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Brandenburg: Hinter jeder Stasi-Akte ein Schicksal

Bis heute stellen jährlich Tausende Brandenburger einen Antrag auf Stasi-Akteneinsicht

Frankfurt (Oder) - In dem nüchternen Raum sind Tausende Karteikarten gelagert. Ordentlich und akkurat einsortiert. Blatt für Blatt. Was zugleich bedeutet: Schicksal für Schicksal. Denn es handelt sich um Originaldokumente der DDR-Staatssicherheit. „Hier beginnt die Recherche“, sagt der Außenstellen-Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde in Frankfurt (Oder), Rüdiger Sielaff, am Montag. Mit einer Namenssuche stoßen Behördenmitarbeiter dann bei einem Treffer auf weitere Akten, die die Stasi damals über DDR-Bürger angelegt hatte.

Betroffene können seit 1992 einen Antrag auf persönliche Akteneinsicht stellen. Zunehmend seien es auch deren Kinder und Enkelkinder, die den Lebensweg der Vorfahren aufarbeiten wollten. Seit dem Start der Akteneinsicht Anfang der 1990er-Jahre gab es in Brandenburg laut der Behörde 305 536 Anträge. Bundesweit seien es mehr als 3,2 Millionen gewesen. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, betont: „Hinter jeder Akte steht ein menschliches Schicksal.“ In Brandenburg gibt es eine der zwölf Außenstellen der Behörde, die ihren Hauptsitz in Berlin hat. Früher hatte es mit Potsdam noch eine zweite Außenstelle gegeben, deren Aufgabengebiet wurde jedoch 2009 nach Berlin verlagert. In Frankfurt sind alle überlieferten Stasi-Unterlagen der ehemaligen DDR-Bezirke Frankfurt (Oder) und Cottbus untergebracht.

In der Grenzstadt sind die Anträge zur Akteneinsicht von Bürgern im vergangenen Jahr zurückgegangen. 2170 Anträge und damit rund 330 weniger als im Vorjahr (2506) wurden dort 2017 gestellt, wie die Behörde mitteilt. Allein an der Zahl der Anträge von Bürgern will sich die Behörde aber nicht messen lassen oder verstanden wissen.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) beschreibt am Montag bei einem Rundgang die Außenstelle, die zu DDR-Zeiten Kasernengelände war, als einen Ort, der sich auch mit der Zukunft der Demokratie auseinandersetze. Es sei wichtig, weiter den Zugang zu den Akten zu haben.

Die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Maria Nooke, sagte: „Die Aufarbeitung ist und bleibt wichtig.“ Sie werde sich dafür einsetzen, dass es zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit noch mehr Angebote in der Fläche gibt. Man wolle intensiv mit den Menschen in den Dialog treten. Nooke hatte im Herbst die Stelle von ihrer Vorgängerin Ulrike Poppe übernommen. Der Stasi-Bundesbeauftragte Jahn ergänzt, dass gerade die Beratung von Bürgern in den Landkreisen sehr wichtig sei. Es gebe immer wieder viele Fragen, etwa wie man Akteneinsicht erlange.

Unlängst hatte es Wirbel um die Rekonstruktion zerrissener Stasi-Unterlagen gegeben. Tausende Säcke voller Papierschnipsel lagern noch in den Archiven. Auch in Frankfurt gibt es solche Säcke. Das Problem: Die Rekonstruktion am Computer kommt laut Jahn nicht voran, weil es zwar eine leistungsfähige Software gibt, aber ein bestimmter Scanner fehlt. Danach hatten die Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen angemahnt, die Rekonstruktion voranzubringen. Jahn erläutert am Montag, dass er zwischenzeitlich von dem betreffenden Institut ein Signal erhalten habe, dass man weiter daran arbeiten wolle. Es gebe Hoffnung.

Am Montag jährte sich auch die Besetzung der früheren Stasi-Zentrale in Berlin von Tausenden Demonstranten zum 28. Mal. Damals, am 15. Januar 1990, verhinderten diese die weitere massenhafte Vernichtung von Akten. In anderen DDR-Bezirken vollzogen sich solche Besetzungen schon früher, bei der Stasi in Frankfurt etwa im Dezember zuvor, wie Sielaff erläutert. dpa

Anna Ringle

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