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Das Stadthaus Potsdam wurde 1902 errichtet.

© Hellenthal/Gruss-aus-Potsdam

Historische Postkarten: Wo Wilhelm Kempff wohnte und Lenin stand

Eine Publikation des Brandenburgischen Kulturbundes zeigt historische Potsdamer Postkarten von Anwesen in der Jäger- und Nauener Vorstadt.

Potsdam - Die Architektur des Hauses war avantgardistisch, der Lebensstil seiner Bewohner offenbar sehr großzügig. Eine Sport- und Gymnastikhalle stand für die körperliche Ertüchtigung zur Verfügung. Um sich an frischer Luft zu erholen, konnten die Hausbewohner zwischen mehreren Dachgärten wählen. Zerstreuung fanden sie zudem im hauseigenen Kino. 

Auch eine Spritztour über den angrenzenden Jungfernsee war möglich. Dafür stand ein elektrisch betriebenes Boot zur Verfügung. In der Tiefgarage konnte der Wagen geparkt werden. Möbel nach Entwürfen des Hausherrn sowie eigens kreierte Armaturen im Badezimmer sorgten in dem äußerlich teils würfelartig gestalteten Haus sicher für eine wahrhafte Wohlfühlatmosphäre. 

Viele Jahrzehnte ist dies her, das luxuriöse Anwesen von einst, die Villa Louis Hagen in der Potsdamer Bertinistraße, ist heute total verfallen. Über die frühere Ausstattung dieses damals so mondänen Anwesens berichtete die Potsdamer Kunsthistorikerin Ute Meesmann am vergangenen Dienstagabend in der Aula des Helmholtz-Gymnasiums.

Schon die dritte Veröffentlichung dieses Formats

Anlass dafür war die Vorstellung einer neuen Publikation über die Jäger- und die Nauener Vorstadt. Das 96-seitige Heft, herausgegeben vom Brandenburgischen Kulturbund, zeigt historische Aufnahmen einzelner Anwesen aus diesem nördlichen Bereich Potsdams. Die Fotos stammen zumeist von alten Postkarten.

Das ehrenamtlich arbeitende Redaktionsteam um Ute Meesmann und Kerstin Walter konnte dabei auf die Postkartensammlung des Potsdamers Klaus Hellenthal zurückgreifen. Die neue Publikation mit dem Titel „Jäger- und Nauener Vorstadt auf historischen Postkarten – Ein Spaziergang“ ist bereits die dritte Veröffentlichung dieses Formats zu verschiedenen Potsdamer Vorstädten. 

Die Idee dafür stammt von Kerstin Walter, die beruflich im Sekretariat des Hans Otto Theaters tätig ist. Im Jahre 2014, so schreibt es Walter im Vorwort, habe der Potsdamer Stadthistoriker Hartmut Knitter auf Einladung des Vereins Brandenburger Vorstadt einen Vortrag gehalten, in dem er den Zuhörern anhand alter Postkarten die Geschichte verschiedener Anwesen im dortigen Stadtteil nahebrachte. Hieraus entwickelte sich die Idee für das erste Heft dieser Art, einer Publikation historischer Postkarten mit Motiven aus der Brandenburger Vorstadt, die im Jahre 2015 erschien. Anfang dieses Jahres folgte das nächste Heft. Darin ging es um die Berliner Vorstadt mit ihren teils großzügigen Villen.

Die einmalige historische Beckenanlage im Werner-Alfred-Bad.
Die einmalige historische Beckenanlage im Werner-Alfred-Bad.

© Hellenthal/Gruss-aus-Potsdam

Nun also die Nauener Vorstadt und ihre westliche Schwester, die Jägervorstadt. So manches Haus, das auf den historischen Ansichten zu sehen ist, gibt es heute nicht mehr. Ein Beispiel dafür ist der Kaisergarten, der vor der Wende zum 20. Jahrhundert ein vielbesuchtes Lokal mit einem großen Freiluftbereich war. In der neuen Publikation sieht man eine Postkarte mit mehreren Bildern von dieser Restauration. „Gruss v. Kaisergarten Potsdam am Nauener Thor – Neuer Garten“ steht in gedruckten Lettern darauf. Im Stadtbild sucht man heute vergeblich nach Spuren dieses Gartenlokals. Bereits im Jahre 1902 musste es dem Neubau eines Regierungsgebäudes in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße weichen. Es handelt sich dabei um das jetzige Stadthaus.

Die Stadt hat sich im Laufe der Jahre stark verändert

Wer mit der frisch herausgebrachten Publikation in der Hand – dem Titel des Heftes folgend – einen Spaziergang zu den vorgestellten Anwesen unternimmt, wird es nicht immer leicht haben, die Standorte der früheren Fotografen zu finden. Die Stadt hat sich im Lauf der Jahrzehnte stellenweise stark verändert. Vergleichsaufnahmen von heute finden sich im Heft nicht.

Wer weiß heute schon noch, dass Potsdam einst ein Konzerthaus mit 1300 Sitzplätzen besaß? Gleich neben dem Werner-Alfred-Bad in der heutigen Hegelallee stand das Gebäude, in dessen Saal sogar die Berliner Philharmoniker gastierten. In dem neuen Heft ist ein Bild vom Großen Saal im Konzerthaus zu sehen. Die Aufnahme entstammt einer Postkarte, gestempelt am 26. Mai 1930. In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude von der sowjetischen Besatzungsmacht als Haus der Offiziere genutzt. 

Davor stand einst eine Leninstatue, deren Abbau und weiterer Weg bis zu ihrem Verschwinden in den vergangenen Jahren für einige Schlagzeilen gesorgt hatte. Das Lenindenkmal werde weiterhin gesucht, sagte Ute Meesmann am Dienstagabend. Das Haus selbst, in dem früher die Einwohner Potsdams der Hochkultur und auch Musikern der leichteren Muse lauschten und in dem sich später die Sowjets vergnügten, gibt es nicht mehr.

Eine Eintrittskarte von 1931, die in dem neuen Heft ebenfalls abgedruckt ist, kündigt für den 9. März 1931 einen Auftritt des Potsdamer Pianisten Wilhelm Kempff im Konzerthaus an. Eine Ansicht von Kempffs Wohnhaus in der heutigen Straße Am Neuen Garten ist ebenfalls in der Publikation zu finden, dazu ein Foto, das den Pianisten, der es im Laufe seiner Karriere zu Weltruhm brachte, zusammen mit seinen Eltern, seiner Schwester und dem Architekten Albrecht von Estorff zeigt. 

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„Jäger- und Nauener Vorstadt auf historischen Postkarten – Ein Spaziergang“, für 9,95 Euro in mehreren Potsdamer Buchhandlungen, sowie im Potsdam Museum und beim Brandenburgischen Kulturbund erhältlich

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