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Gesundheitsministerin Diana Golze unter Druck: Doch keine Korruption im Brandenburger Pharmaskandal

Brandenburgs Gesundheitsministerin Golze gerät im Pharmaskandal weiter unter Druck. Die vermutete Korruption von Mitarbeitern gab es nicht, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Im Brandenburger Pharmaskandal um möglicherweise unwirksame Krebsmedikamente gibt es keine Hinweise auf Korruption. Das teilte die Staatsanwaltschaft Neuruppin am Mittwoch mit. Damit fällt die bisherige Verteidigungslinie von Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) in sich zusammen. Sie hatte versucht, sich als Opfer möglicherweise bestechlicher Mitarbeiter im Landesgesundheitsamt darzustellen und damit die politische Verantwortung von sich zu weisen. 

Das Ministerium hatte zwei Mitarbeiter der chronisch unterbesetzten Arzneimittelaufsicht im Landesgesundheitsamt wegen Verdacht auf Bestechlichkeit angezeigt. Sie wurden verdächtigt, mit dem Medikamentenhändler Lunapharm in Mahlow gemeinsame Sache gemacht, illegalen Arzneihandel gedeckt und deshalb das Ministerium nicht darüber informiert zu haben.  

Am Mittwochvormittag teilte die zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft Neuruppin mit: "Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von (Korruptions-)Straftaten haben sich nach Prüfung der Anzeigen und zahlreicher weiterer Unterlagen, die im Zuge der Anzeigenprüfung durch die Staatsanwaltschaft beigezogen worden sind, nicht ergeben."

Opposition spricht von Kontrollverlust im Gesundheitsministerium

Insbesondere die von den angezeigten Mitarbeitern dokumentierte Zusammenarbeit mit Behörden in Deutschland und im Ausland bei der "Aufklärung der Herkunft und Vertriebswege der ursprünglich aus Griechenland stammenden Medikamente spricht gegen ein korruptiv veranlasstes Handeln für das Unternehmen Lunapharm". Auch fehlten jegliche Hinweise auf das Anbieten, Versprechen oder Gewähren von Vorteilen. 

Die ARD hatte den seit 2013 laufenden illegalen Handel mit aus griechischen Krankenhäusern gestohlenen und von Lunapharm vertriebenen Krebsmedikamente vor drei Wochen aufgedeckt. Nach ersten Dementis musste Golze eine Woche später doch schwere Versäumnisse im Landesgesundheitsamt einräumen und startete einen Rückruf der zumeist bereits verbrauchten Mittel. Tage später wurde die Betriebserlaubnis entzogen. Auch zu einer Entschuldigung konnte sie sich erst spät durchringen. 

Die Behörden befürchten, dass die Mittel für die Chemotherapie wegen fehlender Kühlung unwirksam sein könnten. Zudem musste das Gesundheitsministerium einräumen, dass wohl nie geklärt werden können, ob die in elf Bundesländer gelieferten Medikamente möglicherweise schädlich sind. Trotz Hinweisen von den Behörden in Polen und Griechenland, trotz seit Frühjahr 2017 laufender Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Potsdam waren die Brandenburgs Arzneimittelaufseher nicht eingeschritten. Die Ministeriumsspitze war auch nicht informiert worden, die Opposition warf Golze deshalb Kontrollverlust vor. Inzwischen musste das Ministerium eingestehen, dass die Hinweise und Verdachtspunkte im Frühjahr 2017 ausgereicht hätten, um den illegalen Arzneihandel zu unterbinden.

Golze hatte nach Bekanntwerden des Skandals darauf gesetzt, dass "kein fachliches Versagen" der ihr unterstehenden Behörde vorliege, sondern möglicherweise kriminelle Machenschaften von Mitarbeitern. Nachdem die Staatsanwaltschaft nur keinen Korruptionsverdacht feststellen konnte, bestätigt sich nun das Versagen der Behörde, aber auch das Versagen der Ministerin bei der Kontrolle des Amtes.

Die Ministerin sagte am Mittwoch dazu: „Mir fällt ein großer Stein vom Herzen, denn damit ist klar, dass die Fehler, die passiert sind, nicht auf kriminelle Energie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landesamtes zurückzuführen sind." Nun sei es "unsere Aufgabe" zu klären, warum es dennoch dazu kommen konnte, dass die Arzneimittelaufsicht nicht rechtzeitig eingeschritten ist. Mit Hilfe einer von ihr eingesetzten Task Force sollen Maßnahmen ergriffen werden, "damit nur wirksame und legale Medikamente in Brandenburg in Umlauf kommen und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten gewährleistet ist.“

Opposition setzt Golze unter Druck

Die Oppositionsfraktionen CDU und Grüne haben am Mittwoch eine baldige Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Landtag anberaumt. Zugleich forderten sie von Golze, sie müsse binnen Wochenfrist "die Umstände umfänglich" aufklären. "Danach werden wir beurteilen müssen, ob das Gesundheitsministerium mit Diana Golze an der Spitze noch in der Lage ist, die richtigen Maßnahmen einzuleiten, um die Wiederholung eines solchen Skandals zu verhindern", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Raik Nowka.

Golzes Verteidigungsstrategie sei auf ganzer Linie gescheitert, sagte Nowka. „Der Versuch zwei Sündenböcke für das Versagen der Arzneimittelaufsicht zu präsentieren, ist kläglich gescheitert." Dem Manöver, Mitarbeitern kriminelle Energie und Korruption zu unterstellen, habe die Staatsanwaltschaft ein Ende bereitet. "Damit ist der Weg frei für die Aufklärung der wahren Ursache des eklatanten Versagens von Golzes Ministerium", sagte Nowka. Es gehe ausschließlich um Behörden- und Aufsichtsversagen.  

Die AfD im Landtag fordert Golzes Rücktritt. „Auf einen puren Verdacht hin hat die panisch agierende Ministerin ihr gesamtes Ministerium planlos umgebaut und sogar die eigenen Leute grundlos angezeigt. Sie hat Karrieren zerstört und in Kauf genommen, dass die Arzneimittelkontrolle in Brandenburg nicht mehr einsatzfähig ist", sagte Vizefraktionschefin Birgit Bessin. "Jetzt muss Woidke handeln". Er müsse Golze unverzüglich verlassen. Bessin warf Golze vor, "nur vertuschen und die eigene Haut retten" zu wollen.

Woidke war bereits am Dienstag auf Abstand zu Golze gegangen und stellte sich nicht mehr uneingeschränkt hinter sie. Ein Rücktritt der Ministerin wäre „dann fällig, wenn ich der Überzeugung bin, dass Frau Ministerin Golze ihr Amt nicht gut ausführt“.

Auch Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, die bisherige Verteidigungsstrategie von Golze, den Medikamentenskandal auf kriminelle Machenschaften einzelner Mitarbeiter in ihrem Landesamt zurückzuführen, sei damit zusammengebrochen. „Golze selbst muss es damit überdeutlich vor Augen stehen, dass Organisation und Führung des Landesamtes und des Ministeriums im hochsensiblen Bereich der Medikamentenaufsicht massiv versagt haben“, erklärte Vogel. Golze müsse "die realen Gründe für das eklatante Versagen in ihrem Hause aufdecken, ihren persönlichen und politischen Anteil an dem Medikamentenskandal bekennen und die von ihr gezogenen Schlussfolgerungen benennen".

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