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Keine Chance für Genmais. Ab sofort darf auch in Brandenburg genetisch veränderter Mais der Sorte MON 810 weder verkauft noch gepflanzt werden. Viele Landwirte haben ihr Saatgut aber bereits. Nun müssen sie Ersatz kaufen.

© Reiner Weißflog

HINTERGRUND: Landwirte sitzen auf ihrem Gen-Saatgut In fünf EU-Ländern ist der Genmais-Anbau mittlerweile verboten

Das Genmais-Aus trifft Bauern kurz vor der Aussaat. Monsanto soll Ware zurücknehmen, fordert das Land

Von Matthias Matern

Mallnow/Potsdam - Eigentlich hätte die Aussaat in der kommenden Woche beginnen sollen, doch jetzt sitzt Landwirt Sven Riedel, Vorstand der Agrargenossenschaft Agrarprodukte Mallnow/Schönfließ im Landkreis Märkisch-Oderland, auf gentechnisch verändertem Saatgut für rund 50 Hektar Ackerland und darf es nicht mehr in die Erde bringen. Der Grund: Gestern gab Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ein bundesweites Verbot für genetisch manipulierten Mais bekannt. Damit darf die seit 1998 bislang einzige in Europa zugelassene Maissorte MON 810 des US-amerikanischen Konzerns Monsanto künftig in Deutschland weder verkauft noch angepflanzt werden. Während sowohl die Landesregierung in Brandenburg als auch Vertreter von Imker- und Ökolandwirtschaftsverbänden das Verbot gestern begrüßten, sieht Riedel in dem Aus für den Genmais vor allem ein Eigentor für die deutsche Forschung.

„Der Wissenschaftsstandort Deutschland wird von der Zukunft zurück in die Steinzeit katapultiert“, kritisiert Landwirt Riedel. Dabei sei das Land bereits in Rückstand geraten. Auf den Feldern von Riedels Agrargenossenschaft wird seit 2003 sogenannter Genmais ausgesät. Rund 50 Hektar waren dafür im laufenden Jahr vorgesehen, leicht mehr als 2008. An der gesamten Maisanbaufläche des Betriebs mache der Genmais zwischen 25 und 40 Prozent aus, schätzt Riedel. Die Erfahrungen seien bislang durchweg positiv gewesen. „Weil die Pflanzen nicht mehr so anfällig für Schädlinge wie den Maiszünsler sind, mussten wir nicht mehr so viel Pflanzenschutzmittel sprühen. Weil wir nicht mehr so häufig aufs Feld fahren mussten, haben wir zudem Diesel gespart“, berichtet der Vorstand der Agrargenossenschaft. Künftig werde er wieder mehr Chemie spritzen müssen. Welche genauen wirtschaftlichen Auswirkungen das Verbot für seinen Betrieb habe, lasse sich aber momentan noch nicht sagen. Auch was mit dem bereits bestellten Saatgut werde, wisse er nicht.

Eine Frage, die sich jetzt weit mehr Bauern in Brandenburg stellen müssen. In keinem anderen Bundesland wurde bisher mehr genetisch veränderter Mais angebaut. Allein für das laufende Jahr meldeten 16 Betriebe die Aussaat für eine Gesamtfläche von 1573 Hektar an. In Sachsen, dem Bundesland mit der zweitgrößten Anbaufläche, sind es 970 Hektar (siehe Kasten).

Bernhard Remde Abteilungsleiter Verbraucherschutz im Landeslandwirtschaftsministerium findet dennoch die Entscheidung Aigners richtig. „Es geht darum, Risikoforschung betreiben zu können, ohne dass auf den Feldern bereits Tatsachen geschaffen werden.“ Allerdings, so Remde gegenüber den PNN, wäre eine Entscheidung zu einem deutlich früheren Zeitpunkt für die betroffenen Betriebe besser gewesen. „Ich gehe davon aus, dass Monsanto bereits gelieferte Ware kostenlos zurücknimmt und geleistete Zahlungen rücküberweist“. Bereits gestern kündigte Monsanto an, gegen das Verbot „gerichtlich in einem Eilverfahren“ vorgehen zu wollen. Von dem Genmais-Stopp betroffene Landwirte werde das Unternehmen „nicht im Regen stehen lassen“, versicherte ein Unternehmenssprecher.

