermacher Rainald Grebe den Text seines Songs „Brandenburg“ umdichten? „In Berlin lässt sich so viel erleben, in Brandenburg soll es wieder Wölfe geben“, sang Grebe zur Häme des hauptstädtischen Publikums und in kaum einem „Polizeiruf“ aus Brandenburg fehlte in den vergangenen Jahren eine nächtliche Szene mit um einsame Höfe streichenden Wölfen. Müssen die nun bald auch in den Berlin-„Tatort“?

Keineswegs, meint der Berliner Wildtierexperte Derk Ehlert. Selbst wenn das Foto echt sei, wäre der Vierbeiner darauf nicht zweifelsfrei als Wolf zu identifizieren, sagte er dem Tagesspiegel. „Das Bild kann auch einen Hund oder einen Wolfshund zeigen. Um sicherzugehen, müsste man noch andere Beweise heranziehen, wie etwa Trittsiegel von der Fährte.“

Wenn es sich aber bei dem fotografierten Tier um einen Wolf handelt, wäre es ein ausgewachsenes weibliches Tier, sagt Ehlert, und das sei ungewöhnlich. „Wenn Wölfe in Berlin auftauchen würden, dann eher Jungtiere.“ Die verlassen nämlich im Alter von zwei Jahren ihr Rudel, um sich ein eigenes Revier zu suchen. „Wir wissen, dass sich die Wölfe von Sachsen und Brandenburg, also vom Südosten, nach Nordwesten ausgebreitet haben“, sagt Ehlert. „Dazu müssen sie entweder um Berlin herum oder eben gegebenenfalls auch mal durch einen Außenbezirk durch.“ Außerdem seien in der benachbarten Döberitzer Heide bereits mehrmals Wölfe gesichtet worden.

Das bestätigt auch Ilka Reinhardt vom Wildbiologischen Institut Lupus in der Lausitz. „Wenn so ein Wolf durch kleinere Siedlungen am Stadtrand läuft, weiß er ja nicht, dass diese schon zum großen Berlin gehören.“ Reinhardt und ihre Kollegen haben einige Tiere mit Sendern ausgestattet und wissen deshalb, welche großen Strecken sie zurücklegen. So seien Wölfe aus der Lausitz bis nach Dänemark gewandert – leider bislang wohl alles Rüden, sodass sich dort noch kein Rudel ansiedeln konnte.

Eine solche Ansiedlung ist in der Hauptstadt ausgeschlossen, sagt Ilka Reinhardt. Dazu fehlten der Platz und vor allem die Ruhe, die Wölfe sehr schätzen. Deshalb haben sie ihre Reviere unter anderem auf den großen und menschenleeren ehemaligen Truppenübungsplätzen in Sachsen und Brandenburg, wo mehr als zwei Drittel der deutschlandweit etwa 30 Wolfsrudel leben. Gefahr gehe von den Tieren nicht aus, sagt Reinhardt.

Wölfe sind normalerweise sehr scheu. Sollte man unvermittelt einem Tier begegnen, das nicht sofort flüchtet, soll man langsam rückwärts laufen, um die Distanz zu vergrößern und notfalls laut sprechen oder in die Hände klatschen. Aber seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland ist noch nie ein Mensch angegriffen worden. Ganz anders sieht es mit anderen Tieren aus. Wölfe reißen nun einmal Rehe, Schafe, Ziegen oder – wie unlängst im südlich von Berlin gelegenen Brück – auch Kälber. Der „böse Wolf“ aus den Volksmärchen hat wohl unter anderem da seinen Ursprung: Wenn eine Bauernfamilie durch Wölfe ihre Tiere verlor, konnte das existenzbedrohend sein. Außerdem waren Wölfe nicht vor der Tollwut gefeit und konnten in diesem Zustand auch Menschen angreifen.

Selbst in Berlin seien schon von einem Wolf getötete Schafe gemeldet worden, sagt Derk Ehlert: „Das war im südlichen Teil Spandaus, hat sich aber nicht bestätigt. Wahrscheinlich handelte es sich um wilde Hunde.“ Selbst Experten haben mit der Bestimmung manchmal Schwierigkeiten. So wurden in Brandenburg kürzlich mehrere Wolfsichtungen gemeldet, die alle auf einen streunenden Tschechoslowakischen Wolfshund zurückgingen – einer Kreuzung zwischen Karpatenwölfen mit Deutschen Schäferhunden.

Mit Sicherheit eine Wölfin war das am vergangenen Sonntag in Hirschfeld im Elbe-Elster-Kreis gefundene Tier. Es lag auf einem Feld – wie schon bei einem im August bei Lieberose getöteten Wolf fehlte ihm der Kopf. „So etwas ist einfach nur unvorstellbar grausam“, sagt Ilka Reinhardt. Das Landeskriminalamt ermittelt, Tatverdächtige gibt es bislang nicht.

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