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Gesundheitsministerin Golze unter Druck: Skandal um Krebsmittel in Brandenburg

Trotz Hinweisen warnten Behörden die Öffentlichkeit nicht vor womöglich unwirksamen und gefährlichen Krebsmedikamenten. Jetzt steht Brandenburgs Gesundheitsministerin unter Druck.

Potsdam - Im Skandal um offenbar gestohlene, teils unwirksame Krebsmedikamente für die Chemotherapie gerät Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) massiv unter Druck. Es könne nicht ausgeschlossenen werden, dass Patienten Medikamente verabreicht wurden, die in ihrer Wirksamkeit herabgesetzt sind, räumte Golze am Mittwoch ein. Die hochsensible Arznei soll wie berichtet in Griechenland gestohlen und über einen Zwischenhändler im brandenburgischen Mahlow (Teltow-Fläming) vor allem in Deutschland, aber auch den Niederlanden in Umlauf gekommen sein.

Erst am Dienstagabend ordnete das Ministerium laut Golze den Rückruf der Medikamente an – eineinhalb Jahre nachdem es erste Hinweise auf illegale Machenschaften von Pharmahändlern gab. Diese Hinweise wurden im zuständigen Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG), der Brandenburger Arzneimittelüberwachung, die dem Ministerium unterstellt ist, ignoriert und nicht an die Hausspitze weitergeleitet – ob aus Schlamperei oder Absicht, ist unklar.

Kühlung hochsensibler Flüssigmedikamente nicht erfolgt

Das Ministerium war seit Ende 2016 mit dem Vorgang befasst, nachdem in Polen größere Mengen der aus Brandenburg gelieferten Medikamente gefunden worden waren. Geprüft wurden in Potsdam aber nur die Vertriebswege. Dass die Medikamente möglicherweise gestohlen wurden, habe man nicht gewusst. Öffentlich wurde der Fall am Donnerstagabend durch einen Beitrag des ARD-Magazins „Kontraste“. Am Freitag erklärte der Abteilungsleiter Gesundheit im Ministerium, Thomas Barta, noch vor Pressevertretern, dass keine Gefahr für die Gesundheit der Patienten bestanden habe. Medikamentenproben, die bei der Firma Lunapharm in Mahlow genommen und im Landeslabor Berlin-Brandenburg untersucht wurden, hätten ergeben, dass die Medikamente voll wirksam seien. Tatsächlich wurden, wie das Ministerium nun am Mittwoch einräumte, aber nur – nach vorheriger Ankündigung – Medikamente in Pulverform getestet. Nicht untersucht wurden hochsensible flüssige Medikamente, die gekühlt werden müssen. Laut „Kontraste“ ist diese Kühlung nicht erfolgt, was die Wirksamkeit erheblich beeinträchtige.

Barta hatte zudem am Freitag noch erklärt, dass die Arzneimittelüberwachung in Brandenburg bis zu dem Fernsehbeitrag vergangene Woche keine Kenntnis davon gehabt habe, dass die Medikamente, die von einer griechischen Apotheke zum Pharmahändler nach Mahlow geliefert wurden, aus Krankenhäusern in Griechenland gestohlen worden sein sollen. Er hätte sich eine frühere Information der Staatsanwaltschaft gewünscht.

„Eine Kopie des Amtshilfeersuchens befindet sich nicht in der Akte“

Dem widerspricht die Staatsanwaltschaft Potsdam. Am 5. April 2017 sei dem zuständige Landesamt mitgeteilt worden, dass gegen das Unternehmen in Mahlow wegen des Verdachts der Hehlerei ermittelt werde, sagte Sprecherin Sarah Kress-Beuting am Mittwoch auf Anfrage dieser Zeitung. In den Akten des Landesamtes, die Golze am Dienstag zum ersten Mal einsah, findet sich kein Vermerk, dass dieser Hinweis ergangen sei, erklärte die Ministerin am Mittwoch. Dabei war es schon der zweite deutliche Hinweis darauf, dass womöglich geklaute Medikamente im Umlauf sind.

Wie Golze am Mittwoch einräumte, hat das Landesamt bereits im März 2017 ein Amtshilfeersuchen des Landeskriminalamts erreicht. Darin ist die Rede von einer anonymen Anzeige, wonach gestohlene und gefälschte Medikamente über die griechische Apotheke importiert wurden. „Eine Kopie des Amtshilfeersuchens befindet sich nicht in der Akte“, erklärte Golze am Mittwoch. Lediglich ein Vermerk sei dort zu finden. Dass Informationen unterschlagen wurden, könne sie nicht ausschließen. Das Ministerium hat Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragt und erste Mitarbeitergespräche geführt, um zu klären, warum die Informationskette nicht funktionierte und – vor allem – warum das Landesamt nicht einschritt und dem Pharmahändler in Brandenburg die Betriebserlaubnis entzog.

Grüne und CDU wollen für kommende Woche eine Sondersitzung des Gesundheitsausschuss einberufen. „Die vorschnelle Aussage des für die Medikamentenaufsicht zuständigen Gesundheitsministeriums, die Sicherheit der Menschen sei zu keiner Zeit gefährdet, erweist sich nun als Makulatur“, erklärte die Vorsitzende und gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ursula Nonnemacher. „Ich erwarte, dass Ministerin Golze das Ausmaß des Skandals vollumfänglich aufklärt und darüber informiert, wie es zu einer derart eklatanten Verletzung ihrer Aufsichtspflichten kommen konnte“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Raik Nowka, der auch Akteneinsicht beantragt hat.

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