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Hauptstadtflughafen BER: Gutachten: Am BER droht Start 2019

Ein internes Papier zeigt erstmals, dass ein Start des BER auch im Jahr 2018 unrealistisch ist. Berater von Roland Berger haben präzise Mängel und Risiken aufgelistet Der neue Flughafenchef will sich lieber noch nicht festlegen.

Schönefeld - Das Dokument ist als „streng vertraulich“ eingestuft. Erstellt hat es die Unternehmensberatung Roland Berger für die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB), die seit diesem Dienstag vom früheren Berliner Flughafenkoordinator Engelbert Lütke Daldrup als Chefmanager geführt wird. Sein Titel: „Terminplan Eröffnung BER – Fortschreibung Risiko- und Wahrscheinlichkeitsanalyse“. Das Dokument, das den PNN vorliegt, ist datiert auf den 3. März 2017. Das war der vergangene Freitag. Also vor der Aufsichtsratssitzung, auf der ein umfassender Führungswechsel am BER vollzogen wurde. Zu dem gehörte, dass der bisherige Chefaufseher, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), umgehend den Aufsichtsrat verließ und dass der von Mühlenfeld wegen Misserfolges abgelöste Technikchef Jörg Marks zurückgeholt wurde. Noch vor wenigen Wochen hatte Müller davon gesprochen, dass sich das Projekt „in der Schlusskurve“ befindet. Dabei belegt dieses Papier: Die Lage ist dramatischer als alle Verantwortlichen bisher öffentlich sagen.

Die Berger-Experten sehen selbst eine Eröffnung des BER im Jahr 2018 gefährdet. „Ohne weitere Maßnahmen kann sich die Eröffnung des BER bis 2019 verzögern“, heißt es in dem Papier. Und was können diese Maßnahmen sein? Man müsse zur Terminsicherung etwa die „Leistungsfähigkeit der Projektorganisation erhöhen“, eine „Reorganisation und Anpassung“ der Prozesse vornehmen. Nur dann sei es möglich, den Sommer 2018 zu schaffen.

Wahrscheinlichkeit, dass der BER 2018 eröffnet, liegt bei drei Prozent

Das BER-Projekt ist durch neue Verzögerungen danach allein seit September 2016 um ein halbes Jahr zurückgeworfen worden. Berger hatte schon einmal Mitte 2016 den Fahrplan, der damals noch auf eine Eröffnung im November 2017 kalkuliert war, durchgecheckt. Die Ergebnisse waren am 26. September 2016 im Projektausschuss des Aufsichtsrates vorgestellt worden, den der designierte neue Aufsichtsratschef, Brandenburgs Flughafenkoordinator Rainer Bretschneider, leitete. Lütke Daldrup war anwesend. Und so lautete das Fazit damals, Zitat: „Im Ergebnis wurde die Eröffnung in 2017 zwar nicht ausgeschlossen, aber als wenig wahrscheinlich eingeschätzt.“ Und: „Bei effektiver Umsetzung von Terminsicherungsmaßnahmen ... ist (eine) Eröffnung bis März 2018 möglich.“ Grundlage war eine für die Berechnungen angesetzte Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent, dass man den Termin schaffen kann. Werte, die darunter liegen, sind zu riskant. Jetzt, ein paar Monate später, fällt der Befund dramatisch schlechter aus. Müsste der Flughafen jetzt einen Eröffnungstermin nennen, der die gleiche Belastbarkeit – also wenigstens eine Sicherheit von 80 Prozent – hätte, ist laut Berger-Analyse jetzt eine Inbetriebnahme im Dezember 2018 realistisch. Faktisch wäre das schon 2019, weil im Winter bei Schnee und Eis ein Start zu gefährlich wäre. Das ist eine Vorgabe. Zitat: „Keine Eröffnung in den Wintermonaten Dez., Jan., Feb.“ Wie die Lage wirklich ist, zeigt ein anderer Wert: Die Wahrscheinlichkeit, den BER im Juni 2018 eröffnen zu können – bis dahin reicht das bisher genehmigte Geld – liegt aktuell bei drei Prozent.

