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GLAUBE: Stolz und Solidarität von Juden und Muslimen

Berlin: 500 Menschen kamen zur Demo gegen das Beschneidungsurteil auf dem Bebelplatz

Berlin - Sie kamen mit bemalten T-Shirts und bunten Plakaten. So haben am Sonntagvormittag in Mitte 500 Menschen für das Recht auf Beschneidung aus religiösen Gründen demonstriert. Der Medienandrang war enorm, sogar das japanische Fernsehen schickte Reporter. Auf dem Bebelplatz übte die Initiatorin der Demonstration, Lala Süsskind – Vorsitzende des „Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus“ – scharfe Kritik am Vorschlag von Justizsenator Thomas Heilmann. Der CDU-Politiker hatte angekündigt, dass religiös motivierte Beschneidungen in Berlin weiter straffrei bleiben sollten, dies aber an den Glaubensnachweis geknüpft sei. Der Protest richtete sich gegen das Urteil des Landgerichts Köln, das die Beschneidung als Körperverletzung bewertet hatte.

„Wie soll ich nachweisen, dass eine Beschneidung aus religiösen Gründen geschieht?“, fragte Süsskind. Die ehemalige Vorsitzende der 10 000 Mitglieder zählenden Jüdischen Gemeinde zu Berlin sagte: „Vor etlichen Jahren hätte man mich auf der Straße als Jüdin erkannt – diese Zeiten wollen wir nicht mehr haben.“ Sie nannte die Beschneidungsdebatte „ein Sommerloch-Thema“ – „Weder Juden noch Muslime verstümmeln ihre Kinder.“ Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, nannte es „unerträglich“, dass jüdisches Leben als „ein Stück illegitim“ dargestellt werde.

Der Aufruf zur Demo wurde von über 50 Organisationen und Einrichtungen unterstützt, darunter die Evangelischen Landeskirche, das Erzbistum Berlin, der Türkische Bund Berlin-Brandenburg, die Deutsch-Israelische Gesellschaft und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Kämpferisch zeigte sich der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat. Vom orthodoxen Rabbiner Yitshak Ehrenberg hatte er sich eine Kippa geborgt, bevor er aufs Podium stieg. Nun trug er sie mit Stolz und Solidarität. „Niemand kann Beschneidungen stoppen und verhindern“, sagte Kolat. In der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland habe es nie irgendwelche Komplikationen damit gegeben. Juden und Muslime sollten bei der Entwicklung des Bundesgesetzes beteiligt werden.

Und auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) meldete sich zu Wort. In der Debatte um Beschneidungen gehe es um zwei Grundfragen, erklärte Thierse: „Wollen wir das Kindeswohl nur medizinisch oder auch geistig-geistlich definieren? Und soll es üblich werden, dass der Staat definiert, was zur Praxis einer Religion gehört?“ Und unter dem Applaus der Demonstranten versprach der SPD-Politiker, sich kraft seines Amtes für eine zügige gesetzliche Regelung der Beschneidungen einzusetzen. Benjamin Lassiwe

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