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Suche nach den Schuldigen. Im BER-Untersuchungsausschuss kämpfte Ex-Generalplaner Nienhoff auch um Ruf und Ehre des Büros gmp.

© Ralf Hirschberger/dpa

Hauptstadtflughafen Schönefeld: Der BER als Beute

Der Ex-Generalplaner Hubert Nienhoff bricht im Berliner Untersuchungsausschuss sein Schweigen und prangert „Plünderer“ an. Das Statikproblem, das zum Baustopp führte, sei schon 2010 bekannt gewesen.

Berlin/Potsdam - Und dann brach es heraus. „Das Projekt ist so krank“, sagte Hubert Nienhoff irgendwann. „Seitdem der Termin 2012 abgesagt wurde, klingeln bei den Firmen die Kassen.“ Er war nicht der letzte, aber einer der spannendsten Zeugen, der bis Freitagabend stundenlang vom Berliner BER-Untersuchungsausschuss befragt wurde – vor fast leeren Pressebänken.

Der 56-Jährige ist Architekt, seit 30 Jahren, und nicht irgendeiner. Er ist Mitinhaber des Büros Gerkan, Marg und Partner (gmp), das als eines der führenden in Deutschland gilt. Einer, der in der ganzen Welt baut. Aber er hat mit gmp den neuen Berliner Flughafen entworfen, der immer noch nicht fertig wird. Und er war der letzte Geschäftsführer der Planungsgemeinschaft PG BBI. Das ist der frühere BER-Generalplaner, der aus gmp und zwei inzwischen insolventen Büros bestand. Die PG BBI war nach der geplatzten Inbetriebnahme 2012 gefeuert worden und wird oft für Baupfusch, Fehlplanungen oder zuletzt von Flughafenchef Karsten Mühlenfeld für die Statikpanne um die Ventilatoren verantwortlich gemacht.

Ermittlungsverfahren wegen Baugefährdung

Zu Unrecht, wie Nienhoff konterte, grundsätzlich, aber auch in Bezug auf die Ventilatoren. Weil die mit einem Gewicht von vier Tonnen doppelt so schwer sind wie statisch erlaubt und ein Absturz Arbeiter oder später Passagiere hätte gefährden können, prüft die Staatsanwaltschaft Cottbus weiterhin ein Ermittlungsverfahren wegen Baugefährdung.

Das Problem, das zeitweise zum Baustopp führte, hatte der Flughafen jetzt zufällig entdeckt. Dabei war es bereits beim Einbau bekannt, wie Nienhoff publik machte. Nach den Mühlenfeld-Vorwürfen hatte er die Firmen-Datenbank durchforstet, war prompt fündig geworden.

2010: Prüfvermerk wies auf Ventilatoren hin

So übergab er dem Ausschuss einen vom 31. Mai 2010 datierten, großformatigen Plan für den Einbau der Technikbühnen am Dach mit den Ventilatoren. Darin wurde mit einem Prüfvermerk explizit darauf hingewiesen, dass für die Freigabe „ein Statiknachweis und ein Tüv-Gutachten nötig sei“, sagte er. „Selbstverständlich muss das auch der Bauherr gewusst haben.“ Das Dokument ist am Flughafen wohl nicht mehr vorhanden. „Bei uns liegt das alles.“

Für Nienhoff ist der Vorgang symptomatisch dafür, welche fatalen Folgen der überstürzte Rausschmiss des Generalplaners hatte: „Eine Schwachsinnsentscheidung.“ Der Flughafen und der vom damaligen Berliner Regierenden Klaus Wowereit (SPD) geführte Aufsichtsrat hatten das Büro für die kurzfristige Absage der Eröffnung und die Rückstände verantwortlich gemacht, die PG BBI wurde auf Schadenersatz über 80 Millionen Euro, später sogar auf über 200 Millionen Euro verklagt. Das Verfahren läuft.

Nienhoff musste schweigen - bislang

Es geht um viel für gmp, aber auch um die Ehre, um den Ruf. Nienhoff hatte bislang wegen einer „Verschwiegenheitserklärung“ als früherer BER-Auftragnehmer zu schweigen. Hier durfte, ja musste er reden, zum ersten Mal. Und das tat er, ohne Rücksicht. So schilderte er, dass der Auftrag für die Planungsgemeinschaft – die auch für die Bauüberwachung zuständig war – von 2005 bis zur Kündigung 2012 ein Volumen von 90 Millionen Euro gehabt habe. Davon habe man 150 Mitarbeiter bezahlt, so Nienhoff: „Was wir damit geschafft haben, ist eine Heldentat im Vergleich zu den Summen, die seit 2012 am Flughafen veruntreut werden.“ Seitdem werde das Projekt von Firmen und Ingenieuren „geplündert“.

Als der Start des „modernsten Flughafen Europas“ (damalige Werbung) 2012 abgesagt wurde, hatten alle überrascht getan. Nienhoff sagte nun, dass schon zwei Jahre vorher klar gewesen sei, dass der BER 2012 „nur teilfertig wird“ und man für Arbeiten bis 2013 brauchen würde. „Schon 2010 ging es nur noch um eine Inbetriebnahme vor Fertigstellung.“ 2010 war der Eröffnungstermin von 2011 auf 2012 erstmals verschoben worden. Das war mit der Insolvenz des an der PG BBI beteiligten Büros IGK/IGR begründet worden, das die Haustechnik im Terminal und damit auch die Entrauchungsanlage geplant hatte.

"Es passte alles hinten und vorne nicht"

Die Insolvenz sei nicht der Hauptgrund der Verschiebung gewesen, sagte Nienhoff. „Das war nur der Blitzableiter für die Öffentlichkeit.“ Der wahre Grund seien erforderliche Umplanungen gewesen, die nicht mehr zu schaffen gewesen seien. „Das Haus war zu klein, es passte alles hinten und vorne nicht.“ Überhaupt sei das Kernproblem gewesen, dass es auf Interventionen der Politik ständig Planänderungen gegeben habe. „Die Flughafengesellschaft war kein souveräner Bauherr“, sagte er. „Der eigentliche starke Mann nach meinem Eindruck war der damalige Regierende Bürgermeister.“

Ein paar Stunden vorher war als Zeuge Sebastian Stern von der Unternehmensberatung McKinsey befragt worden, die am BER für den Probebetrieb zuständig war. Der hatte im November 2011 begonnen, notgedrungen auf der Baustelle, weil vieles nicht fertig war. Später, am 15. März 2012, hatte McKinsey die Flughafenchefs gewarnt, dass eine Eröffnung im Juni unmöglich sei, dies allerdings später abgeschwächt. Stern erklärte das damit, dass mit einem Abfertigungszelt vor dem Terminal ein „Plan B“ gefunden worden sei.

Krisentreffen zum BER

Aber, nach seinen Worten hatte McKinsey im Februar vorgeschlagen, den Start zu verschieben oder den BER wenigstens nur stufenweise in Betrieb zu nehmen – und nicht an einem Tag die Flughäfen Tegel und Schönefeld/Alt bei laufendem Betrieb auf den neuen Airport umziehen zu lassen, wie es geplant war. „Die Geschäftsführung hat uns mitgeteilt, dass dies nicht verfolgt wird.“ Unmittelbar nach der Absage hatte es dann ein Krisentreffen gegeben, am Tisch Firmen wie Siemens, Bosch, T-Systems, Imtech, die Flughafenchefs Rainer Schwarz und Manfred Körtgen. Nienhoff schilderte dem U-Ausschuss, wie die beiden BER-Chefs dort auftraten: „Es war irre, gute Laune, Bombenstimmung, Späßchen.“

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