Das Gutachten analysiert präzise, warum seit September 2016 die „Verzögerungsrisiken im Bereich Planung und Bau eingetreten“ sind. Der Befund geht teilweise über die von den PNN publik gemachte Defizitanalyse eines anonymen BER-Insiders hinaus, die Versäumnisse des zwischenzeitlich freigestellten Technikchefs Jörg Marks auflistete. Berger nennt folgende „Schwachstellen“, alle im Management der Baustelle: „Fehlender Planungsabschluss“, „Unzureichende Koordination Bauleistungen“ und „keine vollständige Transparenz über technische Risiken“ („unbekannte Sachverhalte“) sowie eine „unzureichende Koordination der Sachverständigen“. Aufgelistet wird, wo es konkret hapert: „Bauausführung teilweise nicht abnahmefähig, Mangelbeseitigung und Wiederholungsprüfungen notwendig“, heißt es dort zu den nötigen Abnahmen durch Sachverständige, die gerade angelaufen sind.

Ziel: Die Bauarbeiten sollen bis zum Juni 2017 fertig sein

Brisant sind auch die Aussagen zu den aktuellen Bau-Problemen, mit denen die Absage eines BER-Starts 2017 begründet worden war, nämlich nicht funktionierende Automatiktüren und die zu gering dimensionierte Sprinkleranlage, in der jetzt zwei Kilometer Hauptrohre ausgetauscht werden müssen. „Verzögerung aufgrund von Planungsmängeln und langwieriger Ausführung (hydraulische Berechnungen, Abgleich Sprinkler/BMA, Erweiterung der Technikzentralen)“, heißt es dazu. „In der Konsequenz Verzögerung der Wirk- und Prinzipprüfung.“ Und zur Inbetriebsetzung der rund 800 Automatiktüren, von denen eine nach der anderen in die Systeme einreguliert werden muss, wird ausgeführt: „Verzögerung aufgrund von Mängeln an der Verkabelung der Türen“, „Mängelbeseitigung bindet Inbetriebnahme-Kapazitäten“. Die Türen müssen erst fertig sein, um mit Tests der Systeme beginnen zu können. Alles dauert.

Mit der Absage 2017 war der Terminplan schon angepasst worden, abgesegnet vom Aufsichtsrat noch unter Michael Müller. Aktuelles Ziel ist es, die Bauarbeiten bis zum Juni 2017 fertigzustellen. Müller forderte Mühlenfeld noch vor dessen Ablösung auf, zügig einen Eröffnungstermin vorzulegen, wann der BER 2018 ans Netz gehen kann. Der neue Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup will sich zu einem Termin erst einmal nicht festlegen. Im rbb-Inforadio sagte Lütke Daldrup, er wolle bis Sommer einen Zeitplan für die Fertigstellung der Baumaßnahmen am BER vorlegen. „Wir werden dann intensiv diskutieren, wann der richtige Zeitpunkt ist, einen belastbaren, auf Herz und Nieren geprüften Fahrplan für die Inbetriebnahme vorzulegen“, sagte er. „Es geht nicht darum, irgendeinen Termin zu benennen, sondern wir müssen einen Termin haben, den wir auch einhalten können.“ In den BER-Sonderausschuss des Brandenburger Landtages kam Lütke Daldrup am ersten Arbeitstag nicht, anders als einst Hartmut Mehdorn oder Karsten Mühlenfeld. Brandenburgs Flughafenkoordinator Rainer Bretschneider, der designierte Aufsichtsratsvorsitzende, äußerte sich zur Bekanntgabe eines Eröffnungstermins so: „Er muss belastbar sein“, sagte Bretschneider. „Ich sehe nicht, dass wir den in absehbarer Zeit präsentieren können.“

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