Wolfgang Scherfke, Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes, hofft indes, dass das Verbot für MON 810 nicht das grundsätzliche Aus für die sogenannte Grüne Gentechnik bedeutet. „Ich warne davor, die Forschung auf diesem Gebiet zu vernachlässigen“, sagte er den PNN. Für die Landwirtschaft bedeute die Gentechnik einen Fortschritt. Langfristig werde Deutschland an dieser Technologie nicht vorbeikommen, meint Scherfke.

Imker und Biolandwirte in Brandenburg sind dagegen erleichtert. „Das Verbot ist eine Bestätigung für alle Gegner der Gentechnik und verschafft uns zumindest eine Verschnaufpause“, sagt Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg, die die märkischen Öko-Produkte vermarktet. Da sich Mais der Sorte MON 810 nicht selbst vermehren kann, sei dieser noch relativ unproblematisch für die Biobauern gewesen. Doch schließlich gehe es um die generelle Frage, ob Firmen wie Monsanto in Europa Fuß fassen dürfen sollten. Denn eine eventuelle Zulassung anderer genetisch veränderter Pflanzen, etwa Raps, könnte durch ungehinderten Pollenflug zu gravierenden Folgen für konventionelle Landwirte und Biobauern führen, so Wimmer.

An die generelle Abkehr von der Grünen Gentechnik mag aber Rainer Gabriel, Vorstand des Landesverbandes brandenburgischer Imker, noch nicht recht glauben. Das Verbot gebe aber zumindest „erstmal Entwarnung“. Die Imker befürchten vor allem, dass ihr Honig durch Pollen von genveränderten Pflanzen verunreinigt werden könnte und dann als Lebensmittel mit genverändertem Material gekennzeichnet werden müsste.

Das Land

Brandenburg ist das Land mit der größten Gesamtanbaufläche für genetisch veränderten Mais in Deutschland. Insgesamt meldeten 16 Betriebe für dieses Jahr eine Aussaat auf rund 1573 Hektar an. Damit liegt die vorgesehene Fläche jedoch deutlich unter der aus dem vorigen Jahr. Nach Angaben des Landeslandwirtschaftsministeriums wurde der Genmais-Anbau 2008 für eine Gesamtfläche von 2078 Hektar beantragt. Letztlich angepflanzt wurde jedoch nur auf 1244 Hektar.

Bundesweit war für 2009 der Anbau auf rund 3596 Hektar geplant. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium entspricht dies knapp 0,2 Prozent der gesamten Anbaufläche in Deutschland. Nach Brandenburg ist Sachsen mit 971 Hektar das Land mit der zweitgrößten gemeldeten Gesamtfläche für Genmais. Danach folgen Mecklenburg-Vorpommern (792), Sachsen-Anhalt (180), Bayern (67,1), Niedersachsen (12,2), Rheinland-Pfalz (0,9), Baden-Württemberg (0,42), Thüringen (0,35) und Schleswig-Holstein (0,03).

Der Mais

Die genetisch veränderte Maissorte Mon 810 wurde 1998 für Europa zugelassen. In fünf weiteren Staaten der Europäischen Union ist sie mittlerweile wieder verboten. Dazu zählen Ungarn, Österreich, Luxemburg, Griechenland und Frankreich. Entwickelt wurde der sogenannte Bt-Mais um die Pflanzen widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen wie den Maiszünsler zu machen. Dafür wurde dem Mais ein Gen des Bakterium Bacillus thuringiensis eingeschleust. Bacillus thuringiensis ist ein weltweit verbreitetes Bodenbakterium, das ein Gift produziert, das tödlich auf die Larven von Insekten der Ordnungen der Käfer, Schmetterlinge und Zweiflügler wirkt.

Zitate aus Brandenburg

„Besser spät als nie.“

Cornelia Behm, brandenburgische

Grünen-Bundestagsabgeordnete

„Wir wollen freie Bauern sein und keine Leibeigenen von irgendwelchen amerikanischen Saatgut-Multis.“

Kurt-Henning Klamroth, Präsident des Deutschen Bauernbundes

„Dieses Verbot ist eine gute Nachricht für Brandenburg und war längst überfällig.“

Tom Kirschey, NABU-Landeschef

„Wer genfreie Zonen fordert, müsste aufhören zu essen.“

„Die Natur ist ein einziges Genlabor.“

Dieter Helm, Ex-LPG-Chef und Agrarexperte der brandenburgischen CDU-Landtagsfraktion.dpa/ddp/mat

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