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Brandenburgs Nachwuchs. Für die Nachsorge eine Hebamme zu finden, ist für Eltern schwer.

© Waltraud Grub/dpa

Gesundheitsversorgung in Brandenburg: Hebammen dringend gesucht

In Brandenburg herrscht Hebammenmangel, ein Kreißsaal musste deswegen schon geschlossen werden. Die Politik sucht nun nach Lösungen. Eine schwierige Geburt.

Potsdam - Die Wehen setzen ein, die Schmerzen. Doch bevor die werdende Mutter Hilfe bekommt, muss sie erst 50 Kilometer über Land fahren. Für Frauen in Nauen ist das derzeit Realität: Sie müssen zum Entbinden nach Rathenow (Havelland) fahren. Der Kreißsaal in Nauen, einer Stadt mit 17 700 Einwohnern, wurde im Oktober geschlossen – weil es nicht mehr genug Hebammen gab. „Das kann jederzeit überall passieren“, warnt Martina Schulze, Vorsitzende des Brandenburger Hebammenverbandes. Denn landesweit herrscht ein Mangel an Geburtshelferinnen, wie aktuelle Zahlen des Gesundheitsministeriums zeigen.

211 festangestellte Hebammen gibt es in Brandenburg

Von einer „angespannten Fachkräftesituation“ spricht das Ministerium in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Péter Vida von der Vereinigung BVB/Freie Wähler. Die Situation an der Havelland-Klinik in Nauen sowie eine aktuelle Analyse der Bundesagentur für Arbeit seien „deutliche Zeichen“ dafür, dass in der Geburtshilfe ein Fachkräftemangel vorherrsche. In den Brandenburger Krankenhäusern waren Ende 2016 nach Ministeriumsangaben 211 festangestellte Hebammen und 52 Beleghebammen tätig. Dazu kommen rund 400 freiberufliche Hebammen, die bei den Kreisen und kreisfreien Städten gemeldet sind. Insgesamt gibt es – Nauen eingerechnet – 25 Kreißsäle im Land. Seit dem Jahr 2000 wurden an zehn Krankenhausstandorten Geburtsstationen geschlossen, so etwa 2015 in Bad Belzig. „Dies betraf vornehmlich kleinere Geburtsstationen von Krankenhäusern niedriger Versorgungsstufen in berlinfernen Regionen mit einer geringen Geburtenzahl“, heißt es in der Antwort auf die Abgeordnetenanfrage. In der Krankenhausplanung für Brandenburg gilt eine Zahl von jährlich mindestens 300 Geburten als Orientierungswert. Experten empfehlen eine Zahl von mindestens 700 pro Jahr, um die Abläufe sicher und routiniert zu beherrschen. „Brandenburg ist hiervon abgewichen, um die flächendeckende Versorgung sicherzustellen“, erklärt das Ministerium.

Freie Wähler fordern Bestandsgarantie für Kreißsäle

Der ausgegebene Orientierungswert von 300 Geburten pro Jahr werde mittelfristig zur Schließung weiterer Kreißsäle führen, fürchtet der Abgeordnete Vida. Die Freien Wähler fordern daher stärker auf fachlichen Austausch zwischen Geburtskliniken zu setzen, um so die Routine bei der Geburtshilfe zu wahren und Standorte auch bei nur 200 Geburten jährlich erhalten zu können. Er verlange zudem eine Bestandsgarantie für alle derzeitigen aktiven Kreißsäle mindestens für die kommenden 15 Jahre, so Vida.

