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Brandenburg: Grünen-Kritik an Rot-Rot wegen „Piatto“ Sondersitzung des Kontrollorgans beantragt

Potsdam - Nach den Linken hat auch die Landtagsfraktion der Grünen das Vorgehen des brandenburgischen Innenministeriums im Streit um die Aussage eines V-Manns im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München als unverhältnismäßig kritisiert. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Ursula Nonnemacher, beantragte zudem eine Sondersitzung der für den Verfassungsschutz zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission.

Potsdam - Nach den Linken hat auch die Landtagsfraktion der Grünen das Vorgehen des brandenburgischen Innenministeriums im Streit um die Aussage eines V-Manns im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München als unverhältnismäßig kritisiert. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Ursula Nonnemacher, beantragte zudem eine Sondersitzung der für den Verfassungsschutz zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission. Grund ist eine Anweisung der Abteilung für Verfassungsschutz im Innenministerium an die Mitarbeiter. Darin wird ihnen untersagt, sich bei Angehörigen der NSU-Opfer in einem offenen Brief zu entschuldigen.

Wie berichtet, hat das Ministerium für die Aussage des früheren Neonazis Carsten Sz., der von 1994 bis 2000 V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes mit dem Decknamen „Piatto“ war, einen Sperrvermerk für dessen Zeugenaussage im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München erteilt. Derzeit verhandeln Gericht und Ministerium über Details. Anwälte und Bundesanwaltschaft wollen die vom Innenministerium aufgestellten Bedingungen nicht akzeptieren. Weil sich „Piatto“ wegen anhaltender Gefährdung seit 2000 im Zeugenschutz befindet, besteht das Ministerium auf den Ausschluss der Öffentlichkeit aus dem Gerichtssaal und einer Aussage des unkenntlich gemachten Zeugen via Videostream von einem geheimen Ort.

Nonnemacher nannte den Sperrvermerk des Ministeriums unverhältnismäßig. Fachleute hätten darauf verwiesen, dass die Sicherheit des Zeugen auch mit angemesseneren Mitteln gewährleistet werden könnte. Mit dem Sperrvermerk lasse das SPD-geführte Innenministerium den Eindruck zu, „dass Details zur Rolle des V-Manns für den NSU und weiterhin offene Fragen zum Agieren des Verfassungsschutzes bei der Führung von ,Piatto‘ aufgrund der Einschränkungen nicht vollständig aufgeklärt werden können“. Zudem verwies Nonnemacher auf die Kritik aus der Bundespolitik, dass Rot-Rot in Brandenburg kein Engagement an den Tag gelegt habe, um die Umstände der NSU-Mordserie und die Verantwortung Brandenburgs zu beleuchten. „Unsere Landesregierung versucht hier den Anschein zu erwecken, als sei Brandenburg von der Problematik völlig unberührt“, sagte Nonnemacher. Sollte sich herausstellen, dass Brandenburgs Behörden nicht das Machbare unternehmen, um die Aufklärung der NSU-Mordserie zu unterstützen, führe dies zu einem fatalen Verlust an Glaubwürdigkeit.

„Piatto“ hatte Brandenburgs Verfassungsschutz 1998 einen der wenigen Hinweise bundesweit über das untergetauchte Terrortrio gegeben, und dass die Neonazis sich Waffen besorgen wollten. Die Hinweise waren aber versickert. Zudem mauerte der Verfassungsschutz bei ihrer Verwertung in Sachsen und Thüringen. Platziert war „Piatto“ bei einem Neonazi-Versand in Sachsen im direkten Umfeld des NSU-Terrortrios, als dieses 1998 im Raum Chemnitz untertauchte – also vor der Mordserie. Nicht geklärt ist, welche Rolle er bei der Waffenbeschaffung für den NSU gespielt hat. Denn er rüstete sich selbst bis zur Abschaltung als V- Mann für den militanten Kampf. Auch die Umstände seiner Anwerbung im Knast 1994 und seiner vorzeitigen Entlassung aus der Haft wegen Mordversuchs an einem Nigerianer sind dubios. Der Verdacht besteht, dass der Verfassungsschutz die Justiz täuschte. Alexander Fröhlich

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