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Brandenburg: „Ich habe eine große Staatsverdrossenheit in mir“

Klaus Rasch hat seine Frau Susanne Fontaine im Tiergarten verloren. Bis heute hat er keine Antworten auf viele seiner Fragen

Herr Rasch, es ist bald sieben Wochen her, dass man die Leiche Ihrer Frau im Tiergarten gefunden hat. Der Fall hat eine umfassende Debatte über Staatsversagen ausgelöst. Wie erleben Sie diese?

Missstände werden jetzt populistisch aufgegriffen, Politiker wie Mittes Bezirksbürgermeister von Dassel fordern, dass sich dieses und jenes ändern muss. Ich teile diese Ansicht, frage mich aber: Warum ist das nicht längst passiert? Diese Ecke ist nicht erst seit dem Tod meiner Frau gefährlich. Ich bin in den vergangenen Wochen fast täglich dort gewesen, die Stelle ist für mich mit sehr viel mehr Emotionen verbunden als das Grab meiner Frau auf dem Friedhof. Ich wundere mich, warum das Grünflächenamt in der Zwischenzeit nicht Tabula rasa gemacht hat. Solange ich zum Schleusenkrug gehe, gab es schon immer diesen Wildwuchs, das Gelände ist unübersichtlich und düster. Ich erwarte nicht, dass Herr von Dassel persönlich mit der Sense durchgeht, aber ein paar Sofortmaßnahmen hatte ich mir erhofft. Die bringen meine Frau nicht zurück, verhindern aber vielleicht weitere Überfälle. Wenn ich mir überlege, dass sie auf dieser Müllkippe, anders kann man den Platz gar nicht bezeichnen, ihr Leben verloren hat, das tut so weh.

Offenbar gibt es Streit darum, wer in diesem Teil des Tiergartens zuständig ist: Mitte oder Charlottenburg...

Je größer die Verwaltung wird, desto träger wird sie. In Berlin gibt es viel zu viele Zuständigkeiten. Wieso braucht man immer einen Riesenvorlauf? Jeder Amtsleiter ist ein kleiner König, und wenn dem gerade nicht danach ist, findet nichts statt – so scheint es mir. Es fehlt der Druck. Ich glaube auch, dass gewisse Kriminalitätsschwerpunkte geduldet werden von der Polizei, das fängt mit dem Görlitzer Park an und reicht über das Kottbusser Tor bis hin zum Alexanderplatz. Da werden dann Wachen eingerichtet, aber wohl eher Alibi-Stationen. In der Charlottenburger Kantstraße, in meinem Kiez, gibt es einen lebhaften Drogenhandel. Mir werden in dieser Stadt zu viele Schmuddelecken hingenommen.

Auf der Suche nach Ihrer Frau sind Sie durch jeden Busch gekrochen, haben die Obdachlosen persönlich befragt, sagen Sie.

Die meisten Obdachlosen dort sind arme Schweine. Darunter mischen sich aber auch andere Kaliber. Ich kann das nicht begreifen: Wir suchen drei Tage intensiv, auch mit Hunden, dann geht ein Passant kurz austreten und findet meine Frau. Leider habe ich von der Kripo bis heute keine Antwort darauf bekommen.

Wurden Sie über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten?

Kaum. Ich habe mich bei der Kripo überhaupt nicht aufgehoben gefühlt. Ich will nicht bestreiten, dass die sich gut in Täter hineinversetzen können, aber in Opfer und Angehörige wohl eher nicht. Überhaupt wurde ich von der Polizei zunächst nicht ernst genommen. Schon als ich am Morgen nach dem Verschwinden die Vermisstenmeldung am Kaiserdamm aufgab, hielt man mich offenbar für einen überängstlichen Kontrollfreak. Ich kannte meine Frau. Sie hätte sich bei mir abgemeldet. Wir waren 40 Jahre verheiratet. Den offiziellen Obduktionsbericht kenne ich bis heute nicht. Dass die Leiche gefunden wurde, habe ich aus den Medien erfahren. Am selben Tag bin ich abends verhört worden. Da ist mir erst klargeworden, dass ich einer der Hauptverdächtigen bin.

Inzwischen geht man davon aus, dass der vorbestrafte 18-Jährige Ilyas A., der eigentlich gar nicht mehr in Deutschland hätte sein dürfen, Ihre Frau für ein Handy und 50 Euro getötet hat.

Ich finde es geradezu fahrlässig, wie die Innenverwaltung hier mit dem ganzen Thema Abschiebung und Abschiebehaft umgegangen ist.

Ist nach der Festnahme des Tatverdächtigen jemand von der Senatsverwaltung auf Sie zugekommen?

Ich habe nichts dergleichen erwartet, hätte es mir aber doch gewünscht. Nicht, weil ich mich für so wichtig halte, aber ein Wort des Bedauerns hätte gezeigt, dass man dieses Schicksal in der Politik wahrnimmt. Es hätte ja nicht der Bürgermeister anrufen müssen, aber vielleicht ein Stadtrat aus Charlottenburg. Ich glaube, dass unsere Politiker oft nicht mehr wissen, was die Sorgen und Nöte der eigenen Bevölkerung sind. Das ist mindestens so gefährlich wie ein vermüllter Tiergarten. Ich habe eine große Staatsverdrossenheit in mir. Der Staat kann sich nicht um jedes Detail kümmern. Aber ich finde, dass in dieser Geschichte allen Behörden ein Versagen auf ganzer Linie konstatiert werden muss. Das ist einer Stadt wie Berlin doch unwürdig.

Das Gespräch führte Maris Hubschmid

Klaus Rasch, 66, suchte tagelang nach seiner Frau, auch mit Hunden. Warum sie dann einfach im Tiergarten lag, kann er sich nicht erklären. Von der Polizei bekommt er keine Hilfe.

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