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Die Landtagsabgeordneten gedachten vor der ihrer Sitzung der Pogromnacht von 1938. 

© Britta Pedersen/dpa

Hitzige Antisemitismus-Debatte im Landtag Brandenburg: Lautes Schweigen

Der Landtag erinnerte am Mittwoch an die Opfer des Novemberpogroms 1938.In der anschließenden Aktuellen Stunde sorgte die AfD für Provokationen.

Potsdam - Eine knappe Stunde nach der Schweigeminute wird es laut im Landtag. Die von der SPD beantragte Aktuelle Stunde mit dem Thema „Gedenken an die ,Reichspogromnacht' vor 80 Jahren – Jüdisches Leben in Brandenburg heute“ kommt nicht ohne Provokationen der AfD und einen Schlagabtausch über Antisemitismus aus. Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Brandenburg erleben auf der Besuchertribüne die Debatte mit.

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Zunächst scheint es, als würde die AfD nicht ausscheren

Zu Beginn der 67. Sitzung des Landtages am Mittwoch hatten die Abgeordneten mit einer Schweigeminute an die Opfer der Pogromnacht am 9. November 1938 erinnert, bei der in Brandenburg 26 Synagogen und jüdische Glaubensräume durch Nationalsozialisten geschändet, jüdische Bürger diskriminiert und in Konzentrationslager verschleppt wurden. Zunächst sieht es so aus, als würde die AfD-Fraktion bei der Aktuellen Stunde nicht ausscheren. Fraktionschef Andreas Kalbitz erinnert als einer der Redner an den „Schicksalstag“ der Deutschen, den 9. November, beglückwünscht die jüdische Gemeinde dafür, dass das Synagogenprojekt in Potsdam vorankommt – und kann es dann doch nicht lassen den „stark anwachsenden muslimischen Antisemitismus durch unkontrollierte Masseneinwanderung“ anzuprangern. SPD und Linke instrumentalisierten „in scheinheiliger Manier“ das Andenken an die Opfer des 9. November für irgendein Programm gegen Rechtsextremismus und blendeten das Problem der Zuwanderung aus. „Sie sollten sich schämen“, so Kalbitz.

AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz sorgte für Provokationen.
AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz sorgte für Provokationen.

© Britta Pedersen/dpa

Dass in Brandenburg das Problem von Antisemitismus durch muslimische Zuwanderer negiert werde, entspricht dabei nicht den Tatschen. Nach judenfeindlichen Übergriffen in Berlin durch Zuwanderer gingen im April in der Landeshauptstadt rund 350 Menschen unter dem Motto „Potsdam trägt Kippa“ auf die Straße, auch Abgeordnete verschiedener Parteien waren dabei. „Sie sehen den Splitter im Auge des anderen und den Balken im eigenen nicht“, entgegnete Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) auf Kalbitz. Sie machte deutlich, wie gut sich das jüdische Leben in Brandenburg entwickelt hat. 1990 gab es keine einzige jüdische Gemeinde, nachdem vor 1933 rund 9000 Juden in mehr als 20 Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes lebten. Erst ab 1991 gründeten Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion wieder jüdische Gemeinden in Potsdam, Cottbus, Frankfurt (Oder), Brandenburg/Havel, Bernau, Oranienburg und Königs Wusterhausen mit insgesamt 2000 Mitgliedern. 2015 wurde in Cottbus die landesweit erste Synagoge nach 1945 eingeweiht. Auch in Potsdam soll wie berichtet ab 2020 wieder eine Synagoge entstehen – auch wenn noch nicht alle Fragen geklärt sind. „Ich bin froh, dass Juden nach der Erfahrung der Shoa wieder in Brandenburg eine Heimat gesucht und gefunden haben“, so Münch. Mit großer Mehrheit unter Enthaltung der AfD nahm der Landtag einen Entschließungsantrag von SPD und Linke an, mit dem die Erinnerungsarbeit, etwa mit mehr Gedenkstättenpädagogen gestärkt werden soll.

CDU-Chef: „Das Judentum gehört zu Brandenburg“

„Das Judentum gehört zu Brandenburg“, erklärte CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. Auch Andrea Johlige von den Linken und Péter Vida von den Freien Wählern riefen dazu auf, gegen Ausgrenzung und Antisemitismus aufzustehen. Marie Luise von Halem (Grüne) zitierte aus dem aktuellen Brandenburg-Monitor, einer Umfrage im Auftrag der Staatskanzlei. Demnach sind 16 Prozent der befragten Brandenburger ab 16 Jahren der Meinung, dass der Einfluss der Juden auch heute noch zu groß sei. Nur 65 Prozent sind der Ansicht, dass Juden nicht mehr oder weniger Einfluss als andere Menschen auch haben. Laut einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der SPD gab es in Brandenburg im Vorjahr 69 judenfeindliche Vorfälle. 

Laut wird es zum Ende der Debatte als der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion Steffen Königer erklärt, dass AfD-Mitglieder in manchen Restaurants nicht willkommen seien. „Wir werden ausgegrenzt“, ruft Königer. „Das ist unerhört“, empört sich die Landtagsabgeordnete Klara Geywitz (SPD), die eingangs in einer auch von anderen Fraktionen gelobten Rede eindrücklich die Geschehnisse vom November 1938 in Brandenburg geschildert hatte. Damit setze Königer die AfD-Mitglieder mit den NS-Opfern gleich, so Geywitz. AfD-Chef Kalbitz organisiere „mit Pimpfen und in kurzen Hosen den rechten Rand“ seiner Partei, sagte sie in Anspielung auf dessen Teilnahme 2007 bei einem Camp der inzwischen verbotenen rechtsextremen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ)

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