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Lücken im Netz. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dierk Homeyer, zeigte am Donnerstag bei der Aktuellen Stunde im Landtag, wie viel Brandenburg an Bundesgeld für den Breitbandausbau beantragt hat. Kleiner Hinweis: Nach Mecklenburg-Vorpommern (rot), Sachsen (grün), Sachsen-Anhalt (blau) steht Brandenburg (lila) ganz klein da.

© dpa

Brandenburg: Im märkischen Funkloch

Landtag debattiert Brandenburgs weiße Flecken im Mobilfunk – auf Antrag der Freien Wähler

Potsdam - Ihre erwachsenen Kinder kommen beruflich viel herum in der Welt. Sie haben natürlich das Funktelefon dabei, für Telefonate, für den Internetzugang. „Und die berichten mir regelmäßig, dass es selbst in Afrika besser funktioniert als in Brandenburg“, sagte Iris Schülzke, Abgeordnete der Freien Wähler, irgendwann in der Debatte.

Am Donnerstag waren die leidigen Funklöcher in Brandenburg Thema einer Aktuellen Stunde im Landtag, der ersten, die die vier Abgeordneten mit Gruppenstatus einberufen durften, nachdem sie sich das Recht vor dem Landesverfassungsgericht erst einklagen mussten. Das Thema war lebensnah wie selten im Parlament. Es ist ein Problem, das viele Menschen im Lande ärgert, aber trotzdem in den Auseinandersetzungen um Turbo-Internet und Breitbandausbau in den Hintergrund geraten ist. Jeder kennt Funklöcher wie das zwischen der Autobahnabfahrt Michendorf und Potsdam, wo jedes Gespräch zusammenbricht. Dabei sei es, so heißt es im Antrag der Freien Wähler auf Einberufung der Aktuellen Stunde, es sei „in Notsituationen unabhängig vom digitalen BOS- Funknetz auch vonnöten, dass Privatpersonen per Handy Hilfe rufen können“. Und bestimmte Patientengruppen seien, unter anderem bei der Nutzung mobiler Notrufmelder, auf Netzzugang angewiesen. „Betroffen sind aber auch die Bahnstrecken, die als Hauptpendlerstrecken anzusehen sind.“ Doch in den Regios von Cottbus nach Berlin oder von Falkenberg nach Berlin „ist fast auf der ganzen Strecke kein Netzzugang möglich“. Ähnliches sei von fast allen Regionalbahnstrecken im Land zu berichten.

Und dabei tritt ein Phänomen auf, das es nun überhaupt nicht geben dürfte. „In den letzten Jahren ist es nicht besser geworden, sondern sogar schlechter“, sagte Schülzke, was sie anhand von Beispielen belegte. So würden in Elbe-Elster Funklöcher auftreten, „die es vor einigen Jahren noch nicht gab“, was Firmen in Schwierigkeiten bringe. So gebe es auf der Landesstraße zwischen Herzberg und Doberlug-Kirchhain über viele Kilometer keinen Netzempfang, „stellenweise auch nicht in Cottbus“, ebenso wenig auf der Straße zwischen Ludwigsfelde und Thyrow. Neuerdings gebe es sogar ein Funkloch an der Autobahnabfahrt Potsdam-Babelsberg zur Nutheschnellstraße – also auch im dicht besiedelten Berliner Umland.

Allein daran dass für die Netzbetreiber wie Telekom, Vodafone, o2 oder E-Plus eine vollständige Netzabdeckung im flachen Land zu teuer und aufwendig sei, kann es also nicht liegen. Gleichwohl verweise die Telekom etwa darauf, so schilderte Schülzke, dass „die vielen Naturschutzgebiete in Brandenburg“ für Netzlücken verantwortlich seien.

Scharf kritisierten Schülzke, aber auch Redner der CDU und der AfD, die bisherige Untätigkeit des Landes. Niemand erwarte, dass das Land selbst Mobilfunknetze betreibt, sagte Schülzke. „Aber erwarten kann man, dass die Behörden das Problem anpacken.“ Die Grünen-Abgeordnete Heide Schinowsky machte dafür einen Vorschlag: „Die Landesregierung sollte ein Förderprogramm auflegen, um Wirtschaftlichkeitslücken beim Ausbau eines flächendeckenden Mobilfunknetzes zu schließen.“ Man werde keine „digitale Spaltung in Brandenburg zulassen“, versicherte Anke Schwarzenberg von den Linken. Und Dierk Homeyer, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, schlug einen Bogen zum immer noch zu langsamen Breitbandausbau in Brandenburg. Beides hängt miteinander zusammen, da die Mobilfunkmasten in das Glasfasernetz zum Breitbandausbau eingebunden sind. Mobilfunk und schnelles Internet seien „in der heutigen Zeit Daseinsvorsorge, ja eine zentrale Frage für die Zukunftsfähigkeit Brandenburgs“, sagte Homeyer.

Umso ärgerlicher sei es, dass das Land das milliardenschwere, 2015 aufgelegte Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau verschlafen habe. Homeyer forderte von der Regierung „Leidenschaft und Engagement“ wie in Mecklenburg-Vorpommern, wohin aus dem Programm inzwischen über 709 Millionen Euro geflossen seien, nach Sachsen 211 Millionen Euro, nach Sachsen-Anhalt 48 Millionen Euro, aber nach Brandenburg lediglich elf Millionen Euro für den Kreis Dahme-Spreewald.

Der SPD-Abgeordnete Helmut Barthel überraschte mit einer eigenwilligen Erklärung dafür, dass so viel Geld aus dem Bundesprogramm nach Mecklenburg-Vorpommern oder auch nach Bayern fließt. Der Vorlauf bestimmter Länder habe mit Beziehungen ins Bundesverkehrsministerium zu tun, das vom bayerischen Minister Alexander Dobrindt (CSU) geführt wird. „Das betrifft Bayern. Und es betrifft den Wahlkreis von Frau Merkel“, sagte Barthel. „Beziehungen schaden nur dem, der keine hat.“ Allerdings ging der billige Versuch, so von Brandenburger Versäumnissen abzulenken, nach hinten los. Später ruderte Barthel etwas zurück. Er habe nur auf „Informationsvorsprünge“ hinweisen wollen. Und man solle schon schauen, was man von Mecklenburg-Vorpommern lernen könne.

Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) wies die Kritik der Opposition zurück. Brandenburg, das schon 2012 ein eigenes Programm für den Breitbandausbau mit einem modernen Glaserfasernetz gestartet und 3000 Kilometer verlegt habe, stehe gut da. Nach dem offiziellen „Breitband-Atlas“ der Bundesregierung sei Brandenburg mit einem Versorgungsgrad von 57,2 Prozent Spitzenreiter in Ostdeutschland. 52,8 Prozent sind es danach in Mecklenburg, etwa 51 Prozent in Thüringen und Sachsen. Und es gebe zwar noch Funklöcher in Brandenburg, sagte Gerber. „Aber LTE-Mobilfunk stehe fast überall zur Verfügung“, mit einem Versorgungsgrad von 93,4 Prozent. Dafür, dass die Lücken geschlossen werden, sieht Gerber die Mobilfunkbetreiber und den Bund in der Pflicht.

Das letzte Wort hatte Iris Schülzke von den Freien Wählern. Sie lud Gerber zu einem Praktikum bei einer Firma im Landkreis Elbe-Elster ein, damit er sich einmal von der Realität, vom Ausmaß der Funklöcher, überzeugen könne. Das Problem müsse endlich angepackt werden, „sonst können wir nicht Schritt halten mit Ländern wie Marokko, Schweden oder Finnland“.

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