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Brandenburg: Häuschen auf der Grube

Fünf Jahre nach dem Unglück von Nachterstedt droht den Bewohnern einer Siedlung in Lauchhammer das gleiche Schicksal. Sie müssen weg, zu schlechten Konditionen – eine Spätfolge des Braunkohleabbaus

Von Sandra Dassler

Lauchhammer - Alles Hoffen hat nichts genutzt: Die Bewohner der Grubenteichsiedlung in Lauchhammer können nicht in ihren Häusern bleiben, sie müssen umsiedeln – manche bereits zum zweiten Mal und in hohem Alter. „Ich könnte heulen, aber das hilft ja auch nichts“, sagt ein Hausbesitzer: „Die Vergangenheit hat uns eingeholt.“

In der Vergangenheit war an der Stelle der Siedlung, wo jetzt zwanzig Häuser stehen, der Tagebau Mückenberg III. Als dort keine Braunkohle mehr zu holen war, wurde die riesige Grube mit lockerem Sand aufgefüllt. Doch das war den Menschen, die Jahre später – viele nach Kriegsende – hier ihre Häuser bauten, nicht bewusst.

Erst als es im Juli 2009 im anhaltinischen Nachterstedt der Abbruch eines etwa 350 Meter breiten Landstreifens in den Concordiasee zwei Häuser mit und drei Menschen in den Tod riss, wurde das Problem offensichtlich. Im Auftrag der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) untersuchten Sachverständige den Boden und erklärten ihn für unsicher. Zwar habe der Baugrund in Lauchhammer bisher standgehalten, sagte der Cottbuser Referatsleiter der Gemeinsamen Landesplanung Berlin-Brandenburg, Klaus-Otto Weymanns, dieser Zeitung. Aber das werde sich ändern.

Der Grund ist ein allgegenwärtiges Problem im südlichen Brandenburg und den anliegenden sächsischen Gebieten. 1989 hatte es dort 17 laufende Tagebaue gegeben, von denen zwölf ihren Betrieb einstellten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man das Grundwasser systematisch abgesenkt, um die Braunkohle abzubauen. Dann wurden die Pumpen abgestellt und das Grundwasser stieg in den vergangenen 25 Jahren unaufhörlich an.

Der lockere Kippenboden, auf dem normalerweise nie Häuser hätten gebaut werden dürfen, wird dadurch zum unberechenbaren Risikofaktor, sagte Weymanns. Natürlich habe man zunächst gehofft, das Erdreich stabilisieren und die Siedlung erhalten zu können: „Es wurden drei Filterbrunnen gebaut und Drainagen gelegt, um das Grundwasser in der Kippe wieder abzusenken, aber neueste Gutachten zeigen, dass das nicht ausreicht.“ Deshalb gibt es für Weymanns keine Alternative: „Wir können es nicht verantworten, dass die Menschen weiter dort wohnen. Sie müssen umsiedeln.“

Gegner des Braunkohleabbaus in der Lausitz werfen der Landesregierung und der LMBV vor, die Information über die notwendige Umsiedlung bewusst zurückgehalten zu haben, um den jüngsten Kabinettsbeschluss zur Weiterführung des Tagebaus Welzow nicht zu gefährden. „Wir machen immer mal wieder die Erfahrung, dass man nicht so gern darüber spricht, welche immensen Nachfolgekosten der Gesellschaft durch den Braunkohle-Abbau entstehen“, sagt der Sprecher der Grünen Liga Cottbus, René Schuster. So habe man während des Volksbegehrens gegen die Weiterführung der Tagebaue in der Lausitz auch nicht über massive Rutschungen in den Sanierungsgebieten berichtet.

Für Landesplaner Klaus-Otto Weymanns sind das alles Verschwörungstheorien. Tatsache ist aber, dass die Bewohner offensichtlich bis nach der Landtagswahl am 14. September im Unklaren gelassen werden sollten. Tatsache ist auch, dass erstmals eine Siedlung im Lausitzer Revier wegen Rutschungsgefahr auf einem ehemaligen Braunkohletagebau umgesiedelt werden muss. Dass das nach Weymanns Meinung ein ziemlich einmaliger Vorgang ist und bleiben wird, gibt den Betroffenen ein wenig Mut.

Sie haben nach Bekanntwerden des wahrscheinlich noch in diesem Jahr notwendigen Umzugs eine Bürgerinitiative gegründet, weil sie eine Entschädigung nach Verkehrswert befürchten. Der aber ist für mehrere Jahrzehnte alte Häuser im nicht gerade boomenden Lauchhammer so gering, dass niemand dafür eine neue Wohnung oder gar wieder ein Haus kaufen oder auf Jahre mieten kann.

Die Betroffenen verlieren also nicht nur ihren Lebensmittelpunkt sondern auch ihre Altersvorsorge und fordern deshalb eine Art Härtefallregelung. In den Lausitzer Landtagsabgeordneten Gabriele Theiss (SPD) und Ingo Senftleben (CDU) haben sie Unterstützer gefunden. „Man muss die Menschen, die emotional ohnehin schon sehr belastet sind, genauso entschädigen wie jene, die durch die künftigen Tagebaue ihre Häuser verlieren“, sagte Senftleben: „Wir haben deshalb eine entsprechende Anfrage im Landtag gestellt.“

Die Antwort blieb allerdings noch vage. Denn anders als für die von künftigen Tagebauen Betroffenen muss für die Nachwirkungen des Braunkohlebergbaus in der Lausitz nicht der Energiekonzern Vattenfall, sondern das Land Brandenburg gemeinsam mit dem Bund, sprich: der Steuerzahler, aufkommen.

Und Schäden beziehungsweise Kosten durch das wieder ansteigende Grundwasser gibt es an vielen Orten in der Lausitz. Die Vergangenheit holt nicht nur die Bewohner der Grubenteichsiedlung ein.

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