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Gefährliche Knaller. Sogenannte Polenböller sind in Deutschland illegal, werden aber in großen Mengen über die Grenze geschmuggelt.

© Bodo Marks/dpa

Illegale Silvester-Böller: Die haben einen Knall

Ab heute dürfen Böller verkauft werden. Die Behörden warnen vor illegalem Feuerwerk und schweren Verletzungen. Ein neues Phänomen sind Schallerzeuger, so laut wie ein Düsenflieger.

Der Wetterbericht für Silvester erfreut die Feuerwehr nicht wirklich. Mild und stürmisch soll es werden. Das heißt: Das Risiko, dass Raketen und Böller in Fenster und Balkone fliegen, ist hoch. Ab dem heutigen Donnerstag darf in Berlin und Brandenburg Feuerwerk verkauft werden – ganz legal.

Wie viel illegal nach Deutschland kommt, ist nicht abzuschätzen. Beim Zoll an der Grenze zu Polen hat sich die Menge der beschlagnahmten Kracher in diesem Jahr deutlich erhöht. 2016 stellten Zollbeamte neuneinhalb Tonnen Böller, Kracher und Feuerwerk im brandenburgischen Grenzgebiet sicher. Den Löwenanteil hatte damals ein Fund Ende November 2016 in Südbrandenburg bei Forst ausgemacht – ein Lastwagen hatte ganze fünf Tonnen illegale Pyrotechnik geladen. Das Fahrzeug war nicht gesichert für einen solchen Transport und der Fahrer hatte keine Sicherheitslizenz: Eine große Gefahr im Verkehr.

Wenn Feuerwerkskörper für Stadtfeste in Kleintransportern auftauchen

Mit Sorge betrachten die Zollbeamten, dass unter den Funden immer wieder sehr großes Feuerwerk ist, das für Stadtfeste verwendet wird und nur von geschulten Pyrotechnikern gezündet werden darf. Mitte Dezember zum Beispiel gab es wieder einen großen Fund in Südbrandenburg auf der Autobahn 15: Zweieinhalb Tonnen Knaller, Raketen und Batterien in Kartons, verpackt in einem Kleintransporter. Der Transporter mit niederländischem Kennzeichen war Richtung Berlin unterwegs – an dem Wagen fehlten Warnhinweise zum Gefahrgut.

Weiterhin wird im Nachbarland der Verkauf weitaus liberaler gehandhabt. Ganzjährig können Kracher auf den Märkten gekauft werden. Da es keine regulären Grenzkontrollen mehr gibt, kann der Zoll nur Zufallsfunde im grenznahen Bereich verbuchen. Der Leichtsinn der Käufer sei hoch. „Manchmal sitzen Kinder im Auto, und im Kofferraum stapeln sich Böller und Raketen aus Polen ohne EU-Zertifizierung“, hatte eine Zoll-Sprecherin bereits vor Wochen gesagt.

Was hinter der Oder legal ist, fällt in Deutschland unter das Sprengstoffgesetz. Wer „Polenböller“ im Internet googelt, findet zahllose Seiten, die einen Versand nach Deutschland versprechen. Die Kracher sind oft mit Industriesprengstoff gefüllt und nicht mit dem in Deutschland vorgeschriebenen Schwarzpulver.

Mehr Sprengkraft mit Oxidationsmittel und Metallpulver

Der Begriff „Polenböller“ gilt als Synonym für in Deutschland nicht zugelassene Knallkörper, die eine besondere Sprengkraft haben, wie der Verband der pyrotechnischen Industrie erläutert. Diese Knaller seien an der Lautstärke zu erkennen. Vor allem werden sie in Polen gekauft – daher kommt auch der Begriff. Geschäftsführer Klaus Gotzen sagt, dass diese Knaller der heimischen Feuerwerkindustrie einen Imageschaden verursachen, weil es immer wieder zu schlimmen Unfällen damit komme.

Alle Jahre wieder gibt es durch die starken Kracher schwere und schwerste Verletzungen. Im vergangenen Jahr rückte etwa die Berliner Feuerwehr in der Silvesternacht 1067 Mal zu Rettungseinsätzen aus. Wie viele Bölleropfer es gibt, wird nicht erfasst, da es keine Meldepflicht gibt. Nach Feuerwehrschätzung sind es in Berlin etwa 500 – darunter etwa fünf schwerste Verletzungen wie abgerissene Finger oder Hände.

Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung hat unlängst vor illegalem Feuerwerk gewarnt. Hintergrund ist der „Blitzknallsatz“ – ein Oxidationsmittel in Kombination mit einem Metallpulver. Wegen der Sprengkraft könne es zu Unfällen mit abgetrennten Gliedmaßen kommen, heißt es. Die in Deutschland zugelassenen Knallkörper bestehen hingegen aus Schwarzpulver. Die als „Polenböller“ bezeichneten Knaller werden laut Behörde vor allem in China gefertigt, generell der Haupthersteller von Feuerwerk.

„Sound Emitter“ der Kategorie P1 bis über 120 Dezibel werden eigentlich als Notsignale verwendet

Auch Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) warnte nachdrücklich vor dem Kauf nicht zugelassener Feuerwerkskörper: „Feuerwerk ist für viele ein schönes Ereignis, es darf aber nicht zum Albtraum werden.“ Nicht zugelassene Pyrotechnik sei mit hohen Risiken verbunden. „Mangelhafte Verarbeitung und die Überschreitung von zugelassenen Explosivstoffmengen können selbst bei richtiger Handhabung zu schweren Verletzungen führen“, sagte der Minister.

Neben den Polenböllern haben die Brandenburger Behörden eine neue Gefahr ausgemacht – so genannte Schallerzeuger, („Sound Emitter“) der Kategorie P1. Nach Angaben von Arbeitsministerin Diana Golze (Linke) werden diese als Feuerwerk auf verschiedenen Internetseiten beworben und angeboten. Diese Geräte werden zur Abwehr von Tieren oder als Notsignal verwendet. Mit neuer Verpackung werden sie nun zu Silvester feilgeboten. „Das Abbrennen von Schallerzeugern als Feuerwerkskörper zum Jahreswechsel ist wegen der extremen Schallentwicklung (bis über 120 Dezibel) und der hohen Explosivstoffmenge verboten“, teilten Schröder und Golze mit.

Ein totales Böllerverbot, wie es in einigen kleineren Gemeinden gilt, war vor Jahren vom damaligen Berliner Feuerwehrchef Albrecht Broemme für die Hauptstadt gefordert worden – Unterstützung fand er aber nicht. Verboten ist privates Feuerwerk nur auf der Silvestermeile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule in Berlin. Die Berliner Feuerwehr wird ihr Personal in der Silvesternacht um mehr als das Doppelte auf etwa 1400 Einsatzkräfte verstärken, sagte Landesbranddirektor Wilfried Gräfling am Mittwoch. Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Personalplanung aber reduziert – da waren bis zu 1600 Einsatzkräfte im Dienst. Raketen sollten nur aus Glasflaschen mit sicherem Stand und mit genügend Sicherheitsabstand zu Menschen und Gebäuden gezündet werden, sagte Gräfling. Dass selbst legale Pyrotechnik gefährlich sein kann, hatte er im Vorjahr selbst erlebt. Bei einer Vorführung für Journalisten flogen Gräfling die Querschläger aus einer zugelassenen Feuerwerksbatterie um die Beine. (mit dpa)

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