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Brandenburg: Grenzüberschreitung

Nachdem Flüchtlinge in Frankfurt angegriffen wurden, betont die Stadt ihr Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit

Von Sandra Dassler

Frankfurt (Oder) - Die Nachricht verbreitete sich in kürzester Zeit: „Flüchtlinge brutal angegriffen – Passanten feuern Täter an“ lauteten viele Schlagzeilen. „Ich habe schon fast geahnt, was da auf uns zukommen würde“, sagt der Sprecher der Stadt Frankfurt (Oder), Martin Lebrenz: „In vielen Medien wurde verbreitet, dass Passanten gejubelt und applaudiert hätten, aber das stimmt nicht.“

Das haben am Mittwoch auch Polizei und Staatsanwaltschaft klargestellt. Ihren Ausführungen und den bisherigen Ermittlungen zufolge haben am Montagabend vier Männer vier Asylbewerber im Stadtzentrum zunächst beleidigt. Einer der Angreifer schlug einem 17-Jährigen unvermittelt mit der Faust ins Gesicht. Als die Asylbewerber davonliefen, wurden sie von drei Angreifern verfolgt. Dabei habe laut Polizei der 17-Jährige einen weiteren Schlag von hinten erhalten, möglicherweise sei nach den Flüchtlingen auch getreten worden.

Die Opfer erlitten laut Polizei keine sichtbaren Verletzungen, der Mann, der dem 17-jährigen Flüchtling ins Gesicht geschlagen haben soll, wurde vorläufig festgenommen. Er ist 32 Jahre alt und soll schon früher einmal zugeschlagen haben. Ein Atemalkoholtest ergab 3,7 Promille, es dauerte einige Stunden, bis er befragt werden konnte. Da keine Haftgründe vorlagen, ist er inzwischen wieder frei.

Die Kriminalpolizei und der polizeiliche Staatsschutz ermitteln unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Denn aus der Gruppe, die den Vorfall beobachtet hatte, wurden „Heil-Hitler“-Rufe laut. Dabei handelte es sich um etwa ein halbes Dutzend Männer, zu denen die mutmaßlichen Täter guten Kontakt haben. Dass alle diese Männer dem Trinkermilieu angehören, wollte die Polizei zwar nicht ausdrücklich bestätigen, viele Zeugen berichten dies aber.

Es seien Männer, die sich bis vor wenigen Tagen im angrenzenden Lennépark zum Trinken getroffen hätten. Stadtsprecher Lebrenz konnte zu ihrer Identität keine Aussagen machen, bestätigte aber, dass die Stadt Anfang Mai Alkohol im Park verboten habe. Daraufhin seien einige der Männer wohl auf die Treppe vor dem alten Kino ausgewichen.

„Das macht die Sache zwar nicht besser“, sagt der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Oberbürgermeister von Frankfurt, Martin Patzelt (CDU): „Es ist schlimm, dass jene, die ihr Gehirn durch Alkohol außer Betrieb setzen, ihre Aggressionen an den vermeintlich Schwächeren und Fremden, den Flüchtlingen eben, auslassen. Aber ich bin erleichtert, dass es keine sogenannten normalen Bürger waren. Das hätte mich auch verwundert, denn in Frankfurt ist in den vergangenen Jahren viel gegen Fremdenfeindlichkeit getan worden.“

Die Ermittler sagen, dass Passanten, die Zeugen des Angriffs wurden, nicht applaudiert, sondern im Gegenteil die Polizei zu Hilfe gerufen hätten. „Außerdem haben sie die entscheidenden Hinweise zur Ergreifung der Tatverdächtigen geliefert“, teilte ein Polizeisprecher mit. „Noch besser wäre gewesen, wenn sie sich schützend vor die Flüchtlinge gestellt hätten“, sagt Martin Patzelt: „Aber das ist natürlich leicht gesagt.“

Patzelt hatte vergangenes Jahr Drohbriefe und Hassmails erhalten, weil er in seinem Privathaus zwei Flüchtlinge aufgenommen hat. „Sie leben immer noch bei uns“, sagt er: „Sie sind uns und den Nachbarn ans Herz gewachsen, was zeigt, dass persönliche Kontakte das Beste sind, um Fremdenhass zu begegnen.“

Dieses Konzept verfolge man in Frankfurt seit Jahren, sagt Stadtsprecher Lebrenz. Es gebe viele Begegnungen, zahlreiche Vereine engagierten sich, die fast 7000 Studenten der Europa-Universität Viadrina trügen ebenfalls zu einem toleranten Klima bei. So habe Frankfurt Tausende Flüchtlinge aufgenommen, als die Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt überfüllt war. Viele davon sind auch heute noch in Wohnungen untergebracht.

„In Frankfurt hat sich inzwischen auch mit Hilfe der Stadtverwaltung eine Zivilgesellschaft entwickelt“, sagt Aktionskünstler Michael Kurzwelly, der auch dem Integrationsbeirat angehört. Allerdings habe es in den vergangenen Wochen noch zwei andere fremdenfeindliche Angriffe auf Flüchtlinge gegeben. „Es gibt hier natürlich auch Neonazis“, sagt Kurzwelly: „Aber es gibt auch sehr viele Menschen, die den Flüchtlingen helfen.“

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