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Brandenburg: Gott ohne Haus

Evangelische Kirche denkt angesichts leerer Kassen über möglichen Abriss von Sakralbauten nach

Berlin - Die Evangelische Kirche steht vor einem Problem: Immer mehr Gemeindemitglieder sterben, ziehen weg oder treten aus der Kirche aus, die Mitgliederzahlen gehen seit Jahren zurück. Gehörten 2004 noch 1,3 Millionen Menschen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische–Oberlausitz an, sind es heute nur noch 1,1 Millionen. Konstant bleibt dagegen die Zahl der Kirchengebäude: Fast 2000 Gotteshäuser, gut 200 davon in Berlin, muss die Landeskirche unterhalten, die meisten stehen unter Denkmalschutz. Mit den schwindenden Einnahmen aus der Kirchensteuer sind die laufenden Kosten vielerorts kaum noch zu decken, von notwendigen Sanierungen ganz zu schweigen.

Erstmals wird an diesem Wochenende auf einer Tagung der Evangelischen Akademie sogar über ein kirchliches Tabuthema gesprochen: Der mögliche Abriss von Gotteshäusern. „Das Votum, dass wir niemals eine Kirche aufgeben werden und alle Kirchen immer evangelische Gemeindekirchen bleiben, nutzt eigentlich niemandem“, sagt Berlins Evangelischer Generalsuperintendent Ralf Meister. In seiner Zeit als Probst in Lübeck erlebte er selbst den Abriss der dortigen Melanchthon-Kirche. Einstimmig hatte der Kirchenvorstand diese Maßnahme beschlossen: Die Gemeindemitglieder fürchteten, dass es nach einem Verkauf nicht mehr zu kontrollieren sei, wofür das Gotteshaus genutzt werde. „Und auch in der Berliner Stadtgeschichte ist es häufiger dazu gekommen, dass ungenutzte Kirchengebäude aufgegeben wurden“, sagt Meister. Derzeit freilich bemüht sich die Evangelische Kirche noch um jeden Preis, ihre Kirchen zu erhalten. Während die katholischen Kirchen St. Raphael in Gatow und St. Johannes-Capistran in Tempelhof in den vergangenen Jahren sogar abgerissen wurden, wurde in der evangelischen Landeskirche keine Kirche abgerissen. Selbst als kürzlich die Einsturzgefahr der Schöneberger Philippus-Kirche bekannt wurde, startete die Gemeinde eine Spendenaktion für den Wiederaufbau. Denn ganz aus eigener Kraft, ohne großzügige Spender und staatliche Mittel, geht es schon lange nicht mehr: Das zeigt die Sanierung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche genau wie die des Berliner Doms, für den in den letzten Jahren fast regelmäßig Geld gesammelt wurde. Gemeinden, deren Kirchen bauhistorisch weniger wertvoll sind, müssen sich dagegen schon heute nach anderen Nutzern umsehen: In der Stephanus-Kirche im Wedding etwa werden künftig Videokünstler und Musiker eine Heimat finden. Das Gotteshaus soll ab Oktober zu einer „Medien-Kirche“ werden. Benjamin Lassiwe

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