Ministerium sieht die Kliniken in der Verantwortung

Eine Bestandsgarantie könne das Gesundheitsministerium grundsätzlich nicht geben, erklärt die amtierende Sprecherin Gerlinde Krahnert. Das Land achte im Rahmen der Krankenhausplanung darauf, dass eine flächendeckende Versorgung mit leistungsfähigen Geburtsstationen auch künftig sichergestellt werden kann. „Im Gegensatz dazu kann es aber kein Krankenhaus zu einem solchen Versorgungsauftrag verpflichten“, so Krahnert. „Die Verantwortung für den Betrieb von Entbindungsstationen liegt allein in der Verantwortung der Träger der jeweiligen Kliniken.“

Knapp eine Million Euro im Doppelhaushalt für Hebammen

Um die Situation der Hebammen und damit auch die Lage für werdende Eltern zu verbessern, arbeitet Rot-Rot an einen Aktionsplan, für den im noch nicht beschlossenen Doppelhaushalt 2019/20 knapp eine Million Euro bereitgestellt werden soll. Geplant sei ein Paket mit acht Maßnahmen, erklärte der Sprecher der SPD-Fraktion, Gerold Büchner. Unter anderem sollen ein Portal zur Suche und Vermittlung von Hebammen sowie eine Koordinierungsstelle für Geburtshelfer eingerichtet werden. Hebammen, die sich mit Praxen selbstständig machen wollen, sollen als Starthilfe einen Gründungszuschuss bekommen. Auch die Fortbildung soll unterstützt werden. Die Linksfraktion hatte zudem die Idee einer Hebammenprämie ins Spiel gebracht, um die Helferinnen in Brandenburg zu halten. Ein ähnliches Angebot gab es bereits für Lehrer – mit mäßigem Erfolg. Nun sollen Landärzte nach den Plänen von Rot-Rot mit einer Prämie für eine gewisse Zeit ans Land gebunden werden.

Nutzen einer Hebammenprämie umstritten

Im Ministerium rechnet man nicht mit einem durchschlagenden Erfolg einer Hebammenprämie. Ein solcher Hierbleibebonus wäre zu kurz gegriffen, meint Sprecherin Gerlinde Krahnert. „Wir unterstützen jedoch die Forderung nach einer Bedarfsanalyse oder Gedanken zur Einrichtung von Online-Hebammen- Such- und Vermittlungsprogrammen.“ Was die Geburtshilfe im Krankenhaus angehe seien vor allem die Klinikträger in der Verantwortung, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Eine Hebamme betreut bis zu vier Geburten gleichzeitig

So sieht das auch Hebamme Martina Schulze aus Stahnsdorf. „Die Bezahlung und der Personalschlüssel in den Kliniken muss stimmen“, sagt die Verbandsvorsitzende. Es könne nicht sein, dass eine Hebamme gleichzeitig drei oder vier laufende Geburten im Kreißsaal betreuen müsse. „Das sorgt weder für Arbeitszufriedenheit noch für ein gutes Gefühl bei den Eltern“, sagt sie. Eine Prämie für Hebammen, die sich verpflichten, eine bestimmte Zeit in Brandenburg zu arbeiten, könne vielleicht ein zusätzlicher Anreiz sein. Eine Besserung des Hebammenmangels sei in jedem Fall so schnell nicht in Sicht, macht Schulze deutlich. „In den kommenden Jahren hören viele Kolleginnen aus Altersgründen auf“, erklärt sie. An der Hebammenschule in Cottbus werden nur alle drei Jahre 15 Geburtshelferinnen ausgebildet. Die zweite Hebammenschule in Eberswalde ging erst vor einem Jahr an den Start, bis die ersten Absolventinnen in den Kreißsaal können, vergehen noch zwei Jahre.

Grüne fürchten gesundheitliche Folgen

Für die Landesvorsitzende der Grünen Petra Budke ist der Hebammenmangel „das Ergebnis jahrelang verfehlter Politik in Land und Bund“. Neben den langen Wegen zur Geburtsklinik habe das noch eine andere Nebenwirkung: Die Unterbesetzung in den Kreißsälen wirke sich verheerend auf die Gesundheit der Frauen aus. Übereilte Dammschnitte oder unnötige Zangengeburten seien auch eine Folge von Überlastung der Geburtshelfer.

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