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Dieses Foto von dem Vorfall im Tesla-Werk in Grünheide wurde der Partei ÖDP Brandenburg zugespielt.

© ÖDP Brandenburg

Havarie einen Monat nach der Eröffnung: 15.000 Liter Chemikalien in Tesla-Lackiererei ausgelaufen – Verbände fordern Aufklärung

Gegen den Bau des Tesla-Werks im Trinkwasserschutzgebiet regte sich Protest. Nun gab es eine erste Havarie – und Zweifel an der offiziellen Version dazu.

Grünheide - In der vor einem Monat eröffneten Tesla-Fabrik in Grünheide ist es zu einem Vorkommnis gekommen, bei dem erstmals eine Chemikalie außerhalb der Werkhalle ausgelaufen ist. Und zwar nahe der Lackiererei – einem Bereich im Trinkwasserschutzgebiet.

Brandenburgs Landesumweltamt (LfU) verneint zwar jedwede Gefährdung für Mensch, Grundwasser und Umwelt. „Es handelt sich nicht um einen Störfall“, so Sprecher Thomas Frey. Tesla habe korrekt auf die Betriebsstörung reagiert, die am 12. April mündlich gemeldet und dann am 14. April schriftlich angezeigt wurde. Auch der Kreis Oder-Spree weist jedwede Umweltbeeinträchtigungen zurück. Doch es bleiben Widersprüche.

Die Umweltverbände Grüne Liga und Naturschutzbund sowie die Bürgerinitiative Grünheide fordern Aufklärung, die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) sogar einen Produktionsstop. „Das stinkt zum Himmel“, sagte Michael Ganschow, Geschäftsführer der Grünen Liga am Dienstag dem Tagesspiegel. „Das ist sehr beunruhigend“, sagte Steffen Schorcht von der BI Grünheide. „In diesem Werk wird mit wassergefährdenden Substanzen gearbeitet. Unsere Befürchtungen, dass es hier nicht hätte gebaut werden dürfen, bestätigen sich.“

Bereits vergangene Woche hatte Brandenburgs Umweltministerium bestätigt, dass am Abend des 11. April in der Lackiererei „beim Befüllen eines Behälters innerhalb der Lackieranlage durch ein nicht vollständig geschlossenes Ventil eine Flüssigkeit ausgetreten sei, die vollständig im Auffangbehälter der Lageranlage aufgefangen worden ist und von dort durch ein zugelassenes Entsorgungsunternehmen abgepumpt wurde.“

Eine kleinere Menge Flüssigkeit sei noch mit Bindemitteln aufgenommen worden, hieß es. „Der Vorfall ereignete sich innerhalb der Gebäude. Es ist keine wassergefährdende Flüssigkeit ins Freie oder in den Boden gelangt. Es bestand keine Gefahr für die Umwelt oder die Nachbarschaft.“

Für das Landesumweltamt ist eine Betriebsstörung 

Doch nun hat die Brandenburger ÖDP Fotos veröffentlicht – am 12. April von einem Mitarbeiter des Wasserverbandes Strausberg-Erkner (WSE) im Werk aus einem Auto heraus aufgenommen – die draußen vor der Lackiererei eine mit bräunlichem Bindemittel gebundene Flüssigkeit zeigen sowie Fahrzeuge der Tesla-Betriebsfeuerwehr.

Den Widerspruch erklärt das LfU damit, dass bei der Abholung und Verladung der Schläuche am 12. April durch ein Entsorgungsunternehmen zwei bis drei Liter Schlauchinhalt ausgelaufen seien. "Es handelt sich um eine Fehlbedienung des Entsorgungsunternehmens", so Frey. Daher sei es nicht nötig, Auflagen zu erteilen oder Folgemaßnahmen anzuordnen.

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Ob organisatorische Konsequenzen gezogen werden, obliege dem Betreiber. Das LfU teilte nun erst weitere Details mit, was drinnen passiert war: „Bei der ausgetretenen Flüssigkeit handelt es sich um ca. 15 Kubikmeter Behandlungsbad aus der Elektrotauchlackierung.“ Um welche Chemikalien es sich handelt, wird weiterhin nicht mitgeteilt. Laut LfU sei eine Kontrolle des LfU am 12. April durchgeführt worden. "Zum Zeitpunkt der Kontrolle waren die Auswirkungen der Betriebsstörung bereits vollständig beseitigt."

Lache vor der Lackiererei schon am 10. April

Ein anderer Widerspruch ist indes noch gravierender. Ein nach dessen Angaben bereits am 10. April aufgenommenes Drohnenvideo, das der lokale Fabrikbeobachter „Fly Brandenburg“ auf Youtube veröffentlichte, zeigt (ab Minute 10:30) vor dem Hallentor der Lackiererei bereits deutlich sichtbar eine Flüssigkeitslache – am Tag vor der offiziellen Version, und in einer sonst überall trockenen Umgebung.

„Lösemittel kann es nicht sein, das wäre verdunstet. Und am Sonntag wird in der Fabrik nicht gearbeitet“, sagt Schorcht von der Bürgerinitiative Grünheide. Knapp tausend Meter von der Stelle entfernt befinde sich die Hauptbrunnenanlage Hohenbinde des Wasserverbandes Strausberg-Erkner mit einer jährlichen Kapazität von 5,6 Millionen Kubikmetern. „Wenn die ausfallen sollte, droht ein Versorgungsnotstand in der Region.“ Nach den Drohnen-Fotos könne nicht ausgeschlossen werden, dass Chemikalien neben der Straße versickert seien.

Verbände haben Widerspruch gegen Tesla-Genehmigung eingelegt

Im Genehmigungsverfahren hatten Grüne Liga und Naturschutzbund wiederholt gewarnt, dass die Störfallvorkehrungen mangelhaft seien. Solche Befürchtungen hatte das Landesumweltamt zuletzt in der 536 Seiten starken Hauptgenehmigung für das Werk als unbegründet zurückgewiesen.

Für Geschäftsführer Michael Ganschow von der Grünen Liga stellt sich die Frage, „ob Tesla alle Auflagen der Genehmigung erfüllt hat und wer das kontrolliert.“ Die Vorfälle zeigten, wie berechtigt die Warnungen seien. „Was, wenn doch einmal ein größerer Störfall geschieht? Die Genehmigungsbehörde ist in der Pflicht.“

Naturschutzbund und Grüne Liga haben inzwischen förmlich Widerspruch gegen die Hauptgenehmigung für die Tesla-Fabrik eingelegt. Ganschow kritisierte, dass weiterhin die Herausgabe der Verwaltungsakte und der geschwärzten Passagen der Genehmigung vom Landesumwelt verweigert wird. Das LfU sieht wegen der Vorkommnisse keinen Grund für Konsequenzen gegenüber Tesla. Das Unternehmen äußerte sich zur Havarie bisher nicht.

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